Ukraine-Krieg / Immer mehr Frauen helfen beim Aufspüren von Sprengsätzen
Auf den ersten Blick wirkt das Feld mit dem roten Klatschmohn idyllisch. Doch den Acker in der Südukraine zu betreten ist lebensgefährlich, russische Truppen haben ihn vermint. Tetiana Tschpak wagt es dennoch: Mit ihrer Schutzmaske hockt sie zwischen den Blumen, um die Sprengfallen aufzuspüren. Die 51-Jährige ist eine von vielen Frauen, die der Krieg zu Minenräumerinnen gemacht hat.
„Ich hätte nicht gedacht, dass mein Weg mich hierherführen würde“, sagt Tschpak. Eigentlich ist sie Mathematiklehrerin. Doch als Russland ihr Land überfiel, habe sie das Bedürfnis gehabt, „sich nützlich zu machen“. Zuerst half sie beim Bau von Befestigungsanlagen. Nachdem ihr Vater bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen war, wurde sie Minenräumerin.
Noch vor wenigen Jahren galt der Beruf als zu gefährlich und war bis 2018 für Frauen in der Ukraine verboten. Doch nun engagieren sich immer mehr Frauen in der Minenräumung, 30 Prozent der Mitarbeitenden sind laut Regierung inzwischen weiblich.
Seit einem Jahr arbeitet Tschpak für die Organisation Halo Trust in Snihuriwka in der Region Mykolajiw. „Anfangs war meine Familie dagegen“, erzählt sie. Besonders ihre Tochter im Teenageralter habe sich Sorgen gemacht. Tschpak selbst hat keine Angst, die Arbeit sei sicher. Ihre Aufgabe ist es, die Minen aufzuspüren, das Sprengen übernehmen andere. Inzwischen ist auch die Tochter mit der neuen Arbeit der Mutter einverstanden. „Sie möchte sogar etwas Ähnliches machen, wenn sie groß ist“, sagt Tschpak. Sie sträubt sich, als Vorbild zu gelten, wünscht sich aber, dass „mehr Frauen diese Arbeit machen“.
Auch die Regierung hofft, noch mehr Frauen rekrutieren zu können. Denn die Aufgabe ist gewaltig. Fast ein Viertel des Territoriums könnte vermint sein. Seit Kriegsbeginn töteten die Minen den Behörden zufolge mehr als 270 Menschen.
„Die Frauen sind aufmerksamer und vorsichtiger“, hat Valeria Ponomarewa beobachtet. Die 23-Jährige war Friseurin, jetzt leitet sie ein Team von Minenräumern. Ponomarewa bereut den radikalen Berufswechsel nicht, obwohl „Mama schockiert war“. Neben der Mathematikerin und der Friseurin arbeiten bei Halo Trust unter anderem auch eine ehemalige Ballerina, eine Chemikerin, die früher Schaumwein herstellte, und eine Zahnärztin.
Ponomarewa kommt aus der Region Donezk, eine der am stärksten verminten Regionen des Landes. Dort begann der Krieg gegen prorussische Separatisten bereits 2014. Snihuriwka, wo sie jetzt arbeitet, war von der russischen Armee besetzt und vermint worden. Aber auch ukrainische Truppen legten Minen. Ihre Arbeit sei „notwendig für das Wohlergehen der Ukraine“, sagt Ponomarewa.
Minenräumung dauert Jahrzehnte
Aber die Bedingungen sind hart. An diesem Tag Anfang Juni ist es bereits 30 Grad heiß. Die Minenräumer sind bei jedem Wetter draußen und brauchen viel Geduld. „Manche arbeiten ein oder zwei Tage und merken dann, dass das nichts für sie ist“, sagt Oleksander Ponomarenko, der die Teams beaufsichtigt. Es sei schwer, neue Leute zu finden. Derzeit sind knapp die Hälfte der Minenräumer in seinen Teams Frauen und Ponomarenko möchte ihren Anteil noch erhöhen.
Einige der Frauen sind mit Soldaten verheiratet. „Sie würden auch gerne dienen, aber ihnen ist bewusst, dass diese Arbeit sicherer ist“, sagt Ponomarenko, während seine Mitarbeiter gerade ganz in der Nähe eine Panzerabwehrmine entdeckt haben.
Minenräumung ist eine Mammutaufgabe. Ein siebenköpfiges Team schafft pro Tag 80 bis 100 Quadratmeter. Bis die 35.000 Quadratmeter in Snihuriwka wieder sicher sind, werde es noch ein Jahr dauern, schätzt Ponomarenko. Die Minenräumung im ganzen Land wird Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Geht der Krieg weiter, kann es passieren, dass bereits geräumte Gebiete erneut vermint werden.
Das Feld von Bauer Mykola Murai im nahen Dorf Wassyliwka ist seit kurzem frei von Landminen. Murai ist erleichtert, denn jetzt kann er mit dem Acker wieder Geld verdienen. Anfangs sei er überrascht gewesen, als er die Minenräumerinnen sah, sagt er. „Jetzt denke ich sogar, dass sie besser arbeiten als Männer.“ (AFP)
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