Parlamentswahl / In Polen steht die Zukunft der Demokratie auf dem Spiel
Wenn ein Fußballverein im Abstiegskampf steckt, ist jedes Spiel ein Endspiel. So ähnlich ist es auch in der Demokratie. Die Ergebnisse bei den meisten Urnengängen in Europa – zuletzt in Luxemburg der Wahlerfolg der ADR bei den Nationalwahlen, aber auch bei den deutschen Nachbarn das starke Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen – haben uns gezeigt, dass man aufgrund des Vormarsches von rechtspopulistischen Parteien von einer Krise der Demokratie sprechen kann. Oder, um im fußballerischen Jargon zu bleiben, von einer Abwehrschlacht.
Wo rechte Demagogen bereits an die Macht wollen oder bereits an der Macht sind, wie in Polen und Ungarn, ebenso in Italien, diffamieren sie die liberale, linke oder grüne Opposition häufig als Staatsfeinde und zetteln Angstkampagnen an. So auch in Polen, wo am Sonntag, 15. Oktober, Parlamentswahlen stattfinden. Im nach der Bevölkerungszahl fünftgrößten Land der Europäischen Union regiert seit 2015 die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Der Parteiname ist blanker Hohn. Denn mit der Justizreform von 2018 wurde massiv in die Unabhängigkeit der Richter und Gerichte eingegriffen. Polen verstößt damit gegen EU-Recht, weil die Gewaltenteilung nicht mehr gewährleistet ist. Brüssel hält daher Fördergelder zurück und sanktioniert Verstöße. Die Sanktionen und die hohe Inflation haben den Machthabern in Warschau bereits zugesetzt. Für die PiS von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki steht am Sonntag somit viel auf dem Spiel. Auch ihr Parteichef Jaroslaw Kaczynski betont immer wieder die Bedeutung der Wahl. Und Oppositionsführer Donald Tusk hat eine juristische Abrechnung angekündigt, falls er gewinnen sollte. Denn die PiS steht im Verdacht, staatliche Gelder für den Wahlkampf zweckentfremdet zu haben.
Gegen die autoritären Machthaber muss die Opposition geeint auftreten. Jüngste Umfragen zeigen, dass die sogenannte Bürgerkoalition eine Mehrheit bilden könnte: Sie besteht aus der liberalkonservativen „Bürgerplattform“ (PO) des Ex-Premierministers Tusk, den liberalen „Modernen“ und den „Zieloni“, den Grünen. Um den Einzug in den Sejm, das Parlament, buhlen auch ein linkes Bündnis sowie der proeuropäisch-zentristische „Dritte Weg“. Die PiS will verhindern, dass alle drei genannten Oppositionsblöcke dies schaffen, und zeigt in Wahlwerbespots Bilder von brennenden Autos, Gewalt und Flüchtlingen. All dies drohe, wenn Tusk die Wahl gewinne. Noch weiter rechts als die PiS steht die monarchistische, nationalistische, homophobe und antisemitische Konfederacja.
Die Wahlen wurden bereits zum Showdown zwischen Tusk und PiS-Chef Kaczynski gepusht. Ersterer wirkt im Vergleich zu seinem Widersacher dynamisch und ist auch um keine Polemik verlegen. Doch im Alleingang kann er nicht siegen. Ein Stürmer, wie ihn Polens Fußball mit Robert Lewandowski hat, ist er nicht, eher ein „Donald Merkel“, wie ihn die Zeitung Polityka bezeichnete. Und gegen das rechte Bollwerk hilft nur eine geschlossene Mannschaftsleistung. Wie auch im Fußball ein Lewandowski ohne starke Mitspieler auf verlorenem Posten stehen würde. In der Politik hingegen geht es beim Urnengang am Sonntag um nichts Geringeres als um die Zukunft der Demokratie – im schlechtesten Fall wäre es ein weiterer Schritt hin zu ihrem Untergang.
- Teufelspakt: EVP einig mit Rechtsextremen - 19. November 2024.
- Der schlafende Riese – Zwischen Aufbruch und neuen Abhängigkeiten - 18. November 2024.
- Unter Strom: Höchstspannungsleitung an deutsch-luxemburgischer Grenze nimmt Konturen an - 12. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos