Parteipolitik / Kaputtes Vertrauensverhältnis: Wie die Piraten in der Chamber weiterarbeiten wollen
Experiment Fraktion gescheitert. Während Sven Clement seinem Ex-Kollegen Polidori Respekt zollt, will Marc Goergen in der Chamber von nun an für sich allein arbeiten.
Für die Piraten beginnt die Sommerpause mit einer Krisensitzung. Am Montagmorgen gab der Abgeordnete Ben Polidori überraschend seinen Austritt aus der Partei bekannt. Am Montagabend kam die Parteileitung zu einem Treffen zusammen, bei dem zeitweise auch Polidori anwesend war. Am Dienstagmorgen zollte Sven Clement seinem ehemaligen Parteigenossen im RTL-Interview Respekt, dass „er sich auch denen erklärt hat, mit denen er vorher nicht gesprochen hatte“. Eine Stunde lang stand Polidori den Mitgliedern Rede und Antwort. „Ben hat erklärt, dass er die meisten Probleme mit Sven hat, dass er das nicht mehr mit sich vereinbaren kann und deshalb die Partei verlässt“, sagt Marc Goergen, der zweite übrig gebliebene Piratenabgeordnete neben Clement, am Dienstag gegenüber dem Tageblatt. Dabei gehe es um inhaltliche Probleme: den Umgang mit der Causa „MALT“ und anderen Fällen. Sowohl die Partei als auch die Fraktion habe in der Vergangenheit Aufträge an Sven Clements Firma gegeben, so Goergen. „Da wurde zu lange darüber hinweggeschaut.“ Für Polidori war es der Grund zum Ausstieg.
Viele Piratenmitglieder zeigten sich am Montagabend enttäuscht darüber, dass Polidori bereits mit dem Gedanken spiele, einer neuen Partei beizutreten. Einige Mitglieder mit persönlichen Erfahrungen in anderen Parteien hätten ihn darauf hingewiesen, dass auch dort nicht alles sauber laufe, so Goergen – der Polidori einen Vorschlag unterbreitet: Die Piraten treiben bis zum Herbst ihre Statutenreform voran, dann solle der Abgeordnete aus dem Norden entscheiden, ob er nicht zur Partei zurückkehren möchte. „Es wäre nur fair, wenn er sich unser Angebot anhören würde, ehe er sich für eine andere Partei entscheidet“, sagt Goergen. Im Gespräch mit RTL gibt Clement an, er hätte sich gewünscht, dass Polidori sein Mandat zurückgebe. „Aber die Partei kann ihn nicht dazu zwingen.“
Goergen will in der Chamber getrennt arbeiten
Die Statutenreform nennt auch Clement als erste Aufgabe für seine Partei. „Wir müssen unsere Organisationsstruktur an die neuen Realitäten in der Partei anpassen.“ Bis zum Parteikongress im Herbst wolle man in allen vier Bezirken des Landes Reformvorschläge diskutieren. Wie es nach dem Abgang Polidoris und der dadurch bedingten finanziellen Schwächung mit der parlamentarischen Arbeit weitergehe, will Clement im RTL-Interview nicht beantworten. Gegenüber dem Tageblatt äußert sich sein Kollege Goergen indes konkreter: „Ich für meinen Teil werde jetzt vorantreiben, dass es in der Fraktion getrennte Konten und getrenntes Personal gibt.“ Die Piraten in der Chamber bleiben eine „sensibilité politique“, man arbeite aber nun wieder im „alten Rhythmus“, parallel nebeneinander, so Goergen – wie in der Zeit, bevor Polidori als dritter Abgeordneter ins Parlament einzog. „Man ist unter einem Logo, aber es ist nicht so, dass man ganz eng zusammenarbeitet. Dafür ist auch zu viel kaputtgegangen im Vertrauensverhältnis.“ Was die parlamentarischen Mitarbeiter angeht, so werde Goergen einen Mitarbeiter von Polidori übernehmen. Die übrigen müssten sich entscheiden, ob sie zu Clement wechseln oder mit Polidori gehen möchten.
Auch das Projekt „MALT“ beschäftigte die Piraten in ihrer Sitzung am Montagabend. Das Thema belaste die Partei und „jeden von uns“, sagt Goergen. Dass die zurückgeforderten Steuergelder zurückgezahlt werden müssen, sei Konsens. Nicht jedoch die Frage, wer sie bezahlen soll. „Ich vertrete noch immer die Meinung, dass die Leute, die damals unterschrieben haben und das Geld bekommen haben, es zurückzahlen sollen – und nicht die Leute, die heute in der Partei sind und die ihre Mitgliedsbeiträge zahlen“, sagt Goergen. Der interne Konflikt, er zehrt an den Nerven der Piraten.
Trotz allem sei Clement durch Polidoris Abgang nun in seiner Position gestärkt, so Goergen. „Wenn Ben in die Parteileitung gekommen wäre und er hätte gesagt: Entweder geht Sven oder ich – ich denke, Ben hätte eine Mehrheit gehabt, dass er bleibt und Sven geht.“ Polidori hat sich für einen anderen Weg entschieden. „Jetzt hat die Partei wenig Optionen“, sagt Goergen.
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