Statec / Im Rhythmus der Pandemie: Luxemburger Wirtschaft erholt sich – und erwartet Auswirkungen der zweiten Welle
Luxemburgs Wirtschaft hat sich im dritten Quartal bisher von den Auswirkungen der Pandemie erholt und weist damit ähnliche Tendenzen auf wie die gesamte Eurozone. Das berichtet die Luxemburger Statistikbehörde Statec. Sorgen könnten jedoch die erneuten Coronamaßnahmen bereiten. Aber: Ganz so schlimm wie im Frühling sollen die ökonomischen Einbußen nicht ausfallen.
Das staatliche Statistikamt Statec wartet für das dritte Quartal mit erfreulichen Neuigkeiten auf – und einer Warnung. Wie für die gesamte Eurozone erwartet sich Statec eine Erholung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im dritten Quartal. Zudem prognostizieren die Statistiker, dass die Auswirkungen der erneuten Coronamaßnahmen nicht ganz so drastisch ausfallen wie im Frühling. In der gesamten Eurozone war das Wachstum des BIP um vier Prozent im ersten und um zwölf Prozent im zweiten Quartal eingebrochen.
Die Erwartungen an das Jahresende sind demnach eher gemischt, schreibt Statec. Der Anstieg an Infektionen im Oktober habe bereits für Besorgnis im Dienstleistungssektor und in der Industrie gesorgt – mit den erneuten Maßnahmen im November wurde diese dann auch ganz konkret. Die Einkaufsmanagerindizes (PMI), die für den Monat November bereits vorliegen, würden diesen rückläufigen Trend dann auch bestätigen, schreiben die Statistiker. „Der Index ist unter die 50-Punkt Marke gefallen, was auf einen wahrscheinlichen Rückgang des BIP im vierten Quartal hindeutet.“
Purchase Managers Index/Einkaufsmanagerindex (PMI)
Der Einkaufsmanagerindex ist ein Gesamtindex, der einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der Industrie ermöglicht. Eine Notierung des Index unter der Referenzlinie von 50 zeigt an, dass die Geschäfte in der Industrie im Vergleich zum Vormonat schrumpften.
Freudige Aussichten
Trotzdem gibt es auch freudige Aussichten, schreibt das Statec. Die Ankündigungen von Impfstoffen mit hoher Wirkkraft wurden von den Börsen gut aufgenommen. Die Auswirkung auf Dienstleistungen und Haushalte muss hingegen noch abgewartet werden. Insgesamt wird dem vierten Quartal und den erneuten Corona-Maßnahmen gespannt entgegengeblickt: Die Eindämmungsmaßnahmen beträfen weniger Wirtschaftsbranchen und seien in Luxemburg insgesamt weniger restriktiv ausgefallen als im Rest Europas. Ein weiterer Pluspunkt aus wirtschaftlicher Sicht sei das Bildungssystem, das weitgehend normal funktioniere. Andernfalls wären viele Eltern gezwungen, zu Hause zu bleiben, schreibt das Statistikamt – was wiederum die Wirtschaftsleistung erheblich beeinträchtigt hätte.
Die Wirtschaftsleistung der Industriebranche ist in Luxemburg in den ersten neun Monaten um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingeknickt. Das sind drei Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt der Eurozone (elf Prozent). Mit Einzug des Herbstes hat sich die Produktion jedoch leicht unter dem Niveau des Vorjahres stabilisiert (Anmerkung: Die Statec-Grafik zeigt nur die Entwicklung bis September). Alle Wirtschaftszweige weisen in ihrer Produktivität einen Knick in V-Form auf – mit Ausnahme der Holz- und Textilindustrie, die einen Anstieg an Produktivität von zehn Prozent aufweist, und der Pharmaindustrie, die im Vergleich zum Vorjahr stagniert. Trotz eines leichten Produktionsrückgangs im November scheint sich die Industrie auch im November weiter zu erholen, prognostiziert Statec.
Der Konsum der Haushalte müsse sich im Vergleich zum Vorjahr im dritten Quartal wieder erholen, schreibt die Statistikbehörde. Im zweiten Quartal war er um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Der starke Rückgang ist vor allem auf den starken Einbruch beim Einzelhandel im zweiten Quartal zurückzuführen, als alle nicht-essenziellen Geschäfte schließen mussten. Einige Läden haben im dritten Quartal von einem Aufholphänomen profitiert: Einkäufe und Geschäfte, die im Frühjahr nicht getätigt werden konnten, wurden im Sommer nachgeholt. Trotzdem bleiben die Gesamtumsätze drei bis vier Prozentpunkte unter denen von 2019. Das erklärt sich laut Statec unter anderem dadurch, dass verschiedene Geschäftszweige, wie z.B. der Verkauf von Benzin oder anderen Brennstoffen, wenig bis gar nicht von einem Aufholphänomen betroffen sind. Einzig die großen Kaufhäuser haben – dadurch dass sie auch im Frühling geöffnet hatten – ein Plus im Verkaufsvolumen von acht Prozent in diesem Jahr zu verzeichnen.
