Gründungspräsident des OGBL / John Castegnaro: Zehn Jahre schon …
Eine der bedeutendsten Figuren der nationalen Gewerkschaftsszene verstarb vor zehn Jahren. John Castegnaro, erster Präsident des OGBL, der 1978 aus dem LAV hervorging, bekleidete diese Funktion 25 Jahre lang und prägte damit eine ganze Epoche der Sozialpolitik des Landes.
Trotz einer vorbildlichen Lebenshygiene – er trank höchstens mal eine Flasche Bier, rauchte nicht, hatte kein Übergewicht – erlag „Casteg“, wie viele seiner Gewerkschaftskameraden ihn nannten (er selbst benutzte diese Abkürzung ebenfalls oft), im Alter von nur 68 Jahren einem Krebsleiden.
Bis dahin arbeitete er unermüdlich, erst als Gewerkschafter, später auch als LSAP-Abgeordneter. Bis zu seinem Tod war er Präsident des Verwaltungsrates unseres Verlagshauses Editpress.
Der frühe Tod seines Vaters, der bei einem Arbeitsunfall starb, als John gerade mal sieben Jahre alt war, prägten sowohl seine als auch die politische Einstellung seines älteren Bruders Mario (der vor kurzem ebenfalls verstarb). Die Mutter musste die drei Kinder (John, Mario und Sonia) allein in Differdingen durchbringen; so begann John früh eine Ausbildung als Schlosser beim Hadir-Stahlwerk. Der „Lëtzebuerger Aarbechterverband“ (LAV) erkannte schnell die Talente des jungen Mannes und verpflichtete ihn 1963 als Gewerkschaftssekretär. Bereits 1969 wurde er Verhandlungssekretär, zuständig für die kleinen und mittleren Industriebetriebe, den Bau und die öffentlichen Betriebe.
Gemeinsam mit seinem Bruder Mario, zuständig für die Stahlindustrie, die Minen und die eisenverarbeitende Industrie, waren die beiden für die gesamte Tarifpolitik beziehungsweise die entsprechenden Verhandlungen verantwortlich. Unter Präsident Tun Weiss wird er 1976 zum Generalsekretär des LAV. 1978 wird der OGBL mit dem Ziel gegründet, alle arbeitenden Menschen im Land, also nicht nur die Arbeiter, sondern auch Privatbeamte, öffentliche Beamte und Angestellte, in einer Gewerkschaft zu vereinigen; John Castegnaro wird am 3. Dezember während des letzten LAV-Kongresses zum Präsidenten der neuen, durch zusätzliche betreute Sektoren stärker gewordenen Gewerkschaft gewählt.
Die große Protestkundgebung 1976
Zwei Jahre vorher hatten alle nationalen Gewerkschaften am 18. Dezember 1976 gemeinsam im Rahmen der Stahlkrise gegen Sozialabbau protestiert; die Demonstration war ein Riesenerfolg und prägte die nationale Politik über Jahre. Die Tripartite, eine Dreierrunde mit Regierung, Patronat und Gewerkschaften, wurde ins Leben gerufen: Die Auswirkungen der Krise konnten spürbar beschränkt werden.
Die gewerkschaftspolitische Haltung von Castegnaro entsprach denn auch diesem Modell: Er zog Kompromisse dem Arbeitskampf, etwa mit Streiks, vor, blieb aber bei grundsätzlichen Fragen unbeugsam. So rief er zum 5. April 1982 zu einem Generalstreik für die Verteidigung des Index-Systems auf und drohte drei weitere Male mit einem weiteren Generalstreik.
John Castegnaro war kein Mensch, der gern delegierte: Er arbeitete sich in alle relevanten Dossiers genaustens ein und kümmerte sich auch um kleinere Anliegen und Sorgen der Mitglieder. So kam es in den Neunzigern, als das Tageblatt versuchte, alle Generalversammlungen des OGBL journalistisch abzudecken, regelmäßig vor, dass morgens das Telefon des damaligen Chefs der Lokalredaktion läutete und ein barsches „Casteg hei“ zu hören war. Der Präsident verwies dann auf die eine oder andere Gewerkschaftsversammlung, deren Bericht noch nicht im Blatt war, oder etwa auf ein fehlendes Foto zum Bericht. Er gab so mit dem nötigen Nachdruck die Beschwerden seiner Lokalpräsidenten weiter …
Versuchte er durch die Escher Alzettestraße zu flanieren, so wurde er praktisch im Minutentakt von Eschern angesprochen, die ihm ihre Probleme am Arbeitsplatz oder mit Verwaltungen vortrugen. Fast immer konnte Casteg helfen.
In Erinnerung wird er auch durch sein rhetorisches Talent bleiben. Wer auch nur eine seiner 1.-Mai-Reden hörte, dem bleibt der kräftige Klang seiner Stimme in Erinnerung, die er konsequent immer dort einsetzte, wo die Rechte der arbeitenden Menschen zu verteidigen waren. So war er auch nicht unbedingt ein Freund der neuen Form der 1.-Mai-Feiern, des Fests der Arbeit in Neumünster. An den beiden letzten Feiern zum Tag der Arbeit, bei denen wieder traditionelle politische Reden gehalten wurden, hätte er bestimmt seine Freude gehabt.
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Et soll nach ee mer soen dass d‘Tageblatt e politescht neutralt Presseorgan ass…;-))
@Ujhen: Ween huët daat dann jemols behaapt…?