Jugendbericht 2020 / Jugendliche haben die Corona-Maßnahmen gut akzeptiert
Am Mittwoch stellte Bildungsminister Claude Meisch den Jugendbericht vor, dessen Fokus auf dem Wohlbefinden und der Gesundheit der jungen Menschen zwischen 12 und 29 Jahren liegt. Viele Jugendliche zeigten sich einsichtig mit den Corona-Restriktionen, wurden dadurch aber auch teils schwer belastet.
Alle fünf Jahre muss der Bildungsminister laut Gesetz einen Bericht über die Situation der Jugendlichen in Luxemburg an das Parlament schicken. Der Schwerpunkt des Jugendberichtes 2020 war bereits vor dem Ausbruch der Pandemie festgelegt worden: das Wohlbefinden und die Gesundheit der Jugend. Wie der Zufall es wollte, war es genau das Thema, welches die Jugendlichen während der Pandemie am meisten beschäftigte. Der Report kann auf der Webseite jugendbericht.lu eingesehen werden.
„Wir wissen, dass die Pandemie ganz besonders die jungen Menschen auf vielfältige Weise gerüttelt hat“, sagte Bildungsminister Claude Meisch am Mittwoch bei der Vorstellung des Berichtes. „Deshalb ist es nun sehr interessant zu sehen, wie die Jugendlichen ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit selbst einschätzen.“ Diese Fragen werden im Jugendbericht zentral thematisiert. Meisch betonte, dass es ihm wichtig ist, sich hier auf Fakten zu basieren. Deshalb hat das Bildungsministerium die Uni.lu mit der Ausarbeitung des Berichtes beauftragt. „Die Uni ist ein wichtiger Partner für uns, und das schon seit langer Zeit, wenn es um evidenzbasiertes Wissen um die Jugendlichen hier in Luxemburg geht“, so Meisch. Diese Fakten brauche man, um nicht alleine auf das Bauchgefühl zu hören. „Damit wir wirklich wissen, wie es den Jugendlichen geht und ihnen auch das Wort in einem politischen Prozess wie diesem hier geben können.“
Wir sehen, dass ungefähr drei von vier Jugendlichen ihre Lebenszufriedenheit als mittel bis hoch einschätzenLeiter des Jugendberichts
Prof. Dr. Robin Samuel präsentierte am Mittwoch die wichtigsten Erkenntnisse des nationalen Jugendberichts. Zusammen mit Prof. Dr. Helmut Willems von der Uni.lu hat er das Projekt geleitet. Im Fokus steht das Wohlbefinden und die Gesundheit von rund 140.000 Jugendlichen zwischen 12 und 29 Jahren. „Das ist fast ein Viertel der luxemburgischen Bevölkerung“, sagt Robin Samuel. Die Wissenschaftler haben sich insbesondere für die subjektive Sichtweise und die Handlungsweise der Jugendlichen in Bezug auf das Wohlbefinden und die Gesundheit interessiert. Berücksichtigt wurden verschiedene Ebenen: Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Familie, Freunde sowie die Lebensbedingungen in Luxemburg. Dabei haben die Wissenschaftler ausgewählte, jugendrelevante Lebensbereiche wie Schule, Jugendarbeit, Fremdunterbringung oder Arbeitswelt in den Fokus genommen.
Risikogruppen mit niedrigem sozioökonomischen Status
Das subjektive Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit werden von den Jugendlichen in Luxemburg insgesamt als hoch eingeschätzt und haben sich in den letzten Jahren stabilisiert. Dies ist ein Fazit, das die Forscher aus dem Bericht ziehen können. „Wir sehen, dass ungefähr drei von vier Jugendlichen ihre Lebenszufriedenheit als mittel bis hoch einschätzen“, sagt Samuel. Insgesamt zeigen die Jugendlichen auch ein positives Gesundheitsempfinden, das sich in den letzten Jahren weiter verbessert hat. Im internationalen Vergleich liegt Luxemburg somit im oberen Mittelfeld. Samuel präzisiert, dass dies nicht für alle Jugendlichen gilt. „Wir sehen, dass sie sich je nach sozioökonomischem Status, Geschlecht und Alter unterscheiden.“
So haben Jugendliche mit tieferem sozioökonomischen Status eine höhere Wahrscheinlichkeit, ein niedrigeres affektives Wohlbefinden zu haben, während Jugendliche mit einem höheren sozioökonomischen Status ein höheres affektives Wohlbefinden haben. Auch bei den Geschlechtern stellen sich Unterschiede heraus. Mädchen und junge Frauen sind demnach stärker sensibilisiert und interessiert, aber auch stärker betroffen durch psychosoziale Probleme, geringeres Wohlbefinden sowie durch ein negativeres Körperbild. Jungen und junge Männer sind dagegen öfters übergewichtig, trinken mehr, achten weniger auf gesunde Ernährung, sind aber sportlich aktiver. Robin Samuel sagt: „Körperbezogene Selbstbilder, Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz sind geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt und haben Konsequenzen für gesundheitliche Wahrnehmungen und Handlungsweisen.“ Dementsprechend denken zwei von zehn jungen Männern, dass sie zu leicht sind, obwohl sie eigentlich normal gewichtig sind. Umgekehrt glauben zwei von zehn Mädchen, dass sie zu viel wiegen, obwohl auch sie ein normales Gewicht haben.
