Drahtseilakt / In Dänemark die Schulen, in Österreich die Baumärkte: Wie einzelne EU-Staaten zurück in die Normalität wollen
Kleine Geschäfte und Baumärkte in Österreich und Tschechien, Kindergärten und Grundschulen in Dänemark. Einige wenige EU-Staaten wagen erste Schritte aus der Krise. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen spricht von einem Drahtseilakt. Bleibt man stehen, fällt man runter. Geht man zu schnell, ebenfalls. In Luxemburg soll es kommende Woche erste Aussichten auf den Exit geben.
Wie in Luxemburg mussten in Dänemark die Schüler ab dem 16. März daheimbleiben. Ab kommendem Mittwoch wagt das Land nun eine erste zaghafte Rückkehr zur Normalität. Dann sollen Kindergärten und Grundschulen bis zur fünften Klasse wieder öffnen. In Dänemark, wo es mehr als 5.000 nachgewiesene Infektionen mit Covid-19 gibt und mehr als 200 Menschen an der Lungenkrankheit verstorben sind, fand Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zu Beginn der Woche das passende Bild für den Ausstieg aus dem Corona-Lockdown. „Es wird ein bisschen wie bei einem Drahtseilakt sein“, sagte die Sozialdemokratin. „Wenn wir unterwegs stehen bleiben, fallen wir runter – und wenn wir zu schnell laufen, kann es auch schiefgehen.“
Erst einmal gelte es, einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen zu gehen. Alle weiteren einschränkenden Maßnahmen wurden dann auch gleichzeitig um vier weitere Wochen verlängert und gelten jetzt bis zum 11. Mai. Alles in allem stimmte Frederiksen die Dänen auf ein monatelanges Leben unter einzelnen Maßnahmen ein.
Schritt für Schritt will ebenfalls Österreich zurück in den Normalmodus. Doch auch in der Alpenrepublik, wo bislang rund 13.500 Infektionen nachgewiesen wurden und etwas mehr als 300 Menschen an Covid-19 verstorben sind, stimmt die Regierung aus Konservativen und Grünen ihre Bürger auf einen langwierigen Prozess ein. „Die uneingeschränkte Reisefreiheit, wie wir sie gekannt haben, wird es nicht geben, solange es keinen Impfstoff gibt“, sagte Kanzler Sebastian Kurz Anfang der Woche. Jedoch sollen in ganz Österreich ab kommendem Dienstag nach Ostern Baumärkte, Pfandleihen, Edelmetallhandel und sonstige Geschäfte mit maximal 400 Quadratmetern Geschäftsfläche ihre Türen wieder öffnen dürfen. Diese mussten, wie in Luxemburg, am vergangenen 16. März ihre Türen vorübergehend schließen.
Mit der Maske zum Pfandleiher
Ab Dienstag gilt nun außer den Abstandsregeln eine Maskenpflicht. Supermärkte sind in Österreich bereits seit dem vergangenen Montag, 6. April, angehalten, ihren Kunden Masken anzubieten beziehungsweise zu verkaufen. Ab Dienstag gilt diese Maskenpflicht nun auch für die öffentlichen Verkehrsmittel, Taxis oder Fahrdienstleister wie Uber. Wer keine Maske hat, darf Nase und Mund auch mit einem Schal bedecken. Im selben Zuge wurden die sonstigen Ausgangsbeschränkungen bis Ende April verlängert.
Einen ähnlichen Weg wie Österreich jetzt hat Tschechien bereits am Donnerstag eingeschlagen, indem kleinere Geschäfte wieder aufsperren durften. Dazu zählen Hobby- und Baumärkte, Fahrradreparaturwerkstätten oder auch der Eisenwarenhandel. Allerdings müssen am Eingang Desinfektionsmittel und Handschuhe bereitliegen. Auch einige zuvor untersagte Sportarten wie Joggen, Fahrradfahren oder Golfen sind wieder erlaubt.
„Wir haben das Schlimmste sicherlich hinter uns“, sagte Gesundheitsminister Adam Vojtech am vergangenen Mittwoch in Prag. „Wir können nun mit einer kontrollierten und schrittweisen Wiederaufnahme des normalen Lebens beginnen.“ Die unkontrollierte Verbreitung des neuartigen Coronavirus sei verhindert worden, Krankenhäuser und Intensivstationen seien weiterhin funktionstüchtig und hätten noch Kapazitäten. Der im Vergleich zu anderen europäischen Ländern früh ausgerufene Notstand wurde allerdings per Parlamentsbeschluss bis zum 30. April verlängert. In Tschechien wurden bislang mehr als 5.500 Ansteckungen nachgewiesen, knapp 140 Menschen sind an der neuen Lungenkrankheit verstorben.
Europa droht der nächste Flickenteppich
Wie bei der Verhängung der unterschiedlichen Maßnahmen ab Anfang, Mitte März droht zwischen den einzelnen EU-Staaten nun das nächste Rennen auszubrechen. Dieses Mal wird es um das Zurück gehen. Und damit droht ein erneutes Auseinanderfallen der Strategien der einzelnen EU-Staaten. Nur dass nach dem Flickenteppich bei den Verschärfungen jetzt ein neuer bei den Lockerungen der Regeln bevorsteht. Was aber auch nichts anderes zeigt als das wirkliche Problem einer gesamteuropäischen Exit-Strategie der Corona-Pandemie: Die Situation ist in vielen Orten in Europa völlig unterschiedlich.
So unterschiedlich, dass Experten Staaten dazu raten, ihre Lockerungen nach einzelnen Regionen zu gliedern. Die EU-Kommission will kommende Woche einen schrittweisen Weg vorschlagen, der auf unterschiedliche geografische Betroffenheit durch das Virus Rücksicht nehmen soll. In der Tat dürften europaweite Regelungen schwierig werden. Schließlich würde es schwer erklärbar sein, wieso in einem Gebiet ohne Fälle beispielsweise Schulen geschlossen blieben, weil es tausend oder mehr Kilometer entfernt noch Fälle gibt. In Luxemburg will Premierminister Xavier Bettel in der Woche nach Ostern einen stufenweisen Plan zur Lockerung der Einschränkungen vorstellen.
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