Ansemburg / Im Gemüsegarten des Schlosses kultiviert Frank Adams biologisches Gemüsesaatgut
Viele haben den Bezug zu dem, was sie essen, verloren. Das beginnt beim Saatgut und endet beim Respekt vor der Arbeit der Bauern. Frank Adams (60) hat sich der Erhaltung lokaler Gemüsesorten verschrieben. Mit Leib und Seele, es ist seine Berufung. Ein Gespräch mit ihm landet schnell bei grundlegenden Fragen der Ernährung und nach der Gesellschaft, in der wir leben wollen.
Frank Adams findet man entweder im Gewächshaus oder im Gemüsegarten am Ansemburger Schloss. Er liegt versteckt und ist nicht ausgeschildert hinter dem öffentlich zugänglichen Teil des Schlossgartens. Wer dort ankommt, lässt die Pracht der barocken Wasserspiele, Skulpturen und der kunstvoll angelegten Terrassen hinter sich. Viele kommen ins „Tal der sieben Schlösser“, um den im französischen Stil angelegten Lustgarten zu sehen.
Auch Frank Adams kommt als Tourist und entdeckt seinerzeit den Nutzgarten. Als gelernter Gemüsegärtner mit Meisterbrief interessieren ihn weniger die dekorativen Elemente. Der gebürtige Deutsche verliebt sich in die 4.000 Quadratmeter mit Tomaten, Kohl, Kräutern und Salaten. Er bleibt im Land und baut sie aus. Ihm geht es um Esskultur, um das Erbe heimischer Sorten und um den Samen, mit dem alles beginnt.
Das war 1994. Zu dem Zeitpunkt stecken Projekte wie „Urban Gardening“ oder pädagogische Bauernhöfe, die Kindern näherbringen, woher die Milch stammt, die sie jeden Tag trinken, noch in den Kinderschuhen.
Von Anfang an liegt sein Augenmerk darauf, nicht nur Gemüse, sondern auch deren Samen zu gewinnen. Lokales Saatgut ist an Boden und Klima angepasst und kann eigenständig und ohne Pestizide Schädlinge und Krankheiten abwehren.
Der Garten ist eine kleine Saatgutproduktion
Im Tal der Eisch herrscht ein raues Klima. Der Lehmboden ist schwer, die Tage sind kurz mit wenigen Sonnenstunden. Es ist feucht. Damit müssen die Pflanzen zurechtkommen. Adams erlebt im Lauf der Zeit Rückschläge. Mehrere Salatsorten werden krank und schaffen es nicht. Und er hat Erfolge. Südfranzösischen Mais kann er ansiedeln. Er hat sich genauso angepasst wie die Bohnensorte „Coco Rose de la Meuse“ aus Belgien.
Mittlerweile gibt er sein Wissen an der Ackerbauschule in Ettelbrück an angehende Gärtner weiter.
Fächer wie Gemüsebau, Produktionsplanung, Samenbau oder Bodenpflege stehen auf seinem Lehrplan. Den Garten hat er trotz Vollzeitstelle nicht losgelassen. Obwohl es schon längst Nachfolger gibt, kümmert er sich ehrenamtlich weiter darum. Von Anfang an gilt er als „Exot“. Die Produktion von lokalem Saatgut ist wirtschaftlich nicht rentabel.
In Papiertüten liegen die grob gereinigten Samen der diesjährigen Ernte für die Feinreinigung und die Keimprüfung bereit auf dem Tisch im Gartenhaus. „Wir setzen hier keine Pestizide ein“, sagt Adams. „Wir sind biologisch zertifiziert und wollen, dass unsere Pflanzen natürlich resistent sind.“ Das unterscheidet ihn von denen, die kommerzielles und oft gentechnisch standardisiertes Saatgut einsetzen.
Heute beherrschen „Global Players“ den Markt
„Früher hat der Bauer das selbst gemacht“, sagt Adams. „Heute ist es viel günstiger, Saatgut einzukaufen.“ Dessen Herstellung ist mittlerweile zentralisiert und privatisiert, obwohl es die Grundlage unserer Ernährung ist. Einige wenige „Global Players“ sichern die weltweite Nahrungsmittelproduktion. Zehn große Konzerne kontrollieren 75 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes, wie aus dem ersten und bislang einzigen Weltagrarbericht von 2008 hervorgeht.
