Äpfel und Birnen statt Kiwis und Bananen / Interview – Minister Romain Schneider über die Landwirtschaft im Wandel
Im Rahmen der Corona-Krise war die (mangelnde) Kapazität zur Selbstversorgung ein Thema in vielen europäischen Ländern, darunter auch in Luxemburg. Die Diskussion begann mit der Abhängigkeit von vorwiegend asiatischen Ländern bei der Maskenproduktion und weitete sich schnell auf industrielle und landwirtschaftliche Produkte aus. Wie steht die Luxemburger Landwirtschaft in dem Zusammenhang da und wie entwickelt sie sich aktuell? Wir haben mit Landwirtschaftsminister Romain Schneider gesprochen.
Auf die Frage, wie es in dem einst reinen Agrarland Luxemburg in Sachen landwirtschaftlicher Selbstversorgung stehe, unterstreicht Schneider, man müsse je nach Bereich unterscheiden: So könne das Land seiner Nachfrage bei Milch und Milchprodukten wie Käse, Joghurt usw. gerecht werden – diesbezüglich sei es gar Exportland. Dies hänge damit zusammen, dass Luxemburg ein sogenannter Grünlandstandort und damit für Milch- und Fleischproduktion prädestiniert ist. Beim Fleisch sei Luxemburg ebenfalls gut aufgestellt, besonders wenn es ums Rind- und Schweinefleisch geht, bei dem die Selbstversorgung weitgehend gegeben ist. Defizite gebe es noch in Bezug aufs Hühnerfleisch. Diesbezüglich gebe es allerdings eine ganze Reihe von Initiativen, um unabhängiger von Importen zu werden. Bei Milch und Fleisch sei die Selbstversorgung also weitgehend geregelt. Ausklammern müsse man allerdings ganz spezifische Fleischsorten; betrachte man etwa Kaninchenfleisch, so fehle inzwischen das entsprechende Angebot.
Anders verhalte es sich bei Obst und Gemüse. Hier bestehe ein großes Potenzial: Nur ein geringer Prozentsatz der konsumierten Produkte, die prinzipiell hier angebaut werden könnten – wie etwa Salate – stamme aus Eigenproduktion. Das Ministerium sei sich dessen bewusst und versuche seit Jahren, diesem Defizit entgegenzuwirken. Eine Reihe positiver Initiativen gebe es bereits, verschiedene Quereinsteiger versuchten sich verstärkt an diesen Produkten. Hürden würden der große Landbedarf und der hohe Wasserverbrauch darstellen. Beim Obst hänge viel vom Verhalten der Konsumenten ab. Es müsse darauf hingewirkt werden, dass der Verbraucher verstärkt saisonale Produkte kauft, die national und regional angebaut wurden – darunter Äpfel, Erdbeeren, Birnen usw. Dies würde der Politik der kurzen Wege und der Nachverfolgbarkeit der Produkte entsprechen.
Milchpreise auf annehmbarem Niveau
Kampagnen, die Luxemburg in letzter Zeit startete, darunter „Vum Produzent bei de Konsument“, zeigten eine erste Wirkung, so Schneider. Ein Spargelbauer, über den noch vor Jahren Witze gemacht worden sind, hat heute einen Riesenbetrieb und baut jetzt auch Erdbeeren an. In der Minette-Gegend hat ein Kartoffelbauer inzwischen großen Erfolg – es gibt demnach positive Ansätze, die vom Kunden verstärkt werden können, wenn sich dieser z.B. eher für einen Apfel und eine Birne als für eine Kiwi und eine Banane entscheidet. „Wir können die Produktion unterstützen und bewerben; die Entscheidung liegt allerdings weiter beim Konsumenten, ohne Absatz läuft nichts“, so Schneider. Ein Angebot von regionalen Produkten und kurzen Wegen habe besonders zu Beginn der Covid-Krise überwältigenden Erfolg gehabt. Betriebe mit Hofläden hätten enorm profitiert, so der Minister. Der regelrechte Boom der Direktvermarktung halte übrigens zum Teil bis heute an und dies wirke sicherlich positiv nach.
Parallel sei eine Promotionskampagne für regionale Produkte gestartet worden, um diese Entwicklung zu unterstützen. Auf die heftige Kritik des „Mouvement écologique“ an dem neuen Label für Regionalprodukte angesprochen – die Umweltorganisation warf dem Ministerium Etikettenschwindel vor und monierte, dieses habe keine klaren Ziele und nachhaltige Visionen –, verweist Romain Schneider auf die neue gemeinsame europäische Agrarpolitik, die ebendiese nachhaltige Gestaltung der Landwirtschaftspolitik zum Ziel habe. Er nenne dies in Luxemburg „Landwirtschaft plus“; dies bedeute nicht nur Biolandwirtschaft, sondern ganz allgemein ein nachhaltiges Wirtschaften, das drei Kriterien erfüllen müsse: Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Soziales. Niemand, auch kein Landwirt, verrichte seine Arbeit nur als Hobby, und die angesprochene Nachhaltigkeit müsse sich in diesen Aspekten definieren, so der Minister. Würde dies respektiert, dann würde der Konflikt zwischen konventioneller und Bio-Landwirtschaft nicht entstehen. Vor allem bei den Jungbauern stelle er diesen Trend zur Nachhaltigkeit fest. Der Konsument verlange dies, aber die jungen Produzenten würden von sich aus den Wert ihrer Erzeugnisse sehen und nicht negativ gesehen werden wollen. Ihnen sei es wichtig, transparent und hochwertig zu arbeiten. So machten sie große Anstrengungen in umweltrelevanten Bereichen wie dem Gewässerschutz oder der Gülleausbringung.
