Kreativ gegen Corona / In den Hotel-Restaurants „Gulliver“ stehen die Tagesempfehlungen auf den Masken der Kellner
Die Familie Monte betreibt zwei Hotel-Restaurants, eines in Käerjeng und eines in Differdingen. Während der Betrieb in der Brauereistadt wieder angelaufen ist, steht er in Differdingen noch still.
Der Parkplatz ist gut gefüllt, als wir auf das Areal in Käerjeng auffahren. In der Hotelbar, wo wir uns mit den Betreibern treffen, herrscht Geschäftigkeit. „Wir fangen wieder an, normal zu arbeiten“, sagt Restaurantbetreiber Vincenzo Monte. Die Ankündigung der Regierung, nun Tische mit zehn Gästen zu erlauben, biete neue Möglichkeiten. Durch die Einschränkungen sei die Anzahl der Gäste, die im Restaurant essen dürfen, von 120 auf rund 90 gesunken.
Der Lockdown traf auch das Hotel-Restaurant Gulliver wie ein Donnerschlag, sagt Monte. Der Umsatz sei aber schon vor dem Lockdown, seit Anfang des Jahres, gesunken. Grund sei damals schon Covid-19 gewesen. Unter anderem Touristen aus Asien seien ausgeblieben. Der Rückgang hätte sich im Februar beschleunigt. Im März dann sei der Markt dann komplett eingebrochen, weil alle Events, die Gäste ins Hotel gebracht hätten, wie die Weltmeisterschaft im Bodybuilding in Oberkorn, die Tour du Luxembourg oder die Flèche du Sud, abgesagt oder verschoben wurden.
Zahl der Anfragen steigt wieder
Das Hotel in Käerjeng ist trotzdem offen geblieben. Da es sich um eine der einzigen Übernachtungsmöglichkeiten in der Region handelt, hat man nach wie vor Gäste empfangen. „In der ersten Woche nach dem Lockdown waren jedoch nur etwa zehn Zimmer besetzt. Danach kamen etwas mehr Gäste, vor allem weil die Regierung Grenzgänger, die im Gesundheitswesen tätig sind, in den Hotels unterbrachte“, erzählt Monte. Die Anzahl der Übernachtungsanfragen stieg dann weiter, als der Bausektor seine Aktivitäten wieder aufnahm.
Das Restaurant in Käerjeng seinerseits hat weiter funktioniert, nur dass keine Leute mehr im Esssaal empfangen wurden. Das Gulliver lieferte stattdessen Menüs aus – bis zu 100 am Tag. „Sechs Mitarbeiter brachten die Bestellungen zu den Kunden. Am Osterwochenende haben wir etwa 250 Festtagsmenüs ausgeliefert“, berichtet Vincenzo Monte. Der Take-away-Service wurde hingegen nicht so häufig genutzt.
Die Gesundheitskrise hatte vor allem personelle Folgen. Von den 48 Angestellten in Käerjeng arbeiteten nur die Hälfte. Ein halbes Dutzend der Mitarbeiter hatten den „Congé pour raisons familiales“ angefragt. „Der Wegfall der Konferenzen, Bankette und Feiern schmerzt“, sagt Vincenzo Monte.
Flüchtlinge in Differdingen
In Differdingen sieht die Lage anders aus. „Die Einnahmen blieben komplett aus. In Käerjeng sind wir Hauseigentümer. Hier aber mieten wir das Gebäude. Wir kontaktierten den Besitzer, um über die Zahlung der Miete während des Lockdowns zu sprechen, er antwortete uns aber nie. Nach zwei Monaten forderte er lediglich die säumigen Beträge ein“, bedauert Vincenzo Monte. Das Hotel wurde nach dem Lockdown komplett geschlossen. Die Betreiber des Gulliver hatten sich aber bereit erklärt, Mitglieder des Gesundheitspersonals im Hotel unterzubringen.
Schlussendlich wurden dann Flüchtlinge, die zu einer Risikogruppe gehörten, vom Staat dort einquartiert. „Etwa 100 Personen leben seitdem in den 45 Zimmern des Hotels“, erklärt Thomas Monte, der Sohn des Besitzers. Sie sollen noch bis Ende Juni dort bleiben. Die Familie hofft, den normalen Hotelbetrieb im Herbst wieder aufnehmen zu können. Alles hängt aber von der Entwicklung der Krise ab. Das Restaurant „Del Monte“ in Differdingen bleibt bis zur Wiederaufnahme der Aktivitäten ebenfalls geschlossen, um die „personnes vulnérables“ im angrenzenden Hotel zu schützen.
In Bascharage werden aber wieder Gäste beköstigt. Um ihnen ein unbeschwertes kulinarisches Erlebnis zu ermöglichen, hat die Betriebsführung Schutzmaßnahmen ergriffen und teilweise tief in die Trickkiste gegriffen. „Kreativität war und ist immer noch gefragt“, sagt Vincenzo Monte. Sauberes Essbesteck samt Stoffserviette sowie das selbstgebackene Brot werden in Zellophan eingewickelt. Die Menükarte kann via QR-Code auf dem Smartphone eingesehen werden. Es stehen auch Karten aus Papier zur Verfügung, die der Kunde dann mitnehmen kann. Außerdem besteht die Möglichkeit, sein Essen auf einer riesigen Tafel auszuwählen, welche die Ober an den Tisch rollen.
