Editorial / Jede Stimme zählt: Regierung schenkt fehlerhaften Stimmzetteln nicht genug Aufmerksamkeit
In Luxemburg herrscht Wahlpflicht. Fast jeder Staatsbürger über 18 Jahre muss sich im Oktober in die enge Wahlkabine drängen und seine Kreuze auf dem unhandlichen Stück Papier einzeichnen. Aber bitte richtig – sonst sind die abgegebenen Stimmen ungültig. Bei den vergangenen Gemeindewahlen wurden rund 5,2 Prozent der Wahlzettel fehlerhaft ausgefüllt und vier Prozent blieben leer. Insgesamt waren also 9,2 Prozent der Zettel, die in den Urnen landeten, ungültig. Bei den Kommunalwahlen 2011 waren es noch 7,8 und 2017 schon acht Prozent.
Die Politik scheint das allerdings nicht sonderlich zu stören. Denn obwohl Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) nach den diesjährigen Gemeindewahlen angekündigt hatte, dass sie die Gründe dafür analysieren – und danach dann eine entsprechende Aufklärungskampagne lancieren wolle, scheint das jetzt doch nicht der Fall zu sein. „Die Regierung will auch die Wahlen noch abwarten, um zu sehen, ob da die gleichen ‚Fehler’ passieren – oder nicht.“ So die Antwort aus dem Innenministerium.
Es wird also abgewartet. Obwohl feststeht, dass immer mehr Menschen falsch wählen, und anstatt sofort dagegen vorzugehen, wird zuerst beobachtet: Wird sich dieser Trend – der schon seit einem Jahrzehnt zunimmt – auch im Oktober wieder offenbaren? Dass wegen Unverständnis oder Unklarheit bei der Kommunikation ein Teil des Wählerwillens nicht respektiert wird, scheint zweitrangig. Denn das ist die Situation. Menschen, die das Recht haben, die politische Landschaft in Luxemburg mitzubestimmen, werden nicht gehört.
Aber das ist ja nicht nötig, weil: „Es wird bereits heute über viele Wege über die Prozedur der Briefwahl informiert“, so das Staatsministerium. Natürlich sind die Informationen alle verfügbar. Das ändert allerdings nichts an der Realität, dass immer mehr Menschen die Zettel falsch ausfüllen. Es ergibt keinen Sinn, einfach immer wieder mit dem Finger auf die bereits gescheiterte Lösung zu zeigen und zu erwarten, dass das Resultat ein anderes ist. Dabei wäre die Lösung relativ simpel: Broschüren, Plakate, Social-Media-Posts, Videos – eine Informationskampagne eben. Etwas, was die Regierung üblicherweise sonst für jede Kleinigkeit betreibt.
Und an all jene, die ihren Zettel absichtlich leer lassen: Warum? Aus Protest? Ein weißes Blatt bewirkt wohl eher das Gegenteil des Beabsichtigten. Denn anstatt gegen die momentane Regierung zu stimmen, gibt man eben jenen Politikern, die gerade das Sagen haben, mehr Platz. Warum dann nicht für eine Partei stimmen, die wenigstens zum Teil die eigenen Überzeugungen widerspiegelt?
Denn jede Stimme zählt – oder sollte zählen. Doch zuerst muss die Regierung den Wahlprozess so klar und unmissverständlich gestalten, dass auch jeder Staatsbürger, unabhängig von Bildungsniveau und sozialem Hintergrund, die politische Landschaft beeinflussen kann.
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Ich stelle in Frage, dass die Begründung für eines weißen Zettels Protest gegen die Regierenden ist. Man liest das immer wieder, aber das ist unlogisch.
Ich protestiere doch nicht, indem ich NICHTS sage. Im Gegenteil: Ich protestiere gegen die Regierenden, indem ich eine andere Partei wähle, um die Koalition aus dem Amt zu kriegen und gebe gerade deshalb eben keinen weißen Zettel ab.
Weißer Zettel kann vieles heißen: „Ich weiß nicht“ oder „alle Parteien sind sowieso gleich“ oder „ist mir egal“ oder …
Ein weißer Zettel ist eher allgemeine Politikmüdigkeit und wenn doch Protest, dann eher gegen ALLE Parteien.
Leute, die es nicht hinkriegen einen Wahlzettel auszufüllen, sollten besser nicht gefragt werden.