Bei Zuckerrüben beträgt der Marktanteil der drei größten Saatgutproduzenten 90, bei Mais 57 und 55 Prozent bei Sojabohnen. Universell einsetzbar und standardisiert entlarvt das den Bauernhof mit Kühen, Schweinen, Gemüse und Hühnern, die Eier legen, als Mythos. Spezialisierung gehört heute längst zu den Notwendigkeiten, um wirtschaftlich zu überleben.
Erst mit dem Klimawandel rückt das Thema „lokales Saatgut“ wieder in den Fokus. „Wenn wir keinen lokalen Samen mehr produzieren, fehlen die Anpassungsprozesse“, sagt Adams. Sie sind bitter nötig. „Die Natur findet immer einen Weg, um durch Züchtung erreichte Krankheitsresistenzen zu umgehen“, sagt er. Es ist eine ständige Evolution, und es gibt ein gutes Beispiel.
Hochgezüchtete Hochleistungspflanzen
Bananen gehören heute zum Allgemeingut der Ernährung. Bis in die 60er Jahre hinein setzt die Industrie global nur auf eine Sorte, den „Gros Michel“, für den Export. Was nur Wenige wissen, ist, dass diese Monokultur viele Importeure damals in den Konkurs treibt. Die Sorte wird vor 60 Jahren von einem Pilz befallen und die Plantagen vernichtet.
Der Nachfolger, die Cavendish-Sorte, ist gegen diesen Pilz resistent, wird später aber wieder, dieses Mal von einem anderen Pilz, befallen, und das Plantagensterben beginnt von Neuem. Als eine der Ursachen dafür gilt die künstliche Vermehrung, die eine Anpassung der Pflanzen an sich ändernde Umwelteinflüsse verhindert. Der biotechnologische Fortschritt ermöglicht den Zusammenbau neuer Sorten über Gendatenbanken.
„Natürlich kann ich mit Gentechnik ertragreiche und krankheitsresistente Sorten züchten“, sagt Adams. „Aber unser Ansatz hier ist die Zusammenarbeit mit der Natur.“ Aussagen wie diese stimmen nachdenklich. „Saatgut ist ein Allgemeingut wie Wasser und Luft“, sagt er als lokaler Saatguthersteller. So einfach das klingt, so schnell ergeben sich grundlegende Fragen daraus.
Wie weit darf die Macht der Wirtschaft gehen, wie frei ist Forschung und inwieweit ist eine privatisierte Saatgutproduktion demokratisch? Antworten darauf zu finden, ist Sache der Politik. Stimmen, die das fordern, werden immer lauter, wie die jüngste bürgerschaftliche EU-Initiative zur Diversität belegt. Die Zukunft wird es zeigen.
Saatgut aus dem Gemüsegarten in Ansemburg
Das Saatgut wird jedes Jahr ab Februar an Hobbygärtner gegen Spende abgegeben. Nähere Informationen gibt es über den Verein SEED (www.seed-net.lu). Ab 2022 soll auch lokales Saatgut an professionelle Marktgärtner im Rahmen des Projekts „Vom Saatgut auf den Teller“ verteilt werden.
Europäische Bürgerinitiative
Anfang Oktober hat die europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten!“ EU-weit über 1,16 Millionen Unterschriften erhalten. Das haben „Mouvement écologique“, „natur&ëmwelt“ und „Greenpeace Luxembourg“, die neben anderen hinter dieser Initiative stehen, in einer Pressemitteilung erklärt. Die Initiative fordert eine Reduzierung des Einsatzes synthetischer Pestizide um 80 Prozent bis 2030 und um 100 Prozent bis 2035 in der EU, Maßnahmen zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen und eine massive Unterstützung der Landwirte bei der Umstellung auf biologischen Landbau und agrarökologische Maßnahmen.
Auch in Luxemburg wurde die Mindestzahl von 4.503 mit 5.293 Unterschriften deutlich überschritten, heißt es in der Mitteilung weiter. Sollten die Unterschriften von den zuständigen Behörden bestätigt werden, müssten die Europäische Kommission und das Europaparlament die Forderungen der Initiative auf die Tagesordnung setzen, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Darin fordern die an der Initiative beteiligten luxemburgischen NGOs die Europäische Kommission, die luxemburgische Regierung und die zuständigen Ministerien zum Handeln auf.
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