Nach dem sozialen Aspekt der nationalen Landwirtschaft befragt, meint der Minister, die Lage der Landwirte sei nicht ausschließlich finanziell zu bewerten. Im Durchschnitt habe sich die Einkommenssituation der Bauern in den letzten Jahren stabilisiert – so seien die Milchpreise inzwischen gut, weit weg von den Krisenjahren, in denen der Milchpreis 21 Cent betrug (2009). Der Preis soll zurzeit 35-36 Cent betragen, nachdem er zuvor sogar 43 Cent erreicht hatte. Der Rindfleisch-Sektor sehe sich derzeit eher mit Schwierigkeiten konfrontiert – die Konkurrenz aus Brasilien und Argentinien sei hier spürbar, aber auch der allgemeine Rückgang beim Fleischverzehr. Er könne sich allerdings keine Landwirtschaft ohne Tiere auf den Wiesen vorstellen, so Romain Schneider.
Unter dem Strich gebe es sicher einzelne Betriebe, die finanzielle Probleme haben; allerdings sei der soziale Aspekt, den er meine, nicht ausschließlich finanziell definiert. Das Familienleben gehöre da beispielsweise dazu – so sollen auch Landwirte ein Anrecht auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance mit freien Tagen und Urlaubsreisen haben, und auch sie wollen nicht täglich 24 Stunden arbeiten. Der Spaß am Beruf gehöre ebenfalls dazu, und dieser sei nicht mit Geld zu bezahlen. Dass viele Quereinsteiger den Beruf wählen, Banker etwa, verdeutliche dem Minister zufolge, dass es hier auch andere Werte als Geld gibt.
Pilotprojekte: Bioprodukte in Kantinen
Auf die Entwicklung im Bereich der Biolandwirtschaft angesprochen, erinnert Schneider an die hochgesteckten Ziele der Regierung. Bis 2025 sollten 20 Prozent der Agrarfläche biologisch bewirtschaftet werden, aktuell liegen wir bei etwa 4 Prozent (rund 5.000 Hektar). „Für mich“, sagt Schneider, „zählen aber nicht unbedingt die 20 Prozent.“ Er würde es vorziehen, wenn alle Betriebe nachhaltig wirtschaften und die Produktpalette erweitert wird, denn diesbezüglich sei man hierzulande beschränkt. So sehe man in den Supermärkten viele Bioprodukte, aber nur wenige aus Luxemburg. Der ambitiöse Aktionsplan soll dies ändern. Ein „Bio-Aktionsmann“ wurde eingestellt und hat schon erste Resultate erzielt. Seine Aufgabe ist die des „Matchmaking“ zwischen Produzenten und Konsumenten, und das nicht nur auf der Bioschiene. Er soll auch Kontakte mit konventionellen Betrieben pflegen, um so viele Höfe wie möglich zu konvertieren.
Inzwischen konnte er bereits 1.500 Hektar Umstellung erreichen, so Schneider. In Kantinen, Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern und Seniorenheimen werden jetzt zudem Pilotprojekte durchgeführt, die zeigen sollen, dass nationale Bio- und Regionalprodukte verfügbar und bezahlbar sind. Solche Projekte sind bereits in der Strafanstalt in Givenich, dem „Lycée Ermesinde“ in Mersch und dem Kinderhaus in Wiltz geplant, weitere sollen folgen. Zwei Fünftel der Produkte sollen Bio sein, drei Fünftel konventionell. Daneben werde in den Schulen auf Aufklärung gesetzt (Fortsetzung der Kampagne „Fro de Bauer“). Außerdem werde der demografischen Entwicklung des Landes Rechnung getragen und es sind Kampagnen etwa für die Portugiesen oder die Bosnier in Luxemburg vorgesehen, bei denen der Minister noch Potenzial für nachhaltige, regionale Produkte sieht. Allgemein müsse der Kunde im Rahmen der Biodiskussion aber auch bereit sein, den Wert der Produkte anzuerkennen und zu bezahlen. Bei steigender Nachfrage würden die Preise sicherlich auch sinken.
Abschließend verweist Romain Schneider auf die staatlichen Beihilfen im Rahmen der Krise für die Landwirtschaft: Die fünf Millionen Euro, die zur Verfügung stehen, sollen in die Zukunft investiert werden. Zwei Millionen wurden an kleine Einrichtungen, die gelitten hatten, verteilt und in Werbemaßnahmen investiert. Um dem Preisverfall in verschiedenen Bereichen, zu denen auch der Weinbau zählt, zu begegnen, werden Ende September bzw. Anfang Oktober „Assises agricoles“ in Anwesenheit des Premiers mit allen Organisationen des Sektors abgehalten, um Bilanz zu ziehen und über Maßnahmen zu entscheiden. Der Aufbau eines Kompetenzzentrums und Gelder für die Forschung werden nachhaltig wirken können.
