Causa Gloden/Tonnar / Innenminister reißt Bresche in die Mauer: Tom Weidig (ADR) bedroht Karikaturisten Carlo Schneider
Eine Karikatur in der Revue von Carlo Schneider über Léon Gloden und Serge Tonnar schlägt Wellen auf Facebook. Der ADR-Abgeordnete Tom Weidig droht dem Karikaturisten mit einem „Hausbesuch“. Der Karikaturist nimmt im Tageblatt Stellung – und spart nicht mit Kritik.
„Du verharmlost politisch motivierte Einschüchterung … Sag mir mal, wo du wohnst, dann kann man auch mal bei dir vorbeikommen, dann siehst du mal, wie witzig es ist, bedroht zu werden.“ Mit diesen Worten drohte der Abgeordnete Tom Weidig (ADR) am Dienstagabend dem Karikaturisten Carlo Schneider in einem Kommentar auf Facebook. Schneider ist ein bekannter luxemburgischer Künstler, dessen Zeichnungen seit vielen Jahren auch im Tageblatt veröffentlicht werden. Der Anlass für die Androhung eines „Hausbesuchs“ war eine Zeichnung, die Schneider auf seiner Seite veröffentlichte. Diese zeigt Léon Gloden (CSV) als Polizisten, der dem „Bettler“ Serge Tonnar eine Gitarre über den Kopf haut.
Die Karikatur ist eine Reaktion auf das jüngste Interview von Innenminister Gloden im L’essentiel am 5. Januar. Dort sprach dieser öffentlich über die Ermittlungsfortschritte im Fall seiner beschmierten Hauswand. In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember wurde das Haus von Gloden in Grevenmacher mit Graffiti beschmiert und die Autoreifen seines Sohnes zerstochen. „Nee zum Heescheverbued“ steht in roten Großbuchstaben an der Außenwand. Dem Künstler und Linken-Politiker Serge Tonnar schob Gloden indirekt eine Mitschuld für die Tat in die Schuhe und beschwerte sich über die Schärfe der öffentlichen Debatte. Tonnar hatte als Reaktion auf das geplante Bettelverbot, das Gloden Mitte Dezember durchgewunken hatte, ein KI-Bild des Ministers als Bettler auf Facebook geteilt und ein Gedicht geschrieben, in dem es heißt: „Hallo Léon Gloden / Stell dir vor, du bist am Boden / Stell dir vor, du hast nichts mehr / Und dann kommt so ein Léon her / Und sagt, du bist nichts mehr / Du hast hier nichts verloren.“
Carlo Schneider im Gespräch
Am Mittwochmorgen erfolgte dann die Antwort von Carlo Schneider auf die Drohung. Der Karikaturist will sich nicht einschüchtern lassen: „Herr Weidig, vor Ihnen wurde ich schon ein paar Mal bedroht, damals von islamistischen Fanatikern zur Zeit der Mohammed-Karikaturen. Das hat mich aber nie davon abgehalten, weiterhin meine Karikaturen zu veröffentlichen.“ Im Gespräch mit dem Tageblatt äußert der Künstler Unverständnis bezüglich des Kommentars von Tom Weidig: „Ich finde, dass er komplett überreagiert. Vor allem als Abgeordneter müsste man gefasster sein und mit mehr Abstand auf die Sache blicken.“ Schneider fasst die Aussage Weidigs währenddessen nicht als direkte Bedrohung auf, sondern als Versuch, Menschen zu beeinflussen. „Ich kann mir vorstellen, dass manche sich von Tom Weidig angesprochen fühlen. Es gibt immer Menschen, die sich mit Eifer einer Sache verschreiben“, mutmaßt er.
