Wirtschaft / In Deutschland entbrennt eine neue Debatte über Elektromobilität
Politiker im Bund und in den Ländern sind entsetzt über mögliche Werksschließungen und Entlassungen beim Autokonzern VW, Deutschlands größtem Industrie-Arbeitgeber. Um Sinn und Zukunft der Elektromobilität ist neuer Streit in der Ampel entbrannt.
Mögliche Werksschließungen und der Abbau Tausender Jobs bei Deutschlands größtem industriellen Arbeitgeber, dem Autokonzern VW, haben in der Politik Alarmsignale ausgelöst. CDU-Chef Friedrich Merz sieht in den verschärften Sparplänen von Volkswagen einen wirtschaftspolitischen Weckruf für die Bundesregierung. „Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug“, sagte Merz bei einer CDU-Veranstaltung in Osnabrück. Es könne sein, dass VW mit einer einseitigen Festlegung auf die Elektromobilität einen Fehler gemacht habe. Ähnlich äußerte sich die FDP. Die SPD und die Grünen halten dagegen die klare Ausrichtung des VW-Konzerns auf E-Mobilität weiterhin für richtig. Rufe nach staatlichen Hilfen für VW blieben vorerst aus – bislang noch. Ökonomen warnten aber bereits vor Ideen in diese Richtung.
Das VW-Management hatte am Montag mitgeteilt, deutlich mehr Kosten einsparen zu müssen. Es stelle erstmals in seiner Geschichte Werke in Deutschland auf den Prüfstand. Ohne schnelles Gegensteuern könne nicht ausgeschlossen werden, dass Autowerke und Komponenten-Fabriken geschlossen würden. Zudem solle die seit 1994 geltende und bis 2029 laufende Beschäftigungssicherung einseitig gekündigt werden. Die IG Metall und der Betriebsrat reagierten mit scharfer Kritik. Betriebsratschefin Daniela Cavallo warf dem Vorstand Versagen vor und kündigte massiven Widerstand gegen die Pläne an. „Für uns kommen Standortschließungen nicht infrage“, sagte Cavallo.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appellierte an die Konzernführung, Entscheidungen „in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern“ zu fällen. Die deutschen Autobauer müssten im weltweiten enormen Wettbewerb um die E-Mobilität mithalten. Dazu bräuchten sie Planungssicherheit. „Die EU-Vorgabe, wonach ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen, schafft diese Sicherheit. Wer wie Friedrich Merz und Markus Söder die Rücknahme propagiert, verspielt Verlässlichkeit und zeigt, dass er wenig von Zukunftsfähigkeit versteht. Ein Schlingerkurs ist Gift und führt schon jetzt zu massiver Verunsicherung bei Investitionen in die Wertschöpfungskette. Wer sich freut, ist dann nur China, das seine technologische Entwicklung weiter ausbaut“, sagte Habeck.
Wie die CDU stellte aber auch die FDP die starke Ausrichtung des VW-Konzerns auf Elektromobilität infrage. „Im Rückblick war die Entscheidung von VW, sich in Europa völlig auf die Elektromobilität zu konzentrieren, ein Fehler“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, unserer Redaktion. „Die Annahme, dass sich die Elektromobilität innerhalb weniger Jahre durchsetzen würde, hat sich nicht bewahrheitet“, sagte der FDP-Politiker. „Um Volkswagen auch in Zukunft erfolgreich zu machen, braucht es nicht mehr Einflussnahme der Politik, sondern weniger. Das Management von VW muss jetzt dafür sorgen, dass sich der Konzern am Markt behaupten kann. Dies kann auch schmerzhafte Einschnitte bedeuten.“
E-Mobilität mit Kaufanreizen unterstützen
Die Grünen hielten dagegen. „Dem E-Auto gehört die Zukunft, der Absatz steigt international. Debatten in Deutschland darüber, die Ziele zum Hochlauf der Elektromobilität infrage zu stellen, schaden dem Standort Deutschland und gefährden Arbeitsplätze“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. „Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass die Maßnahmen, die in der Koalition zur Unterstützung der Elektromobilität verabredet sind, nun schnell kommen. Dazu gehört unter anderem die Ladesäulen-Verpflichtung an Tankstellen, die die Anreize zum Kauf eines E-Autos steigern.“
Auch die SPD setzt weiter auf E-Mobilität. „Die Automobilindustrie ist aus mehreren Gründen massiv verunsichert. Die ständige politische Debatte über ein Abrücken vom EU-Verbrenner-Aus hat den bereits vorgezeichneten Weg unklar gemacht, genauso wie das Schwächeln im Hochlauf der E-Mobilität“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) unserer Redaktion. „Derzeit gibt es große Sorgen bei den Betrieben und eine enorme Investitionszurückhaltung“, sagte die Regierungschefin des Saarlandes, wo mit Ford ebenfalls ein großer Automobilhersteller angesiedelt ist. „Es reicht nicht aus, günstige chinesische E-Autos mit Strafzöllen zu belegen, Deutschland wird selbst den Hochlauf der E-Mobilität unterstützen müssen, auch durch Kaufanreize“, sagte Rehlinger. „Die Arbeitsplatzverluste, die in der deutschen Automobilindustrie und bei Zulieferern drohen, wenn die E-Mobilität weiter nur in Asien boomt, sind erheblich dramatischer als die Finanzmittel, die für Kaufanreize gebraucht werden“, sagte die SPD-Politikerin.
Ökonomen warnten den Bund und das Land Niedersachsen vor staatlichen Hilfen für VW. „Der Staat sollte sich da raushalten“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. „Der Staat hat durchaus eine Rolle, wenn es darum geht, den Strukturwandel zu begleiten. Da geht es um Umschulung und Weiterbildung und um die Entwicklung von Standorten, an denen die Produktion etablierter Unternehmen zurückgefahren wird“, sagte das Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung. „Direkt die Automobilindustrie zu retten, halte ich aber nicht für den richtigen Weg“, erklärte sie. „Es kann durchaus zu Werkschließungen kommen. Die Automobilindustrie ist in einem Strukturwandel.“
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