/ Immer höher, immer schneller: Luxemburgs erster Astronaut gibt nicht auf
Jean Ries kann scheinbar nichts aus der Fassung bringen. Auch nicht, dass er nach jahrelangem Warten heute noch immer nicht weiß, wann er in den Weltraum kann.
Bei 30 Grad Sommerhitze steigt Jean Ries in den Overall – ein besserer Blaumann, der das Logo des Projekts und natürlich den Namen des Besitzers trägt. Mit dieser „Combinaison“ wird trainiert, sagt er. Geduldig lässt er sich vom Fotografen vor seiner „Cirrus“ in Position bringen. Zuvor hatte er den Viersitzer vorsichtig aus dem Hangar auf Findel herausgezogen.
Seit seinem 16. Lebensjahr fliege er, sagt Ries, der im Industriebereich tätig ist. Eine Leidenschaft, der er anfangs an Bord von Segelflugzeugen frönte und die ihn zu regelmäßigen Touren durch die Lüfte führte. Soeben kehrte er von einem mehrtägigen Flug nach Dubai über Ägypten und Libyen zurück. Jetzt, 43 Jahre nach den ersten Flugstunden, muss es mehr sein. Der Flieger und Fallschirmspringer will die vertraute Erdatmosphäre verlassen, und sei es nur für kurze Zeit. Ries gehört zu den Ersten, die sich für einen Weltraumflug an Bord der SpaceShipTwo meldeten. Den Vertrag schloss er bereits vor zwölf Jahren ab. Beworben hatten sich rund 70.000 Personen.
Den Auslöser für die Entscheidung hatte der erste, erfolgreich durchgeführte, privat finanzierte Weltraumflug 2004 gegeben. Die SpaceShipOne, ein von Konstrukteur Burt Rutan entwickeltes und von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen finanziertes Gleitflugzeug, schaffte es erstmals knapp über die Grenze zum Weltraum, nachdem es von einem Trägerflugzeug auf 14 Kilometer Höhe gebracht worden war. Das bemannte Raumschiff sollte im September/Oktober desselben Jahres innerhalb von zwei Wochen erneut den Sprung in den Weltraum schaffen. „Für uns Piloten war das eine Sensation“, sagt Ries.
In Schwerelosigkeit
SpaceShipTwo, das Raumschiff, in dem Ries mitfliegen will, ist eine Weiterentwicklung von SpaceShipOne. Getragen wird das Projekt von Virgin Galactic, einem vom Milliardär Richard Branson gegründeten Unternehmen für suborbitale Flüge. SpaceShipTwo sollte bereits 2015 Touristen in den Weltraum fliegen.
Wie soll man sich den Flug an Bord des Raumschiffs vorstellen? Locker. Das Einzige, was eventuell an den klassischen, sperrigen Astronautenanzug erinnern könnte, ist der Helm, den die Passagiere tragen müssen – maßgeschneidert und mit einer Kamera versehen. „Damit niemand während des Flugs mit seiner eigenen Kamera in der Hand hantieren und damit unter Umständen einen mitfliegenden Passagier verletzen kann“, sagt Ries lächelnd. Für kurze Zeit werden die Mitflieger ihren Sitz verlassen und in der Schwerelosigkeit schweben.
Rund zweieinhalb Stunden soll der Flug dauern. Das Trägerflugzeug trägt das Raumfahrzeug bis auf 14.000 Meter Höhe, wo letzteres ausgeklinkt wird. Das Triebwerk wird gezündet, das Fluggerät auf rund 4.000 Stundenkilometer beschleunigt. Die Rakete werde auf einen Winkel von 60 Grad positioniert, und dann gehe es nach oben, erklärt Ries. Das Ganze dauere knapp 15 Sekunden. Dann wird der Motor ausgeschaltet.
Nur wenige Minuten werden die Passagiere in der Schwerelosigkeit verbringen. Doch zuvor wird ihnen körperlich so einiges abverlangt. Deshalb muss sich auch jeder Amateurastronaut dem Test in der Humanzentrifuge stellen, wo er einer Beschleunigung von bis zu 6 G, also der sechsfachen Erdanziehungskraft, ausgesetzt wird. „Der Körper wird in den Sessel gedrückt“, schildert Ries seine Erfahrungen. Dabei müsse man noch einige Übungen machen, zum Beispiel mit dem Zeigefinger die Nase berühren. „Da gehört schon einiges an Konzentration zu, um die eine Hand mit der anderen so zu führen, damit der Finger nicht ins Auge sticht.“
Dem Test in der Zentrifuge muss er sich noch einmal stellen, sagt Ries. Den ersten hatte er schon vor Jahren bestanden, als er in die „Astronauten-Abteilung“ von Virgin Galactic aufgenommen worden war. Auf diesen Belastungstest kann man sich vorbereiten. Ries tut dies mit regelmäßigen Looping-Flügen. Das geschieht nicht an Bord seiner Cirrus, sondern in einer Kunstflugmaschine. Den Körper könne man auf die Effekte der Beschleunigung genauso trainieren wie etwa der Läufer seine Muskulatur mit regelmäßigen Läufen.
Weltraumtouristen
Für Ries ist der Flug ins All nicht bloß ein weiteres Abenteuer. Er sieht sich als Teil eines langfristigen Projekts. Was er und seine Mitflieger absolvieren werden, sei mit dem Stand der Luftfahrt in den 1920 und 1930er Jahren vergleichbar, erzählt er. Doch Ziel sei es, dank Weltraumflügen später Kontinente zu verbinden. Und das mit weit geringerem Energieaufwand. Ein Flugzeug benötige von Amerika nach Australien 1.000 Liter Sprit pro Stunde pro Motor, 100.000 Liter dorthin, mit dem Rückflug 200.000 Liter, sagt Ries. „Unsere Idee ist: Wir gehen ins All, schalten den Motor aus, fliegen entlang der Erdkruste und kehren dann in die Atmosphäre zurück.“
Der Motor brauche nur 15 Sekunden zu brennen, bis man im All ist. Treibstoff werde also lediglich dazu benötigt, das Fluggerät rund hundert Kilometer aus der Atmosphäre nach oben zu befördern. „Unsere Kinder werden in einer Stunde und 15 Minuten nach Amerika fliegen. Am Abend werden sie zurück bei ihren Familien sein.“ Von Europa nach Australien werde man zweieinhalb Stunden benötigen. Am Anfang werde derlei Flug natürlich etwas kosten, sagt Ries. Ein Hinflug bei den ersten Passagierflügen über den Atlantik Ende der 1940er Jahre kostete nach heutigen Preisen rund 49.000 Dollar. Heute fliege man für einige hundert Dollar.
Richard Bransons Idee sei es, Leute für 2.500 Dollar ins All zu schicken. Er werde zu den 70 Ersten gehören, die an Bord einer SpaceShipTwo steigen werden, sagt Ries. Eine Nummer habe er nicht. Das Los werde entscheiden. Dass er in die engere Auswahl kam, erklärt er mit seiner langjährigen Erfahrung als Pilot. Beim Aufruf nach Kandidaten habe man gezielt auch nach Piloten gesucht. Deshalb werde er wohl mit zu den Ersten gehören, die mitfliegen werden. Ein jeder „Passagier-Pilot“ werde wohl einen Nichtpiloten als Nachbarn haben. Diesen werde man zur Seite stehen, wenn sich, einmal der Zustand der Schwerelosigkeit vorüber, der Weltraumtourist wieder anschnallen muss.
Vor einigen Jahren bereits war er gerufen worden, um sich mit fünf anderen Personen zu letzten Vorbereitungen für den Weltraumflug zu treffen. Doch dann stürzte das Raumfahrzeug während eines Tests in der Mojave-Wüste ab. Die Katastrophe von 2014 schreckt Ries keinesfalls ab. Man höre doch nicht auf, Auto zu fahren oder mit dem Flugzeug zu fliegen, bloß weil es immer wieder zu Autounfällen kommt oder ein Flugzeug abstürzt, sagt er und fügt lächelnd hinzu: Das Gefährlichste am Fliegen sei die Anfahrt zum Flugplatz mit dem Auto. Am 13.12.2018 erreichte SpaceShipTwo erstmals den Weltraum. Wann er selbst einsteigen wird, weiß er nicht. „Seit zwölf Jahren kann ich kein Datum nennen“, sagt Ries.
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