Léon Gloden ist neu im Amt und muss lernen, dass man als öffentliche Person Witze über sich selbst aushalten mussKarikaturist
Angesprochen auf den Auslöser des Ganzen, sagt der Karikaturist: „Léon Gloden hat überreagiert. Es geht ja um Satire.“ Gloden stellte im besagten Interview die Frage, ob Posts wie der von Serge Tonnar Mitverantwortung für den Vandalismus an seinem Haus tragen: „All diese Leute müssen sich fragen, ob sie nicht die Urheber dieser inakzeptablen Aktion gegen meine Familie sind.“ Früher seien ganz andere Themen im Kabarett behandelt worden, erklärt Schneider. Und das sei kein Problem gewesen. Dem Innenminister erteilt er einen Ratschlag: „Léon Gloden ist neu im Amt und muss lernen, dass man als öffentliche Person Witze über sich selbst aushalten muss.“ Letztendlich sehe er das Verhalten des Innenministers als den Versuch, etwas zu verbieten, sagt der Karikaturist.
Verrohung der Debattenkultur
Schnell kommt Carlo Schneider auch auf die aktuelle Debattenkultur auf Facebook zu sprechen: „Im Prinzip reagiere ich nicht auf das, was dort gepostet wird. Aber wenn ich mir die Kommentare mal anschaue, sehe ich die Aggressivität, die dort vorherrscht.“ Er habe sich sogar schon überlegt, gar nichts mehr auf der Plattform zu veröffentlichen. Niemand wahre mehr den nötigen Abstand oder probiere, die Zeichnungen zu verstehen – was in den Zeitungen zudem kein Problem sei: „In den Zeitungen werden meine Karikaturen positiv aufgenommen. Auf Facebook hingegen löst jedes Bild einen Shitstorm aus.“
Der ADR-Abgeordnete konnte die Antwort von Schneider auf der Social-Media-Plattform nicht lange unbeantwortet lassen. In einem weiteren Kommentar rudert er etwas zurück: „Ich bin natürlich dafür, dass du zu allen politischen Themen Karikaturen machen kannst, aber ich habe auch das Recht zu sagen, dass diese Karikatur politisch motivierte Gewalt verharmlost und ich sie unangebracht finde.“ Eine Entschuldigung oder gar einen Rückzieher äußert er allerdings nicht.
Dabei dürfte der Politiker ganz genau darüber Bescheid wissen, was er mit solchen Kommentaren auslösen kann. Mitte letzten Jahres hatte Tom Weidig sein Facebook-Publikum aufgerufen, auf der Seite der Escher Bibliothek wegen der Lesungen von Travestiekünstler „Tatta Tom“ Kommentare abzugeben. Zwar mahnte er an, nicht persönlich zu werden. Doch es ist fraglich, wie ernst er das damals meinte. Die Kommentarspalte schäumte auf jeden Fall vor groben Beleidigungen und Unterstellungen (das Tageblatt berichtete).
Die gleiche Frage muss in diesem Fall gestellt werden. Der ADR-Abgeordnete dürfte auch hier eine Agenda verfolgen. Es ist zu bezweifeln, dass er persönlich vor das Haus des Karikaturisten ziehen würde. Aber ihm ist unbestreitbar bewusst, was seine Aussagen bewirken können. Und auch Innenminister Léon Gloden muss sich die Frage stellen, welche Rolle er spielt. Durch die Anschuldigung Serge Tonnars hat er eine Bresche in die Mauer gerissen, durch welche Weidig bereitwillig gestürmt ist.
Kritik aus der Politik
Kulturminister Eric Thill (DP) distanzierte sich am Freitag in einer schriftlichen Aussage deutlich vom Vandalismusvorfall. Doch Fakt sei ebenfalls, dass Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist – ein Recht, was es dauernd zu verteidigen gelte. Eine Aufgabe der Kultur sei es, sich kritisch mit der Gesellschaft und gesellschaftspolitischen Themen auseinanderzusetzen, heißt es weiter im Schreiben. Und: Nicht alles müsse einem gefallen, es läge aber nie an der Politik, zu bewerten, was Kunst und Kultur sei und was nicht. Als Kulturminister wolle sich Thill immer dafür einsetzen, die Meinungsfreiheit hochzuhalten. Am Mittwoch äußerte sich der DP-Politiker auf X (ehemals Twitter) zu Weidigs Drohung und spricht von „einer roten Linie, die nicht überschritten werden darf“. Künstlern zu drohen oder einzuschüchtern würde nicht nur gegen die Werte unserer Gesellschaft verstoßen, sondern auch gegen das demokratische Recht der Meinungsfreiheit.