Sie schätzen die Maßnahmen als angemessen und gerechtfertigt ein, vor allem um Risikogruppen zu schützen und nicht etwa als EigenschutzLeiter des Jugendberichts
Jüngere Jugendliche haben laut Bericht ein höheres Wohlbefinden, ernähren sich tendenziell gesünder und haben mehr Bewegung. Ältere Jugendliche sind eher übergewichtig, haben vermehrt depressive Symptome, einen höheren Alkohol- und Substanzkonsum, verfügen aber eher über komplexere und vielfältiger ausgeprägte Bewältigungsstrategien, durch die sie besser mit Problemen umgehen können. Die Belastungen bei Jugendlichen entstehen vor allem durch zunehmenden Stress und steigenden Leistungs- und Erfolgsdruck. Für Luxemburg gibt es laut Bericht spezifische Belastungen durch die angespannte Wohnungsmarktsituation und den zunehmenden Verkehr. „Jugendliche berichten uns auch von Umweltproblemen, die ihnen Sorgen bereiten“, sagt Samuel.
Pandemie erforderte Studie in der Studie
Wegen der Corona-Pandemie wurde eigens eine Studie innerhalb des Berichtes integriert. Die Daten dazu wurden im Sommer 2020 erhoben. „Was einigermaßen überraschend war, ist die Tatsache, dass die Regelungen von vielen Jugendlichen gut akzeptiert wurden“, sagt Samuel. „Sie schätzen die Maßnahmen als angemessen und gerechtfertigt ein, vor allem um Risikogruppen zu schützen und nicht etwa als Eigenschutz.“ Laut Bericht gaben sechs von zehn Jugendlichen an, die Maßnahmen absolut angemessen zu finden, zwei von zehn waren der Meinung, dass diese nicht streng genug waren und einer von zehn bezeichnete die Vorkehrungen als eher übertrieben.
Die Pandemie hat allerdings auch zu Belastungen geführt. Viele Jugendliche waren teilweise durch die Nachrichten- und Informationsflut überfordert und haben als Selbstschutz ganz gezielt deren Konsum eingeschränkt. Schulschließungen wurden teilweise als bereichernd beschrieben, weil die Jugendlichen dadurch mehr Schlaf hatten und sich selbstständiger mit dem Lernstoff auseinandersetzen konnten. Für andere wiederum waren die Schließungen belastend und mit Stress sowie Lernschwierigkeiten verbunden. Der Bericht ergab, dass die mentale Gesundheit bei einem Teil der Jugendlichen stärker in den Vordergrund gerückt ist. Insgesamt hat sich die Lebenszufriedenheit von 2019 auf 2020 verschlechtert, aber nicht bei allen Jugendlichen gleichermaßen. Jene mit einem tieferen sozioökonomischen Status hatten eine stärkere Verschlechterung der Lebenszufriedenheit als jene mit einem höheren Status.
Wir wollen eine evidenzbasierte und eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber sowie eine fundierte Debatte über das Wohlbefinden und die Gesundheit der JugendlichenBildungsminister
Der Bericht greift einige Herausforderungen auf, die sich für die Politik und die Praxis stellen. Claude Meisch lobte die positiven Befunde des Jugendberichtes und mahnte an, dass man vor den negativen Aspekten nicht die Augen verschließen dürfe. Der Bericht habe gezeigt, dass insbesondere die Risikogruppen mehr Schwierigkeiten in vielen Bereichen haben. Darauf müsse sich nun auch die Politik konzentrieren. Meisch betonte, dass der Jugendbericht in den nächsten Wochen und Monaten breit verteilt und diskutiert werde. „Wir wollen eine evidenzbasierte und eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber sowie eine fundierte Debatte über das Wohlbefinden und die Gesundheit der Jugendlichen“, so Meisch. Am Ende solle das richtige Fazit gezogen werden. Dies soll laut Bildungsminister spätestens im Herbst mit der Vorstellung des Jugendpakts erfolgen. Dieser Pakt soll Teil des Jugendaktionsplans für die Jahre 2021 bis 2024 sein, sagt Meisch. „Wir sind froh, dass wir dort die Erkenntnisse des Jugendberichtes mit einfließen lassen können.“
Die Grundlage der Daten
Die Datengrundlage besteht aus zwei großen repräsentativen Umfragen: die „Health Behaviour“-Studie (HBSC) mit rund 8.000 Befragten und die „Youth Survey Luxembourg“ (YSL) mit 2.500 Befragten. Zusätzlich wurden Interviews zu Sichtweisen und Deutungsmuster an 62 befragten Jugendlichen durchgeführt. Daneben wurden 23 Fachexperten befragt, um Fachdiskurse besser analysieren zu können. Als die Pandemie kam, wurde in die Studie eine eigene Studie integriert, bei der fast 4.000 Personen befragt wurden.
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