Kriegsschäden in der Ukraine / Internationale Wiederaufbaukonferenz in Berlin
Bei einer Reihe internationaler Treffen steht die Ukraine in dieser Woche im Mittelpunkt. In Berlin geht es bei einer Konferenz um den Wiederaufbau des Landes. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz ist mit dabei und auch der ukrainische Präsident.
Wer die Hallen der Wiederaufbau-Konferenz für die Ukraine betritt, kommt an einer Leinwand vorbei, auf der ein pumpendes Konstrukt aus Metallteilen, Kabeln, Röhren und Schläuchen zu sehen ist. „Das eiserne Herz der ukrainischen Wirtschaft schlägt weiter“, lautet die Erklärung dazu auf einer Plakette. Um sicherzustellen, dass das trotz des andauernden russischen Aggressionskrieges auch so bleibt, kommen am Dienstag auf dem Messegelände in Berlin rund 2.000 Repräsentanten aus etwa 60 Ländern zusammen – unter ihnen der deutsche Kanzler Olaf Scholz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
„Wir bauen die Ukraine wieder auf – stärker, freier, wohlhabender als zuvor“, verspricht Scholz zur Eröffnung der zweitägigen Konferenz. Es ist der Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen zur Unterstützung der Ukraine: Am Donnerstag und Freitag treffen sich in Italien die Staats- und Regierungschefs der großen westlichen Industriestaaten zum G7-Gipfel, bei dem unter anderem geklärt wird, wie man aus den Zinserträgen der eingefrorenen russischen Vermögenswerte kurzfristige Hilfe für die Ukraine erhalten kann. Und am Wochenende ist in der Schweiz ein Friedensgipfel geplant, an dem Vertreter aus mindestens 90 Staaten teilnehmen wollen.
Bei der Berliner Wiederaufbaukonferenz geht es explizit nicht darum, Geld zu sammeln. Vielmehr sollen sich ganz verschiedene Akteure vernetzen und die internationale Unterstützung der Ukraine auf eine andere Ebene bringen: Im Mittelpunkt stehen nicht Rüstungsexporte, sondern Hilfen für die gesamte ukrainische Wirtschaft, für Regionen und Kommunen des Landes. Ziel ist es, demokratische Strukturen in der Gesellschaft zu festigen, damit die Ukraine auch für einen EU-Beitritt gut aufgestellt ist. So sieht es auf der Konferenz tatsächlich eher aus wie auf einer Messe mit vielen Ständen, an denen sich ukrainische Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen mit Investoren zu Gesprächen treffen können.
Eine Vielzahl von Reformbemühungen
Doch kann das überhaupt gehen: Wiederaufbau ohne Korruption, während der Krieg noch tobt? Die Geschäftsführerin der Organisation Transparency International Deutschland, Susanne Kühn, sieht zwar „besondere Risiken“, da die Ukraine im weltweiten Vergleich weiterhin mit einem vergleichsweise hohen Korruptionsniveau zu kämpfen habe. „Gleichzeitig hat sich die Situation in den vergangenen zehn Jahren spürbar verbessert“, sagt sie dem Tageblatt. „Angesichts der schwierigen gegenwärtigen Umstände in Zeiten des Krieges sind diese Fortschritte zur Korruptionsbekämpfung in der Ukraine beeindruckend.“ Dabei spiele der EU-Beitrittsprozess mit den klaren Anforderungen eine wichtige Rolle. „Dieser Druck hat zu einer Vielzahl von Reformbemühungen in relativ kurzer Zeit geführt.“
Deswegen glauben wir, dass die Europäische Union Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beginnen sollte, und zwar schon Ende des MonatsEU-Kommissionspräsidentin
Auch wenn sie nicht im Mittelpunkt stehen, geht es bei der Wiederaufbaukonferenz natürlich auch um Waffen: Selenskyj sagt, sein Land brauche mindestens sieben Patriot-Luftabwehrsysteme, um sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. „Luftverteidigung ist wirklich die Antwort auf alles“, sagt er und dankt Deutschland dafür, dass es drei dieser Systeme zur Verfügung stellt. Nach mehr als zwei Jahren russischer Bombardements sind in der Ukraine ganze Landstriche zerstört. Da auch das ukrainische Netz zur Energieversorgung gezielt angegriffen wird, sind Hunderttausende Menschen ohne Strom.
EU-Beitrittsverhandlungen bereits Ende des Monats?
Die Weltbank schätzt, dass der Wiederaufbau der Ukraine in den kommenden zehn Jahren umgerechnet mehr als 450 Milliarden Euro kosten wird. Da solche Summen nicht alleine von Staaten gestemmt werden können, werden Privatinvestoren, Stiftungen und Philanthropen mit an Bord geholt. Scholz betont: „Wenn wir über den Wiederaufbau der Ukraine sprechen, dann sprechen wir über den Wiederaufbau eines zukünftigen neuen EU-Mitgliedstaates.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls angereist ist, ergänzt, die Ukraine habe alle vereinbarten Reformschritte erfüllt. „Deswegen glauben wir, dass die Europäische Union Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beginnen sollte, und zwar schon Ende des Monats.“ Sie sagt überdies Hilfen der Europäischen Union in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zu, die in Kürze freigegeben würden. Außerdem sollten im Juli etwa 1,5 Milliarden Euro aus den Zinserträgen genutzt werden, die aus eingefrorenem russischen Guthaben im Westen anfallen.
Bevor sich Scholz und Selenskyj auf den Weg zum Bundestag machen, wo der ukrainische Präsident ebenfalls eine Rede hält, äußert sich der Kanzler noch zu seinen Erwartungen an den bevorstehenden Friedensgipfel. Scholz beschreibt den Prozess als „Pflanze, die wir jetzt gießen, wo wir hoffen, dass möglichst viele dabei helfen, dass das ein sich gut entwickelnder Garten wird, der dann die Möglichkeit für eine friedliche Entwicklung schafft“.
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