Covid-19-Pandemie / Kampf gegen den Engpass: Privatleute stellen jetzt Masken her
In mehreren Ländern ist eine Diskussion entfacht über das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken. Doch bei allen gut gemeinten Überlegungen in diese Richtung: Wo keine Maske verfügbar ist, kann eigentlich niemand zu deren Tragen verpflichtet werden. Um dem allgemeinen Mangel an Gesichtsschutz entgegenzuwirken, wird nun in allen Landesteilen fleißig auf privater Ebene genäht. Wir besuchten eine Produktionsstätte.
Jill Mertens ist eine dynamische Person. Sie arbeitet als „Aide socio-familiale“ im Altersheim („Homes pour personnes âgées“) in Mersch. „Im Augenblick befinde ich mich aber im Mutterschaftsurlaub“, erklärt die junge Frau. Ihre Tochter ist jetzt zwei Monate alt. Jill ist auch noch Mutter eines dreieinhalbjährigen Sohnes. „Mein Lebenspartner arbeitet in der Event-Branche. Jetzt ist aber dort nichts los, sodass er jetzt ebenfalls zu Hause ist“, so die Einwohnerin aus Platen.
Die Coronavirus-Pandemie beschäftigte sie vom ersten Moment an. „Ich arbeite in einem Beruf, wo man sozusagen an der vordersten Frontlinie steht. Ich kann zum Glück jetzt daheim bleiben, meine Kolleginnen jedoch nicht“, so Jill Mertens. Im deutschen Fernsehen sah sie eine Reportage über Leute, die für ihre Mitmenschen Masken nähen. „Das mache ich auch“, beschloss die begeisterte Näherin. Sie teilte ihre Idee auf Facebook mit. Sofort meldeten sich zwei weitere Frauen. Zusammen mit Josiane Kirsch und Elisabeth Semedo Moreira näht sie jetzt fleißig Gesichtsmasken für das Altersheim. „Mundschutzmasken dürfen wir ja nicht sagen, weil das etwas anders ist“, betont die Näherin.
Mit der Nähmaschine der Oma …
Jill Mertens stellt aber nicht nur Masken fürs Altersheim her. Auch die Gemeinde Préizerdaul trat an sie heran mit der Bitte, Masken für die Bevölkerung zu nähen. Auf diese Weise will man einem Engpass zuvorkommen, u.a. wenn eine allgemeine Maskenpflicht ausgerufen werden sollte. Auch hier bekam Jill Mertens rapide Hilfe, mit Jessica Scheffen und Fabienne Freylinger-Zigrand, die sich ebenfalls hinter die Nähmaschine klemmten. „Da ich sowieso im Augenblick keine Arbeit habe und zu Hause bin, hab ich beschlossen, die Nähmaschine meiner Oma auszuleihen und ebenfalls Masken anzufertigen“, so der Mann von Jill, Kevin Thiry. „Er hat das sehr schnell gelernt und kann das richtig gut“, erntet er dann auch das Lob seiner Allerliebsten. „Wir sind aber noch auf der Suche nach weiteren helfenden Händen. Jeder ist willkommen, bei dem Projekt mitzumachen“, so die junge Mutter.
An Stoff mangelt es im Augenblick nicht. „Da ich leidenschaftlich gerne nähe, hatte ich noch viel Reserve zu Hause. Nichtsdestotrotz habe ich auch die neue Bettwäsche, die sich noch in der Plastikverpackung befand, verarbeitet“, lacht Jill Mertens. Sie hat des Weiteren eine Kiste vor die Tür gestellt, wo Kunden die fertigen Masken abholen können. Man kann aber auch etwas reinlegen. So war die Familie überrascht, als vor einigen Tagen jemand ein Tischtuch von einer Länge von etwa 20 Metern dort deponiert hatte. Es kam auch schon vor, dass ein Nachbar ihr Gummibänder mitgebracht hat, um die Stoffmasken hinter den Ohren zu fixieren. „Danke. Ich freue mich über jedes Material, das ich bekomme“, so die „Aide socio-familiale“.