Wie gut diese Maßnahmen bei den Bauern ankommen, wird Romain Schneider eigenen Aussagen zufolge hautnah erfahren: Beim Spaziergang mit dem Hund komme er nämlich an gleich mehreren Höfen vorbei. Suchen die Bauern das Gespräch, dann ist alles in Ordnung, drehen sie ihm den Rücken zu, soll’s Probleme geben. Ein besseres Feedback gebe es nicht.
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„sogenannter Grünlandstandort“. Wie lange noch? Fahren sie mal an den Kuhweiden entlang, alles „Braunland“.
Kaaft letzeburgesch an bleiwt doheem, daat ass ganz schéin ech maachen dat och, an dofir ginn ons Politiker all an d’Ausland.
Eigentlich müsste es unserer Politik einleuchten, angesichts der überteuerten Lebenshaltungskosten , nicht jeder Bürger über das nötige Kleingeld verfügt auf Produkte aus biologischen Anbau zurückzugreifen. Es klingt utopisch zu glauben , die Billigläden mit ihren Produkten wären nur Magnet für das gemeine Volk , sich billig zu ernähren um Geld für andere Luxusgüter einzusparen. Das luxemburgische Gesellschaftssystem lebt auf Pump, der Markt der Preise orientiert sich an den Löhnen der „Upper Class“, was zur Konsequenz hat , die Niedriglöhne dem Überleben willen, der „ Upper Class“ wegen zu Diensten zusein , spiralenartig nach Oben schnellen. Dieser teuflische Kreis ,unvernünftiger Preispolitik bringt Luxemburg an den Rand des Ruins , Grenzen sind nicht aufgezeichnet. Lokaler Gemüse-,Obstanbau und Fleischzucht sind wichtiger Bestandteil unserer Landwirtschaft. Durch unsere geringe Anbaufläche sind Grenzen gesetzt.Eine Alternative wäre die Zuwanderung zu stoppen, einen Baustopp zu verfügen um landwirtschaftlichen Boden zu sichern um die Versorgung des Landes zu garantieren.Mir ist klar , solche Ideen ablehnend bewertet , sogar die Grünfinken dies ablehnen werden. Die Politik kann Schönreden halten, aber solange sie keine Nägel mit Köpfen macht , viele Lösungen gibt es nicht, ist alles nur Schaumschlägerei.Wirtschaftswachstum oder Ökologie, beides im Verbund gibt es nicht und jeder der uns das vorgaukelt, lügt.
An dann awer och erem Gromperen amplatz 🌽 an Raps für Bio Öl. Mir fuere Jo elo geschwenn alleguerten Velo.
Ausser Kiwis schmecken die meisten tropischen Früchte mauh, ganz mauh, ausser man kann sie vor Ort essen, aber das hat man uns ja diesen Winter vermiest.
@Scholer
„Durch unsere geringe Anbaufläche sind Grenzen gesetzt.Eine Alternative wäre die Zuwanderung zu stoppen, einen Baustopp zu verfügen um landwirtschaftlichen Boden zu sichern “
Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus. 1000 Hobbybauern Zwangspensionieren und die dämliche Kuhweiden mit Appartements bebauen. Die die übrig bleiben können dann vielleicht endlich produktiver arbeiten.
De Problem ass, eis Landwirtschaft ass eben net ‚am Wandel‘.
Si wurschtele nach ëmmer wéi am leschte Joerdausend.
@Rosie
Sie waren noch nie in einem modernen landwirtschaftlichem Betrieb, sonst würden Sie hier ihre Zeilen nicht verfassen
@ Luss
@Rosie
„Sie waren noch nie in einem modernen landwirtschaftlichem Betrieb, sonst würden Sie hier ihre Zeilen nicht verfassen“
Aber sicher doch, in Holland. Die stehen weltweit im Agrarexport auf Nummer 2 nach den Amis, wie ich kürzlich hier gelernt habe.
Deutschland ist mit 5 mal mehr Bauern und 10 Mal größerer Fläche auf Platz 3 weil die auch wursteln wie wir.
Dagegen ist das was bei unseren Hobbyisten abgeht, ein Witz.
Nehmt den Menschen mal die Bananen, oder die Orangen. Die gedeihen in hiesigen Sphären angeblich nämlich nicht so gut.
Man wird alles andere als „begeistert“ sein.
Natürlich wäre es schön, wenn biologischer Landbau zur Regel würde. Allerdings hört bei vielen Verbrauchern das ökologische Bewusstsein bereits beim Preis auf. Solange traditionell erzeugte Produkte nur einen Bruchteil dessen kosten, was für Bio-Ware berappt werden muss, wird sich nicht viel ändern.
Ganz davon zu schweigen, dass für ausgedehnten Bio-Landbau vermutlich schlicht nicht genug Platz ist.