Fachtagung / Jugendpsychiatrie auf dem Weg in die Zukunft
Wie funktioniert die Jugendpsychiatrie? Wo steht sie konzeptuell und materiell? Antworten auf diese Fragen gab eine Fachtagung der Jugendpsychiater der Robert-Schuman-Krankenhäuser.
Das Wohlbefinden unserer Kinder sollte eine Priorität des Gesundheitssystems sein. Diesen Grundgedanken schickte das „Wissenschaftliche Komitee der Jugendpsychiatrie” einer Fachtagung voraus, die den Ist-Zustand des Bereiches feststellte und Wege der Zukunft aufzeichnete.
Richtungsweisend ist der neue Flügel des Kirchberger Krankenhauses, der ab September 2021 auf gleich vier Etagen die Jugendpsychiatrie aufnehmen soll. Ins Erdgeschoss kommt eine Tagesklinik, wo rund 20 Jugendliche tages- oder auch stundenweise punktuell versorgt werden können, zum Beispiel wegen Essstörungen. In der ersten Etage wird eine Notaufnahme eingerichtet, mit der Möglichkeit, 15 junge Menschen in Krisensituationen aufzunehmen. Es handelt sich hier um einen abgeschlossenen Bereich, in dem aggressive oder suizidgefährdete Jugendliche behandelt werden.
Ins zweite Stockwerk kommen die Klassenräume. Im dritten Obergeschoss werden junge Leute behandelt, die mit Ängsten oder Depressionen fertig werden müssen. Auch hier stehen 15 Betten zur Verfügung. Ins vierte Stockwerk soll die Verwaltung kommen, allerdings mit dem Hintergedanken, auch diesen Bereich später einmal medizinisch zu nutzen.
Die Bauarbeiten laufen, für den Direktor der psychiatrischen Abteilung, Dr. Jean-Marc Cloos, hat jetzt jedoch eine intensive Verhandlungsphase mit der Krankenversicherung begonnen. Er fordert schlicht und einfach eine Verdoppelung des Personals. „Wir brauchen für diese Art von Pflege zuverlässige und gut ausgebildete Leute”, so der Arzt mit der Erklärung, man müsse in diesem Bereich größtenteils individuell arbeiten. Selbst in den Schulsälen werde nur in ganz kleinen Gruppen gelernt.
Investition in die Zukunft
Die Probleme der Jugend sind vielfältig. Sie reichen von Ess-, Schlaf- und Wachstumsstörungen über die Auseinandersetzung mit einer Krankheit wie Krebs oder Diabetes, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefiziten, Schulverweigerung, Bindungsstörungen bis hin zu den Folgen von Misshandlung und Vergewaltigung.
„Eine gute Jugendpsychiatrie ist eine Investition in die Zukunft”, plädierte Cloos. Probleme, die bei Kindern und Jugendlichen nicht rechtzeitig und richtig behandelt werden, können ihre Zukunft belasten. Das gehe vom schulischen Misserfolg über den Jobverlust bis hin zur Kriminalität. Die Medizin schätzt, dass aktuell nur knapp die Hälfte der „Problemkinder” überhaupt erfasst sind.
Escher Modell
Auf den positiven Erfahrungen der jugendpsychiatrischen Tagesklinik in der Escher Clinique Sainte-Marie basiert das Konzept, auch auf dem Kirchberg eine derartige offene Anlaufstelle einzurichten. Mit dieser Fachpflege kann Jugendlichen geholfen werden, ohne sie aus ihrem familiären oder sozialen Umfeld herauszuholen.
Auf die Autonomie der jungen Leute setzt hingegen der „Service de détection et d’intervention précoce” (SDIP), der seit 13 Jahren im hauptstädtischen Bahnhofsviertel untergebracht ist und dort bewusst in der Prävention arbeitet. „Wir sind bewusst vom Krankenhaus abgetrennt und per Bus und Bahn einfach zu erreichen”, so der zuständige Leiter Dr. Torsten Lehnert zu der Anlaufstelle, die vom Gesundheits- und Erziehungsministerium gemeinsam getragen wird und deren Hauptaufgabe die Früherkennung ist.
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