Librairie Clair-Chêne / Ria Recht-Engel betreibt einen der letzten unabhängigen Zeitungsläden in Esch
Die „Librairie-Papeterie Clair-Chêne“ ist eine der wenigen in Esch noch privat geführtem Zeitungs- und Schreibwarenhandlungen. Besitzerin Ria Recht-Engel überzeugt mit ihrer sympathischen Art und einer außergewöhnlichen Kundenbindung. Der am meisten verkaufte Artikel in ihrem kleinen Laden sind nach wie vor Zeitungen.
Wer die heimelige „Librairie-Papeterie Clair-Chêne“ betritt, fühlt sich um Jahrzehnte zurückversetzt. Allein der Geruch von Druckerschwärze und Papier erinnern an die früher so typische Atmosphäre eines Zeitungsladens. Die gängigen Zeitungen liegen fein säuberlich aufgereiht auf der Seitentheke, die Zeitschriften stehen in Holzständern, eine gut sortierte Auswahl an Papeterie- und Geschenkartikel präsentiert sich auf geschreinerten Regalen. Einziges Zugeständnis an die moderne Zeit: die alte Uhr mit der (heute verbotenen) Zigarettenwerbung wurde durch eine neutrale ersetzt.
„Ich habe alles so belassen, wie es am 2. Januar 2000 war, als ich das Geschäft übernahm“, sagt Ria Recht-Engel, die weit über die Grenzen des Clair-Chêne-Viertels hinaus geschätzte Betreiberin. „Als sich die früheren Inhaber, Maria und Gusty Ewald, aus Altergründen zurückziehen wollten, fragten sie mich, ihre Hausnachbarin, ob ich Interesse an der Weiterführung des Ladens hätte. Nach kurzem Überlegen sagte ich Ja. Ich hatte längere Zeit als Buchhalterin gearbeitet und es reizte mich, eine neue Herausforderung anzunehmen.“ In der Tat habe es in diesem Stadtviertel seit jeher einen Zeitungsladen gegeben. Sie sei hier aufgewachsen und habe dementsprechend viele Leute gekannt. So wollte sie es, so manchen Unkenrufen zum Trotz, einfach mal versuchen. Würde der kleine unabhängige Laden überleben?
Die Persönlichkeit macht den Unterschied
Er überlebte nicht nur, sondern wurde zu einer wahren Erfolgsgeschichte. Seit 20 Jahren nun steht Ria – jedermann nennt die Besitzerin nur beim Vornamen –tagtäglich hinter der Theke. Und die Begeisterung für ihren Beruf ist ihr noch immer anzusehen. „Ich mache alle anfallenden Arbeiten gerne. Meine Aufgaben erstrecken sich vom Auspacken über das Einsortieren der Ware bis hin zum Ausschildern. Doch richtig Spaß macht mir der Kontakt mit den Kunden.“ Dabei entpuppt sich ihr wahres Talent. Sie konnte die langjährige Stammkundschaft halten und ständig neue Kunden hinzugewinnen.
Der Zeitungsladen ist mittlerweile zu einem beliebten Treffpunkt für die Einwohner des Stadtteils geworden. Sie kommen beim frühmorgendlichen Gassigehen mit dem Hund vorbei, tauschen die letzten Neuigkeiten aus oder springen auf dem Weg zur Arbeit rasch zum Kauf einer Zeitung oder Schachtel Zigaretten hinein. Und ganz gleich, wie viele Kunden sich in dem kleinen Raum tummeln, Ria behält den Überblick. Die Eiligen werden im Nu bedient, während jene, die den gemütlichen Plausch schätzen, dies weiterhin ungestört tun können. „Apropos Hunde! Jede Fellnase bekommt bei mir ein Leckerli. Die Vierbeiner wissen das. Als ich zu Jahresende ein paar Tage geschlossen hatte, stand Shih Tzu Laika vor den herabgelassenen Rollläden und forderte bellend seinen Schmaus ein. Sein Frauchen hatte Mühe, ihn zum Weitergehen zu bewegen“, erzählt Ria lachend.
Ein beliebter Treffpunkt
Den ganzen Tag geben sich die Kunden sozusagen die Klinke in die Hand. Dabei bleibt Ria unverändert freundlich und beflissen. Sie redet jeden mit Namen an und kennt (fast) alle Kundenwünsche. Viele kommen zum Lottospielen oder versuchen neuerdings auch ihr Glück bei der Sportwette, andere wiederum holen die Zeitschriften ab, die Ria ihnen zurückgelegt hat. Die Schüler der umliegenden Schulen gönnen sich bei Schulschluss eine „Schneekerei“, ein kühles Getränk oder kaufen noch rasch ein Schulheft.
