Migration / Italiens neue Aufnahme- und Abschiebelager in Albanien stoßen auf Skepsis
In dieser Woche sollen in Albanien zwei italienische Asylzentren in Betrieb genommen werden. Rom sieht in der erstmaligen Auslagerung der Asylprozedur in einen Drittstaat ein „Modell“ für die gesamte EU, doch dies stößt wegen der ungelösten praktischen und rechtlichen Fragen auf Skepsis.
Eine Eröffnungsfeier für die beiden umzäunten Containerlager in Albanien haben deren italienische Betreiber nicht geplant. Doch bereits in dieser Woche könnten in den in wenigen Monaten aus dem Boden gestampften Asylzentren in dem Hafenstädtchen Shengjin und auf dem früheren Militärflughafen Gjader die ersten Bewohner einziehen. Die beiden „Migrationszentren“ seien „bereit, ein erstes Kontigent aufzunehmen“, bestätigte am Wochenende Fabrizio Bucci, der italienische Botschafter in Albaniens Hauptstadt Tirana: Die Lager seien „funktionsfähig“.
670 Millionen Euro lässt Italiens rechtspopulistische Regierung in den kommenden fünf Jahren für den erstmaligen Versuch eines EU-Staats springen, die Asylprozedur zumindest teilweise in einen Drittstaat auszulagern. Als „innovative Lösung und Modell“ für die europäische Migrationspolitik preist Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni den von ihr mit Albaniens sozialistischem Premier Edi Rama vor Jahresfrist eingefädelten Asyldeal.
Während Albaniens Opposition fürchtet, dass die von Rama im Alleingang und ohne jegliche Debatten abgesegnete Vereinbarung den rückständigen EU-Anwärter zu Europas Zentrum für illegale Immigranten mutieren könnte, wittern italienische Kritiker in den neuen Lagern auch den Versuch, mit als exterritorialen „Rückführungszentren“ deklarierten Abschiebegefängnissen in Drittstaaten ein europäisches „Guantanamo“ zu schaffen.
Ablehnung schon vor der Einreise
Mit einer Aufnahmekapazität für insgesamt 3.000 Insassen sind die neuen Lager für Bootsflüchtlinge gedacht, die im Mittelmeer von italienischen Schiffen geborgen werden: Abgesehen von Kindern und Frauen sollen die meisten für eine verkürzte Asylprozedur von 28 Tagen künftig nach Albanien statt nach Italien geschippert werden.
In dem direkt am Hafen gelegenen Aufnahmezentrum im Badeort Shengjin sollen die Personalien der Neuankömmlinge und deren Asylanträge registriert werden, bevor sie in das abgelegenen Hauptlager in Gjader verfrachtet werden: Auf der früheren Militärbasis sollen sie den Ausgang ihres Asylverfahrens und ihre etwaige Abschiebung abwarten. Als maximale Verweildauer in Gjader sind 18 Monate vorgesehen. Abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben werden können, muss Italien danach „zurücknehmen“.
Nicht nur Regierungspolitiker in Rom, sondern auch in Ungarn und Österreich wittern wegen des vermuteten Abschreckungseffekts in Albaniens neuen Lagern ein Vorbild für die gesamte EU. Fachleute sind indes nicht nur wegen menschenrechtlicher Bedenken, sondern auch wegen der ungelösten praktischen und rechtlichen Fragen skeptisch: Der hohe Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum zu erwarteten Ergebnis – und werde die Flüchltingszahlen kaum mindern, so die Kritik.
Hoffnungsfroh gehen die italienischen Betreiber zwar davon aus, dass bei einer Verweildauer von 28 Tagen jährlich bis zu 36.000 Asylbewerber in den albanischen Lagern aufgenommen – und von dort abgeschoben werden könnten. Die Zahl scheint indes viel zu hoch gegriffen. Mit vielen Herkunftsstaaten hat weder Italien noch Albanien bilaterale Rückführungsabkommen. Genauso wie in Italien dürfte der Großteil der in Gjader abgeladenen Bootsflüchtlinge kaum in die Herkunftsstaaten zurückgeführt werden können.
Entweder müssen nicht-abschiebbare Lagerinsassen mit 18-monatiger Verzögerung doch noch von Italien aufgenommen werden. Oder machen sich abgelehnte Asylbewerber eben von Albanien aus mit der Hilfe von Schleppern über Land und auf der Balkanroute in Richtung Italien und Westeuropa auf. Zwar würden manche Politiker in der EU in den Staaten des Westbalkans eine „Art Ruanda“ sehen, in denen sich Geflüchtete beliebig abladen ließen, sagt Rados Djurovic, der Direktor des Zentrums zum Schutz für Asylsuchende in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Doch wie Albanien seien dazu auch die anderen Staaten der Region kaum in der Lage: „Der Westbalkan ist keineswegs zu einer Region geworden, der die Leute aufnehmen kann. Im Gegenteil.“
Tatsächlich dürfte selbst den zum „Asyl-Outsourcing“ entschlossenen Rechtsregierungen in der EU die Kopie des von Meloni propagierten „Modells“ schwerfallen. Für große Abschiebelager, in denen sich zehntausende abgelehnter Asylbewerber vor den Toren der EU „parken“ ließen, findet sich selbst in der stattlichen Riege autoritärer und mittelhungriger Balkan-Regenten kaum ein zugänglicher Partner: Selbst der im eigenen Land unter Rechtfertigungsdruck geratene Rama hat bereits klargemacht, dass außer Gjader und Shengjin in Albanien keine weiteren Asylzentren geplant seien.
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