Auch Glodens Vorgängerin Sam Tanson („déi gréng“) verurteilt in einem Interview mit RTL den Vandalismus an Glodens Eigenheim als „absolut inakzeptabel“. Doch die Kritik des Ministers sei auch bedenklich. Gerade Künstler hätten besondere Ausdrucksfreiheiten, erklärte die Abgeordnete. Weder das Gedicht noch das Bild seien in ihren Augen grenzwertig. In Folge des Interviews des Innenministers am Freitag meldete sich am gleichen Tag Sven Clement (Piraten) auf X zu Wort. Er kritisierte Glodens Reaktion: „Auf schäbige Reaktionen reagiert man nicht mit schäbigen Aussagen!“ Der Politiker bezeichnete die Aussage des CSV-Innenministers als „Hexenjagd, die eines Polizeiministers nicht würdig ist“. Fabricio Costa, Co-Sprecher der jungen Grünen, kritisierte ebenfalls auf X das Verhalten von Léon Gloden. Gerade als Jurist müsse dieser es eigentlich besser wissen, als eine laufende Untersuchung mit öffentlichen Anschuldigungen zu füttern – von der mangelnden Kritikfähigkeit ganz abgesehen, schreibt Costa. „Ist das noch ministerielles Verhalten?“, fragt er.
Die Kritik an Gloden ist durchaus gerechtfertigt – vor allem, wenn man sich die Kommentare Tom Weidigs vor Augen führt. Minister erfüllen eine Vorbildfunktion in unserer Gesellschaft, derer sie sich bewusst sein müssen. Eine unüberlegte Äußerung kann zu weittragenden Konsequenzen führen, wie am Beispiel der Drohung des ADR-Abgeordneten Weidig am Karikaturisten Schneider unschön zu erkennen ist.
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ADR-Gedankengut wie man es kennt.
Elo gleich get festgeluecht wat „entartete Kunst“ as. Dei Bezeechnung gouf et dach schon virun langer Zeit.
Et war dach bis elo ower net gewosst dass deen ADR Här Weidig esou kannereg wär.
Und es sinkt immer weiter das Niveau all jener, die eigentlich gar nicht betroffen sind….
Liest dat Buch „Die Welt von Gestern-Erinnerungen eines Europaers“ vum Stefan Zweig. Dann mierkt een wou mir hingin. Schwei’er Zeiten.
Viel aufregung um nicht viel von so ziemlich allen seiten in dieser komoedie…nur die bettler um die es anfang ging geraten so langsam in vergessenheit.
…eng ADR-Aarmseïligkeet!
Waat ech nët verstinn, den Weidig huet brilliant Studien gemach, an een Doktorat an der Physik, an trët awer ob wéi dee leschten Proll. Wéi as esou ëppes méiglech.
@ Jupp
Ausbildung a Bildung sinn 2 Puer Schung…denkt emol driwwer no…ech hunn eng ganz Partie Leit a mengem Bekanntekreess, dichteg Studie gemeet, och deels promovéiert…richte dichteg Leit…wéi se genannt ginn…
Awer domm wat verschidden Approche vum Liewen an hir Bildung ugeet…Allgemengbildung net immens…wierklech net…vun der humanistescher Intelligenz net ze schwätzen…
Causa Salman Rushdie oder Charly Hebdo à la luxembourgeoise.
Ass nët fir ………..