„Ich versuche allen Anforderungen meiner Kunden im Rahmen meiner Möglichkeiten gerecht zu werden. Möchte jemand eine an einem bestimmten Tag erscheinende Zeitung oder Zeitschrift, bestelle ich sie. Ich versuche mein Angebot an meine Kundschaft anzupassen.“ Doch verkaufen allein genüge nicht. Ria müsse auf den Kunden eingehen, immer ein offenes Ohr für seine Sorgen und Nöte haben. Mancher käme einfach zum Reden und dann müsse sie schon mal den Psychologen geben. Viele aber würden einfach den ungezwungenen Austausch mit Bekannten aus dem Viertel genießen.
Sind die ehrliche Freundlichkeit und die persönliche Betreuung das Geheimnis von Rias Erfolg? Stammkunde Jean, der soeben seinen Lottoschein abgegeben hat, bejaht. „Ria ist sehr freundlich und sympathisch. Das sagt doch alles!“, lobt der Pensionär. „Und seit ich nicht mehr so gut sehe, kontrolliert sie genau, ob ich keinen Fehler bei den Lottokreuzchen gemacht habe“, fügt eine 80-jährige Kundin aus der Nachbarschaft hinzu.
Die Tür öffnet sich und ein Lieferant schleppt eine schwere Kiste herein. „Ich bringe sie sofort in den Abstellraum“, sagt er. „Die Ladeninhaberin ist immer so nett, da werde ich sie doch dieses Ungetüm nicht allein tragen lassen.“ „Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück“, bemerkt die Kauffrau. „Ganz genau“, bestätigt eine Klientin aus Bergem. „Ich komme soeben aus dem Supermarkt und nutze die Gelegenheit, um noch rasch im Laden im Clair-Chêne vorbeizuschauen. Hier ist es immer gemütlich, auch wenn viele Kunden da sind. Ria behält die Ruhe und lässt keine Hektik aufkommen. Trotzdem geht es schnell und ich kann ein bisschen plaudern. Auch unterscheidet sich das Angebot an Schreibwaren und Geschenkartikeln angenehm von dem in den Läden großer Ketten. Das ist mir den Umweg wert.“
Vorteile der Unabhängigkeit
Genau diese Unabhängigkeit ist heutzutage außergewöhnlich. „Meine Zeitungen und Zeitschriften beziehe ich wohl bei der großen Firma, die das Monopol der Zeitungsverteilung besitzt. Das klappt ganz gut. Sie nehmen die unverkauften Exemplare zurück, abgerechnet werden nur die verkauften. Anders wäre es nicht zu stemmen. Für den Rest mache und verkaufe ich, was ich will. Auch bestelle ich, wo es mir gefällt. So musste ich meinen Laden ebenfalls nicht nach den Standards dieses Unternehmens einrichten, sondern konnte ihn individuell gestalten.“
Angesichts des Erfolgs des kleinen inhabergeführten Ladens ist es nicht zu übersehen, dass das Konzept aufgeht. Doch was lockt denn nun die meisten Kunden an? Das Lotto? Die Sportwette oder gar das Schreibwarensortiment? „Nein, es sind ganz klar die Zeitungen“, beteuert Ria. „Sei es, weil ein Artikel besonders interessiert oder man sich mittels der geschriebenen Presse ausführlich informieren will.“
Ob es schwer für sie war, Laden und Familie unter einen Hut zu bringen? Immerhin fängt der Tag aufgrund der Zeitungskunden sehr früh an. „Eigentlich nicht“, antwortet die zweifache Mutter. „Als ich begann, hatte meine Tochter vier Jahre. Anderthalb Jahre nachdem ich den Laden übernommen hatte, kam eine zweite nach. Als die Kinder klein waren, wurden sie von meinem Vater versorgt. Auch mein Mann war mir im Rahmen seiner beruflichen Möglichkeiten behilflich. Heute sind die Kinder erwachsen und ich bin froh, eine Tätigkeit auszuüben, die mich ausfüllt. Und ich bin stolz, durchgehalten und ein florierendes Geschäft zu haben.“ Denkt die Mittfünfzigerin nicht manchmal ans Aufhören? „Nein“, protestiert sie. „Ich fühle mich meinen Kunden verpflichtet. Solange ich gesund bleibe und mir diese Arbeit Freude bereitet, werde ich jeden Morgen die Rollläden hochziehen.“
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