Gesellschaft / Internationaler Tag: „Durch einen Schlaganfall verliert man einen Teil seines Lebens“
Es kommt plötzlich und es ist heimtückisch. Ein Schlaganfall verändert das Leben. So ging es Stephanie Wagner mit 34 Jahren. Drei Jahre später fällt nur noch auf, dass sie ihr linkes Bein leicht nachzieht und den linken Arm oft mit dem rechten stützt. Als es passiert, wird sie komplett aus dem Leben geworfen. Der Internationale Tag des Schlaganfalls am 29. Oktober erinnert an die Opfer.
Den 23. Mai 2019 wird Stephanie Wagner nie vergessen. Sie steht aus dem Bett auf, weil sie auf die Toilette muss und schafft es gerade noch ins Bad. Sie ist kraftlos und kann sich kaum bewegen. Sie legt sich auf den Boden. Allein zu Hause, ihre Mutter ist in Kur, findet sie der Notdienst erst 28 Stunden später am nächsten Vormittag. Da hängt ein Mundwinkel schon nach unten, die Augen sind geschwollen.
Im Ettelbrücker Krankenhaus wird sie Notfall versorgt und muss sogar auf die Intensivstation. Die Diagnose steht schnell fest: Schlaganfall. Eine verstopfte Ader in der rechten Hirnhälfte hat ihn ausgelöst. Sprechen kann sie relativ schnell wieder, wenn auch schleppend, da das Sprachzentrum in der anderen Hirnhälfte liegt. Aber sie ist linksseitig gelähmt. Spürt nichts mehr, kann nicht gehen, sitzt im Rollstuhl.
Nach vier Wochen Krankenhaus ist ein stationärer Platz im Rehabilitationszentrum auf dem Kirchberg frei. Danach beginnt ein neunmonatiger Marathon. Physio- und Ergonomietherapie, Logopädie, psychologische Betreuung und Sport sowie Medikamente: Sie absolviert das ganze Programm zuerst stationär, dann ambulant. Dann kommt Corona.
In den Zeiten des Lockdowns hilft ihr der Kinesiotherapeut im Ort. Stephanie stammt aus Mertzig, wohnt bei ihrer Mutter. Sie macht Fortschritte, will unbedingt wieder arbeiten. Angekündigt hat sich das Drama nicht. „Ich hatte vorher leichte Kopfschmerzen“, sagt sie. „Aber sie kamen und gingen, zum Schluss waren sie zwar stärker, aber ich habe das für Migräne gehalten.“ Die gelernte Bürokauffrau arbeitet damals als Sekretärin in der „Maison médicale“ in Ettelbrück.
„Man müsste mir mal etwas zutrauen“
Sie arbeitet abends, an Wochenenden und Feiertagen im Schichtdienst. „Am Abend vor dem Schlaganfall war ich so müde, dass ich vergessen habe, zur Arbeit zu gehen“, sagt sie. „Ich habe so gut geschlafen wie lange nicht.“ Obwohl ihr früherer Chef die Suche nach ihr auslöst, will er sie nach der Rehabilitation nicht wieder einstellen. Er hatte sie auf der Arbeit vermisst, weil sie noch nie unentschuldigt ferngeblieben ist.
„Es war ein kategorisches Nein“, sagt Stephanie über ihren verhagelten Berufseinstieg. Es nagt immer noch an ihr. Mittlerweile sind Spaziergänge über mehrere Kilometer möglich und sie hat ihre alten Hobbys wieder aufgenommen: Fotografieren, Lesen, Nähen oder Stricken. Es ist ein neues dazugekommen. Sie gießt Objekte aus Kunstharz. Die Tatsache, dass sie arbeitslos ist, ist dennoch deprimierend.
Sie ist erst 37 Jahre alt und will nicht immer nur zu Hause sein. Vorstellungsgespräche hatte sie schon. „Man müsste mir mal etwas zutrauen“, sagt sie. Sie bekam keinen der Jobs – ohne Begründung. Seit dem Tag im Mai 2019 teilt sich ihr Leben in ein „Davor“ und ein „Danach“. Das Davor beschreibt sie als „lebenslustig und zufrieden“. Danach ist: „Von allem weniger.“ Zu ihrem Schicksal sagt sie: „Durch den Schlaganfall verliert man einen Teil seines Lebens.“
Vortrag der „Blëtz Asbl“
Am 23. Oktober veranstaltet die „Blëtz Asbl“, die sich um Betroffene kümmert, einen Vortrag zum Thema „Müdigkeit infolge eines Schlaganfalls“. Die Veranstaltung findet im Château de Bettembourg statt und beginnt um 16.00 Uhr.
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