Editorial / Jetzt sind die Athleten gefordert: Der Fall Peng Shuai und der unzuverlässige Partner IOC
Wo ist Peng Shuai? Diese Frage beschäftigt die Sportwelt nun bereits seit Anfang des Monats. Bis zum Samstag fehlte von der chinesischen Tennisspielerin jede Spur. Nachdem sie den ehemaligen chinesischen Vizepremierminister Zhang Gaoli über soziale Netzwerke der Vergewaltigung beschuldigt hatte, war eine der bekanntesten und populärsten Sportlerinnen des Riesenreichs wie vom Erdboden verschluckt. Bis eben am vergangenen Samstag merkwürdige Videoausschnitte, auf denen Peng Shuai zu sehen war, von chinesischen Staatsmedien veröffentlicht wurden. Außerdem gab es einen Videoanruf zwischen dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und Peng Shuai, in dem die Tennisspielerin versicherte, dass es ihr gut gehe und sie erst einmal in Ruhe gelassen werden wolle.
Ob es ihr wirklich gut geht, bleibt weiterhin ungewiss. Sicher ist jetzt nur, dass sich Bach und das IOC definitiv zu Chinas Komplizen gemacht haben und damit nicht nur einen neuen Tiefpunkt erreicht haben, sondern zudem in neue Sphären vorgestoßen sind. Diesmal geht es nicht nur um den Schulterschluss mit Autokraten oder das Hinwegsehen über Menschenrechtsverletzungen. In diesem Fall geht es um das Wohlergehen einer Sportlerin, also einer von jenen Personen, die dem IOC eine Existenzberechtigung verschaffen und für die es sich einzusetzen hat. Anstatt Peng Shuai allein dafür zur Seite zu stehen, dass sie sexuelle Übergriffe im totalitären China öffentlich machte, hat Bach sich dazu entschieden, sich von China instrumentalisieren zu lassen.
Dabei hätte das IOC ein sehr großes Druckmittel. Im Februar sollen bekanntlich die Olympischen Winterspiele in Peking stattfinden und so könnte man mit deren Absage drohen, sollte Peng Shuai nicht wieder auftauchen. Da sich das IOC aber ganz klar auf die Seite des Regimes gestellt hat, müssen die Athleten nun ein Zeichen setzen. Von ihnen wurde in der Vergangenheit regelmäßig ein Boykott von Großereignissen gefordert, was in vielen Fällen aber wirklichkeitsfremd ist, da Sportler zum einen nicht mitreden können, wo Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften stattfinden, und zum anderen nicht von ihnen verlangt werden kann, die Probleme aus der Welt zu schaffen, bei denen die Politik versagt.
Da es in diesem Fall die Athleten direkt betrifft, ist ein Boykott der Winterspiele mehr als angebracht und eigentlich der einzige noch vertretbare Weg. Wenn es schon so weit gekommen ist, dass das Internationale Olympische Komitee sich scheinbar damit abfindet, dass eine Sportlerin einfach ihrer Freiheit beraubt wird, dann ist die Grenze des Hinnehmbaren definitiv überschritten. Das hat die Vereinigung der professionellen Tennisspielerinnen (WTA) erkannt und mit einem Rückzug aus China gedroht. Andere Athletenvertreter wie Global Athlete haben sich ebenfalls klar positioniert. Dem sollte sich die Sportwelt jetzt anschließen und ein klares Zeichen setzen. Zuallererst für Peng Shuai, aber auch gegen das IOC, das definitiv kein verlässlicher Partner für Sportlerinnen und Sportler mehr ist.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Waere ja auch verwunderlich gewesen wenn die ueblichen nicht wieder einen grund gefunden haetten um zum boykott dieser spiele in china aufzurufen,welche ihnen vom anfang an ein dorn im auge waren.
Seltsam,dass es aus diesen kreisen nie boykott aufrufe betreffend sportliche ereignisse in den usa gibt (demnaechst wieder olympia in LA und fussball WM 2026)
Gruende dafuer gaebe es doch etliche wie kriegstreiberei,militaerische agressionen gegen andere laender oder einkerkerung politischer gegner im ausland ..wie in GB z.bsp..