Luxemburg / In guter Gesellschaft: „Beienhaus“ setzt sich für gemeinschaftliches Wohnen von Älteren ein
Wenn Menschen älter werden, leben sie oft alleine oder ziehen in eine Pflegeeinrichtung. Das geht auch anders – finden die Verantwortlichen des Vereins „Beienhaus“. Seit mehr als vier Jahren setzt sich dieser für das Schaffen von Wohngemeinschaften für ältere Personen ein und entwickelt die Idee bei monatlichen Treffen weiter.
„Wir wollen alt werden – aber das nicht alleine. Durch ständige Isolation kann man schnell krank werden. Um das zu vermeiden, wollen wir zusammen wohnen. So bleibt man aktiv“, erklärt Astrid Lauterbach bei einem Gespräch in einem Café in Luxemburg-Stadt. Jeden ersten Donnerstag im Monat lädt die gemeinnützige Vereinigung „Beienhaus“ dort zum „Café rencontre“ in Weimerskirch ein, um über partizipatives Wohnen bei älteren Menschen zu diskutieren. Die Idee: Personen ab 50 Jahren finden sich zusammen und gründen eine Art Wohngemeinschaft.
Mit allerdings einem Unterschied zu den klassischen WGs, wie man sie vor allem bei Studierenden kennt. „Die Leute entscheiden sich zwar auch hier für eine Gruppe von Menschen, mit der sie gemeinsam leben wollen. Allerdings haben dabei alle eine eigene Wohnung. Die Gemeinschaftsräume werden gemeinsam genutzt, die Mietkosten dafür untereinander aufgeteilt“, erklärt Marthy-Anne Becker, Mitglied des Verwaltungsrats der „Beienhaus asbl.“. So in etwa könnte die konkrete Umsetzung der Idee aussehen, aber auch andere Konzepte sind denkbar. Letztlich hängt alles von den Menschen ab, die sich am Ende zusammenfinden.
Denkanstöße geben
Und eben dafür ist „Beienhaus“, dessen Mitglieder den Verein als Denkfabrik beschreiben, da: um über die Idee des partizipativen Wohnens zu diskutieren, die konkrete Umsetzung davon in Luxemburg voranzutreiben und Seniorinnen und Senioren zusammenzubringen, die sich diese Wohnform für ihren Alltag vorstellen könnten. Das mit dem Zusammenbringen scheint offensichtlich zu klappen: Denn trotz Sommerferien sitzen an diesem Wochentag im August etwa zwölf Vereinsmitglieder und Interessierte zusammen, um sich über das Konzept auszutauschen. Manche zum ersten Mal, andere waren schon öfters da. Fast alle wohnen alleine – und wollen das zum Großteil in Zukunft nicht mehr.
Denn wie die Gespräche in geselliger Runde bei Kaffee, Wasser oder auch einem Cocktail zeigen, ist Isolation ein Thema. „Vor allem im Alter von etwa 60 bis 80 Jahren sind viele alleine. Auf einer großen Anzahl von Quadratmetern leben die Menschen für sich, sind beruflich nicht mehr aktiv und erfüllen – wenn überhaupt – nur noch die Rolle der Mutter oder Oma“, stellt die 68 Jahre alte Marthy-Anne Becker fest. Sie selbst will für ihre Zukunft aber noch Pläne haben. Der Kontakt zu jüngeren Menschen aus der Umgebung fällt oft schwer, da sie tagsüber ihren Berufen nachgehen und nicht zu Hause sind.
„Auf Dauer kann das deprimierend sein, wenn die Menschen dann nur noch daheim sind und sich fragen, wann alles vorbei ist“, schildert Co-Vizepräsidentin Gaby Monville. Die 61-Jährige erklärt, dass das Zusammensein auch Optimismus vermitteln kann. Und: „Wenn man zum Beispiel Arthrose in den Fingern hat, kann man einfach schnell jemanden aus der Nachbarschaft bitten, einem die Flasche zu öffnen“, nennt Marthy-Anne Becker als konkretes Beispiel. Im Vergleich zum Leben in einer Pflegeeinrichtung bietet die partizipative Wohnform mehr Autonomie, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. „Wir wollen nicht versorgt werden, sondern unser Leben selbst gestalten“, sagt eine Teilnehmerin beim „Café rencontre“.
Jahrelanger Prozess
Laut den Vorstandsmitgliedern, die sich schon vergleichbare Projekte im Ausland angesehen haben, kann es von der Ursprungsidee bis zur Umsetzung aber lange dauern. „In Lyon zum Beispiel gab es 2009 erste Überlegungen dazu. Der Einzug fand dann 2017 statt“, erzählt Marthy-Anne Becker. In Luxemburg kam die Idee 2017 auf, im Jahr 2019 wurde dann „Beienhaus“ gegründet. Denn, so stellt die 69 Jahre alte Präsidentin Astrid Lauterbach fest: „Als Vereinigung hat man mehr Möglichkeiten und findet eher Gehör.“ Als Privatperson stieß sie bei Gemeinden anfangs oft auf Schwierigkeiten, wenn sie von der Idee erzählen wollte.
Einen Ort zum partizipativen Wohnen in Luxemburg gibt es in der von „Beienhaus“ angedachten Form aktuell so nicht. Noch nicht. Denn durch die Zusammenarbeit mit einer Gemeinde – die erst noch gefunden werden muss – soll sich das ändern. Erste Gespräche mit der Stadt Luxemburg seien positiv gewesen. Ein weiteres Treffen ist im Herbst geplant. Und: „Vor den Gemeindewahlen haben wir mit vielen Parteien längere Diskussionen geführt. Wir waren positiv überrascht, dass sie verstanden, worum es uns geht, und einige Punkte in ihre Wahlprogramme aufgenommen haben“, erzählt Astrid Lauterbach.
Die engagierten Frauen und auch Männer wollen dieses Herzensprojekt in Luxemburg weiter vorantreiben. Wer sie dabei unterstützen, mehr über die Idee erfahren oder einen Abend in netter Gesellschaft verbringen will, findet die Gruppe jeden ersten Donnerstag im Monat im Literaturcafé „Le Bovary“ im Gebäude 1 in der hauptstädtischen rue de Laroche. Das immer ab 17 Uhr. Mehr Informationen gibt es über den Newsletter – für den man sich auf der Webseite beienhaus.lu anmelden kann – und in den sozialen Medien bei Facebook sowie Instagram unter dem Stichwort „Beienhaus“.
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