Banken werden vorsichtiger bei Kreditvergabe
Weil die Regierung die Wirtschaft mit monetären und fiskalischen Mitteln unterstützt hat, konnten die Banken zinsgünstige Kredite an die luxemburgischen Unternehmen vergeben. Mit einem nahenden Ende der Moratorien jedoch rechnen die Banken mit einigen Kreditausfällen und sind besonders bei Darlehen über längere Zeiträume an Haushalte und Unternehmen vorsichtiger geworden. Ab kommenden Januar gelten dann auch neue Beschränkungen bei Immobilienkrediten: Der vergebende Kredit darf dann maximal 90 Prozent der Gesamtkosten des neuen Eigentums ausmachen, bei Immobilieninvestitionen, die zur Miete freigegeben werden sollen, liegt diese Obergrenze sogar bei 80 Prozent.
Auch der Versicherungssektor hat die Auswirkungen der Pandemie gespürt. Prämieneinnahmen auf Lebensversicherungen sind in den ersten neun Monaten um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen, bei allen anderen Versicherungsarten jedoch um 7,5 Prozent gestiegen. In Bezug auf Lebensversicherungen verhalten sich Investoren an den Märkten auch eher abwartend, schreibt Statec. Insgesamt jedoch hat die Beschäftigung im Versicherungssektor um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, während sie im Bankensektor leicht rückläufig war (minus 1,6 Prozent).
Beschäftigung stabilisiert sich
Die Anzahl an geleisteten Arbeitsstunden ist im August fast wieder auf dem Niveau des Vorjahres angekommen (minus 0,5 Prozent). Zum Vergleich: Während des Lockdowns im April brach die Anzahl an Arbeitsstunden um 27 Prozent ein. Auch im vierten Quartal erwartet sich das Statistikamt aufgrund einer höheren Infektionsanzahl und den einhergehenden Coronamaßnahmen einen Rückgang der Arbeitsstunden. Der Horeca-Sektor sei besonders stark davon betroffen, schreiben die Statistiker, wenden jedoch ein: Mit nur 4,5 Prozent macht die Gastronomie- und Hotelbranche einen Bruchteil der gesamten bezahlten Arbeitsstunden der Luxemburger Wirtschaft aus. Die bis Oktober verfügbaren Daten legen jedoch nahe, dass sich die Beschäftigung insgesamt stabilisiert. Die Statistiker haben ein anhaltendes Beschäftigungswachstum (1,6 Prozent) im Jahresvergleich festgestellt und beobachten eine Arbeitslosenquote, die sich bei 6,3 Prozent eingependelt hat.
Mit der Krise sind auch die Ölpreise eingebrochen. Im April kostete das Rohöl der Sorte Brent 20 US-Dollar pro Barrel, mittlerweile liegt der Preis wieder bei 45 Dollar pro Barrel. Die Statistiker der Luxemburger Behörde rechnen bis 2021 mit einem stetigen Anstieg, bis sich der Preis bei 50 US-Dollar stabilisiert. Nicht die Preisstabilisierung, sondern auch die Einführung einer CO2-Steuer wird für eine Verteuerung der Ölprodukte sorgen. Alleine aufgrund der Steuer rechnet Statec mit einer Teuerung von fünf bis sechs Cent pro Liter auf Benzin, Diesel, Heizöl oder Kubikmeter Gas.
Der erwartete Wiederanstieg der Inflation im nächsten Jahr soll sehr stark von den Erdölprodukten abhängig sein, prognostiziert das nationale Statistikamt. Die Inflation soll laut Behörde noch in diesem Jahr von 0,9 Prozent wieder auf 1,8 Prozent steigen und sich im kommenden Frühling der Zwei-Prozent-Marke nähern. Die Rate der Kerninflation soll hingegen von 1,6 Prozent im Jahr 2020 auf 1,4 Prozent sinken – demnach sei nicht mit einer weiteren Indextranche vor 2022 zu rechnen, meint Statec.
Kerninflation
Die Kerninflation ist ein Konzept zur Messung der Preissteigerung, das jedoch bestimmte Güter, wie z.B. Lebensmittel und Energiepreise, ausschließt, da diese stärkeren Schwankungen unterliegen.
Die CO2-Steuer hat das Statistikamt etwas genauer analysiert und errechnet, dass die Steuer 2021 eine zusätzliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen von sechs Prozent mit sich bringen wird. Aufgrund einer hohen Preissensibilität gehen die Statistiker davon aus, dass der Kraftstoffverkauf um acht Prozent und der Verbrauch von Gas und Heizöl um zwei Prozent zurückgehen wird. Das primäre Ziel – geringerer Verbrauch an Treibhausgasemissionen – wird erreicht, prognostiziert das Statistikamt. Ohne CO2-Steuer würde die Behörde mit einem Anstieg von elf Prozent an Treibhausgasemissionen rechnen. Mit der CO2-Steuer rechnen die Statistiker weiterhin nicht mit einem Rückgang der Emissionen, mit einem Anstieg von vier Prozent fällt dieser aber weniger drastisch aus.
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