Grenzgemeinde / Impffahrten, ein Sorgenkind und gutes Miteinander in Mertert-Wasserbillig
Hinter Jerôme Laurent (47), LSAP-Bürgermeister von Mertert-Wasserbillig, liegt ein anstrengendes Jahr. Die Kommune wächst unaufhörlich und zwischen Masken, Desinfektionsmittel, Quarantänen und ministeriellen Rundschreiben musste es mit den großen Bauprojekten weitergehen.
Knapp 13 Monate nach dem ersten Lockdown ist das Rathaus nicht mehr so gespenstisch ausgestorben wie zu Beginn der Krise. An jenem Morgen tagt eine Arbeitsgruppe im Konferenzsaal in Sicherheitsabstand und mit Maske, aber in Präsenz. Nach der langen Zeit des „Social distancing“ bedeutet dies ein kleines Stückchen Normalität.
Vorher sah das anders aus. „2020 haben wir teilweise 10-12 Stunden gearbeitet“, sagt Bürgermeister Jérôme Laurent. „Allein die ministeriellen Rundschreiben zu lesen und umzusetzen, hat uns fünf bis sechs Stunden täglich gekostet.“ Zu Beginn der Krise kommen sie im 24-Stunden-Takt, später im Wochentakt. Da ist das Rathaus geschlossen und – wenn überhaupt – nur die Hälfte der Mitarbeiter vor Ort.
Ganz von vorne anfangen muss die Gemeinde beim Gesundheitsschutz allerdings nicht. Schon vor der Krise gibt es einen Mitarbeiter im Rathaus, der sich um Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz kümmert. Er hilft dabei, das Arbeitspensum in einem rotierenden System teils von zu Hause aus, teils im Rathaus zu garantieren, Masken zu besorgen, Desinfektionsstationen zu installieren und, und, und …
Es wird viel für die Senioren getan
Einiges einfallen lässt sich die Gemeinde für die Risikopatientengruppe der Senioren. Neben Einkaufs- und Arzneimittelservice richtet sie eine Notrufnummer ein, damit alleinstehende ältere Einwohner jemanden zum Reden haben. Sie sitzen wochenlang isoliert allein zu Hause. Seit Anfang März ist ein Fahrdienst für über 65-Jährige zu den Impfzentren in Mondorf und auf dem Limpertsberg hinzugekommen.
Mehr als 50 Senioren hat der Fahrdienst, den Gemeindemitarbeiter dreimal wöchentlich erledigen, schon zur Impfung gebracht. Die Zahlen stammen vom März. Das Pflegeheim „Op Lamp”, mit 150 Mitarbeitern und rund 90 Patienten einer der größten Arbeitgeber in der Gemeinde, kommt gut durch die Krise. „Wir hatten fast keine Infektionen dort“, sagt Laurent.
Zur gleichen Zeit entwickelt sich das größte Projekt der Gemeinde, die neue Grundschule in Wasserbillig, zum Sorgenkind. Bei dem Neubau mit Küche für 500 Essensportionen, Sportsaal mit integriertem Raum für Kinder mit psychomotorischen Störungen, Klassenräumen für 300 Kinder, einer „Crèche“ für 85 Kinder sowie Media- und Bibliothek gibt es immer wieder Verzögerungen.
Sorgenkind Grundschule Wasserbillig
Der Architekt wechselt, weil der ursprüngliche sein Büro schließt. Beauftragte Unternehmen liefern nicht, wie sie sollen. Unschöne Schreiben verlassen das Rathaus. Das Projekt ist mit 25 Millionen Euro das bislang größte in der Geschichte der Kommune, der letztendlich für Sanktionen die Hände gebunden sind.
„Wir haben nach offiziellen Ausschreibungen die Aufträge vergeben“, sagt Laurent, der von seinem Büro aus die Baustelle sehen kann. „Da kommt man nicht so einfach raus.“ Er hat das Projekt initiiert, musste anfangs den Kopf für die Verschuldung der Gemeinde hinhalten. Klar war damals schon: Es ist ein Muss. Mertert-Wasserbillig wächst unaufhörlich und stark.
Aktuell sind insgesamt 450 Wohneinheiten quer durch die Gemeinde genehmigt und im Bau. „Die nächsten stecken schon in der Pipeline“, sagt der Gemeindechef. Mit zwei Bahnhöfen in Wasserbillig und Mertert, der guten Anbindung durch die Autobahn Richtung Luxemburg-Stadt und Trier sowie der Lage an der Mosel ist Mertert-Wasserbillig beliebt.
Wenn die Neubauten fertig sind, kommen auf einen Schlag mindestens 1.000 bis 1.200 Bürger zu den bestehenden aktuell knapp 4.700 Einwohnern hinzu. Deren Kinder brauchen „Crèche“- und Schulplätze. Das anbieten zu können, ist eine gewaltige Herausforderung und ein Punkt, der bei der aktuellen Diskussion um die Wohnungsnot oft übersehen wird. Die Gemeinden haben immer mehr Aufgaben und müssen das irgendwie bewältigen.
Befürchtungen für das Vereinsleben
Und manches klappt dann nicht. 10-12 Millionen Euro bekommt Mertert-Wasserbillig nach Rathausangaben bis 2023 weniger. Unter diesen Umständen kann die Gemeinde ihren Anteil am geplanten neuen Schwimmbad auf dem Campus „Salzwaasser“ in Born an der Sauer nicht finanzieren. Der Neubau ist ursprünglich ein Gemeinschaftsprojekt mit der Nachbargemeinde Rosport- Mompach. Der erzwungene Rückzug schmerzt.
„Da können Gemeinden oft nicht mehr mithalten“, sagt Laurent. Mertert-Wasserbillig hat trotzdem zugesagt, sich nach Inbetriebnahme an den laufenden Kosten beteiligen zu wollen – und zwar im Verhältnis der Einwohnerzahl. Die Mindereinnahmen sind nicht der alleinige Grund für die Absage, sondern eine Entwicklung, die beunruhigend ist. Die Kosten, um zu bauen, steigen – ohne ein Ende in Sicht. Beim Schwimmbad-Neubau hatten sich die Kosten zwischen Kalkulation und Ausschreibung um fünf Millionen Euro erhöht.
Wenn etwas nach den letzten 13 Monaten bleibt, ist es die Sorge des Rathauschefs davor, dass Vereine die verordnete Zeit des Nichtstuns nicht überleben. Ihr soziales Miteinander, für das sie gegründet wurden, fällt weg und die Einnahmen aus Festen, um die Vereinskasse aufzupäppeln. Die Vereinigung für Rentner, Senioren und einsame Menschen, Amiperas, hat bereits angekündigt, sich aufzulösen.
„Wir haben über 60 Vereine in der Gemeinde“, sagt der Rathauschef, der selbst früher aktives Mitglied im Fußball- und Angelverein war. Zwar hat die Kommune die finanziellen Unterstützungen verdoppelt – ob das reicht, weiß niemand. Das wiegt umso schwerer, weil es zu weiten Teilen ihr Verdienst ist, dass das Gemeindeoberhaupt heute sagen kann: „Wir hatten einen sehr guten Zusammenhalt in der Gemeinde, was mich natürlich freut“.
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