Surreale Situation
„Vor der Krise habe ich Kleider für das Baby genäht. Jetzt stelle ich Gesichtsmasken her. Es ist schon ein wenig surreal. Aber ich mache weiter, so lange wie notwendig. Wir wollen einen Beitrag in der Krisenzeit leisten“, so Jill Mertens. Inzwischen wurden von den sechs Nähern schon insgesamt 88 Masken hergestellt: 46 für das Altersheim und 42 für Privatleute. An Arbeit mangelt es nicht. Die Initiative „Betreutes Wohnen“ in Mertzig hat zum Beispiel 140 Masken geordert. „Im Augenblick kommen wir der Nachfrage noch nach. Die Herstellung einer Maske dauert ungefähr 15 Minuten“, so Jill Mertens. Vor dem Herausschneiden und Nähen des Gesichtsschutzes wird der Stoff gewaschen und gebügelt. „Unsere Masken sind zweilagig, man kann also noch ein Papiertaschentuch einlegen“, erläutert die Hobby-Schneiderin. Sie betont aber ebenfalls, dass das Stoffteil keine Garantie gegen eine Ansteckung mit Covid-19 darstellt. Es würde lediglich verhindern, dass der Träger sich andauernd im Gesicht berührt, und eine physische Barriere gegen die Tröpfchen darstellen, die beim Reden, Husten oder Niesen ausgeschieden werden. Die Masken sind waschbar und können sogar gekocht werden. Jill Mertens ist aber verwundert, was alles zwischen die beiden Lagen der Maske als zusätzlicher Schutz eingefügt wird. So habe sie von Fällen gehört, wo Kaffeefilter, mit Alkohol getränkte Tüchlein, mit Teebaumöl getränkte Stofffetzen oder sogar Staubsaugerbeutel als Zwischenlage benutzt wurden. Unverständlich findet die Mutter es auch, wie in Krisenzeiten die Leute über den Tisch gezogen werden. „Ich habe gesehen, dass im Internet Masken für mehr als 20 Euro verkauft werden. Das ist Wucher. Es stecken maximal 2 Euro Material drin und eine halbe Stunde Arbeit. Da sind zwischen drei und fünf Euro – ein korrekter Preis”.
Der Stoffschutz kann entweder bei den Näherinnen abgeholt werden oder er wird von Mitarbeitern der „Maison relais“ geliefert. „Die Masken kosten nichts, man kann aber eine kleine Spende machen“, so die Hersteller. Bis zum 3. April wurden so bereits über 400 Euro gesammelt. Das Geld geht aber nicht an die Näher, sondern soll für eine „pädagogische Aktivität“ der lokalen Schüler nach der Krise ausgegeben werden. „Die Kinder sind sicherlich froh, wenn sie draußen etwas gemeinsam unternehmen können“, betont die Initiatorin des Projektes. Die Gemeinde habe auf jeden Fall bereits angekündigt, sie auch bei diesem Vorhaben unterstützen zu wollen.
„Nur wenig Infos“
Jill Mertens hatte sich auch auf der Internetseite „govjobs“ angemeldet. Dort werden Freiwillige gesucht, die bei der Bewältigung der Gesundheitskrise helfen wollen. Unter anderem werden auch Hersteller von Gesichtsmasken rekrutiert. Leider habe man aber nur wenige Informationen erhalten, wie diese Zusammenarbeit aussehen soll, bedauert die junge Frau. Es wurde nur gesagt, man werde eine Kiste vor der Tür der Interessenten abstellen, wo man dann die fertigen Masken reintun solle. Material für deren Herstellung bekommen die Näherinnen keines. Das Paket wird dann von der Post abgeholt. Die Verteilung des Gesichtsschutzes übernehmen indes die Pfadfinder.
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