Die Weinkarte ist jetzt ein riesiger Weinschrank im Restaurant. Muss nachgewürzt werden, steht den Kellnern eine riesige Pfeffermühle zur Verfügung. Zwischen den Tischen wurden Plexiglaswände aufgestellt. Auch in den Sanitäranlagen funktioniert alles automatisch und die Gäste müssen nichts mehr anfassen. Im Eingangsbereich des Hotels und des Restaurants stehen Desinfektionsspender. Die Gäste müssen ihre Maske tragen, wenn sie im Restaurant zirkulieren. Auch das Personal trägt einen Mundschutz. Hier war man aber kreativ, denn darauf sind die „Empfehlungen des Chefs“ vermerkt. „Es ist neu für uns, ständig eine Gesichtsmaske zu tragen, aber man gewöhnt sich daran. Hauptsache, wir sind wieder offen und können arbeiten“, so ein Kellner.
Auf etwaige zweite Welle vorbereitet
Die Kunden würden so langsam wieder den Weg ins Restaurant finden, freut sich die Familie. Im Durchschnitt werden an Arbeitstagen mittags rund 50 Gäste gezählt. „Seitdem es wieder offen ist, komme ich regelmäßig hierher. Ich bin kein guter Koch und das Essen hier ist hervorragend“, sagt Michel aus Käerjeng. Auch die Bar ist wieder offen. Hier finden sich vor allem abends die Hotelgäste für einen Schlummertrunk ein oder um Sport im Fernseher anzuschauen. „Im Bistro kann ich die Spiele der internationalen Top-Ligen verfolgen, unter anderem von meinem Lieblingsverein Juventus Turin“, freut sich Marco. Apropos Hotel: Hier steigt die Auslastung an. Während der Woche seien im Durchschnitt ungefähr 50 der 75 Zimmer besetzt. Nur am Wochenende sei es noch ruhiger. Wenn der Tourismus aber wieder anzieht und alle Grenzen wieder offen sind, erwartet die Familie auch hier eine Verbesserung.
Gute Noten gibt es anschließend für die Regierung. Die Kurzarbeit und die finanziellen Hilfen hätten es ermöglicht, die Krise abzufedern. Dennoch mussten mehrere Personen in Differdingen entlassen werden, sagt Vincenzo Monte.
„Was, wenn eine zweite Coronavirus-Welle kommt?“, wollten wir wissen. Auch darauf ist die Familie vorbereitet. Man wisse ja jetzt, was zu tun sei. Insgesamt müsse man sein Handeln der neuen Gesundheitslage anpassen. Eines sei auf jeden Fall sicher: Die Leute würden jetzt besser auf ihre Gesundheit aufpassen und keine neue Krankheit, egal, ob sie in der Nähe oder am anderen Ende der Welt festgestellt wird, mehr unterschätzen, so der Hotelbesitzer abschließend.
Ein Familienbetrieb
Die Familie Monte hat 2002 das Hotel-Restaurant Gulliver in Käerjeng übernommen. Davor arbeitete Vater Vincenzo in mehreren Gastronomiebetrieben. 1983 fand er im Aérogolf Sheraton Hotel auf Findel eine Arbeit. Zwischen 1986 und 1989 arbeitete er für den bekannten deutschen Fernsehmoderator Frank Elstner, ehe er 1990 das Bistro „Journal“ in Luxemburg-Stadt übernahm. Von 1992 bis 1994 betrieb er das Café „Am Häffchen“ (jetzt „Oscar Wilde“) im Grund, danach bis 2002 das daneben gelegene Restaurant „Bonaparte“.
Das Hotel Gulliver hat 70 Zimmer. Davon befinden sich 51 (drei Sterne) im Haupthaus und 19 (vier Sterne) im 2008 gebauten Nebengebäude, wo auch ein Konferenzzentrum für etwa 100 Personen untergebracht ist. Kulinarisch verwöhnen kann man sich im 130 Plätze zählenden Restaurant des Hotels. 48 Personen arbeiten in Käerjeng. 2018 wurden die 51 Zimmer dort komplett renoviert. Das Restaurant wurde erst im Januar dieses Jahres runderneuert.
Im Januar 2019 wurde dann das Hotel Gulliver Tower (vier Sterne) in Differdingen eröffnet. Der zentral gelegene Gasthof zählt 45 Zimmer. Essen kann man im angeschlossenen Restaurant „Del Monte“. Insgesamt kümmern sich dort 20 Personen um das Wohlergehen der Gäste.
Betrieben werden beide Hotel-Restaurants von Vincenzo Monte (60), seiner Frau Julia und den beiden Söhnen Thomas (31) und Adriano (28).
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