Editorial / Karikaturen ihrer selbst
Was als Trauerspiel begann, nimmt immer bedenklichere Züge an. Einen Monat ist es her, dass Léon Gloden mit einer seiner ersten Amtshandlungen als Innenminister und kurz vor Weihnachten das Bettelverbot durchwinkte. Luc Frieden hatte zuvor, als noch in Senningen am Koalitionsprogramm gefeilt wurde, der Armut den Kampf angesagt. Nicht, dass irgendjemand der neuen CSV-DP-Koalition das wirklich abgenommen hätte, aber es klang noch so schön nach „neie Luc“ und Alles-wird-gut. Bis Gloden allen klarmachte, dass mit dem Kampf gegen Armut offenbar die Bekämpfung der Armen gemeint war.
Gloden erntete für seinen Schritt viel Kritik. Zu Recht. Musiker Serge Tonnar brachte seinen Unmut über Glodens Politik mit einem Gedicht und einem KI-Bild zum Ausdruck. Wenig später wurden an Glodens Haus die Mauer zu seinem Grundstück mit dem Spruch „Nee zum Heescheverbued“ angemalt und die Reifen eines Autos der Familie zerstochen. Ein klarer Fall von üblem Vandalismus, in dem die Polizei seitdem ermittelt und der auf ganzer Linie zu verurteilen ist.
Gloden schob daraufhin Tonnar eine gewisse Mitschuld an der Tat zu. Das war ein Angriff auf die Meinungs- und Kunstfreiheit sowie die nächste Eskalationsstufe in dieser Causa und nicht zuletzt: gefundenes Fressen für den Karikaturisten Carlo Schneider, der das Geschehen in der „Revue“ ins rechte Bild rückte.
Der ADR-Abgeordnete Tom Weidig kommentierte auf Facebook daraufhin, Schneider verharmlose „politisch motivierte Einschüchterung“, er solle ihm sagen, wo er wohne, dann könne man auch mal bei ihm vorbeikommen, dann sehe er mal, wie „witzig“ es sei, bedroht zu werden*. Schneider reagierte adäquat auf diese unverhohlene Drohung Weidigs.
Gloden hat sich noch am Mittwochabend von Weidig distanziert und dessen Kommentar „inakzeptabel“ genannt. Einen Vorwurf muss sich der neue Innenminister trotzdem gefallen lassen. Und die ganze CSV sollte ihn sich zu Herzen nehmen. Mit seiner Reaktion auf Tonnar hat der Innenminister eine Grenze überschritten und so Luxemburgs Rechten das passende Terrain geboten, noch weiter vorzupreschen. Zwischen Glodens Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten und der Drohung gegen einen Karikaturisten ist so nur ein Monat vergangen. Verrohung im Rekordtempo. Letztendlich haben sich beide, Gloden wie Weidig, zu Karikaturen ihrer selbst gemacht.
Dass die ADR sich im Ton mäßigt, ist nicht zu erwarten, die Partei hat diese Art des Umgangs längst zu ihrem „Fonds de commerce“ erhoben. Von der christlich-sozialen Regierungs- und Premierpartei CSV muss man das aber erwarten können. In ihrer Verantwortung liegt es jetzt, dass Luxemburgs Debattenkultur nicht weiter verkommt – dieses Trauerspiel, an dessen Anfang das Bettelverbot steht, ist zum Testfall geworden.
* Anders als beim Spruch auf Glodens Mauer, der auch einen Luxemburgischfehler enthält, „Verbuet“ bekommt ein „t“ und kein „d“ am Ende, haben wir Weidigs Aussage übersetzt, weil sie schlicht zu viele Luxemburgischfehler enthält.
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Tonnar muss sich bewusst sein,dass heute Kleingeister die Straße bevölkern mit Niveau des „White Trash“(also Trump-Anhänger), haben und flugs zu Chaoten werden können. Benzin ins Feuer sagt man wohl. Und so einer scheint sich bei der ADR gefunden zu haben.
Wer sich über Andere lustig macht, ob Liedermacher oder Karikaturist, muss sich nicht wundern, wenn die öffentlich Verspotteten sich wehren und zurückschlagen.
Aber Josy mit der trottinette der Herrr Weidig selbst wurde doch nicht verspottet oder gar angegriffen.
„…weil sie schlicht zu viele Luxemburgischfehler enthält“… Köstlich!
Nein was wären wir alle wieder besser dran, wenn wir kein facebook, X, Insta und Co. hätten, alles Plattformen der Massenverblödung, welche scheinbar ansteckend ist….
@Emile Müller : Ja so ist es !
Grund fuer mich keine dieser Plattformen zu nutzen !
Luxemburgs ADR-Partei passt sich im Tonfall immer mehr ihrer deutschen Pendant-Partei AfD an.
Mir dem Resultat der letzten Parlamentswahlen in Luxemburg befindet sich das Land auf einem politisch rechten Kurs, zurzeit angeführt von einer rechts-konservativen Partei, der CSV, die in Luxemburg die Rolle der deutschen CDU/CSU ausfüllt … nämlich sich einer rechten Partei als Steigbügelhalter anzudienen, indem sie Grundsätze aus dem rechten ADR-Programm übernimmt, und teils auch deren Rhetorik.
Die mitregierende DP macht sich (bislang) noch nicht als Korrektiv bemerkbar. Zu wichtig sind ihr wohl die guten Regierungsposten für die eigenen Leute.
Die Medien täten allerdings gut daran, der ADR keine Plattform zu bieten für politische Statements, ergo die Partei und deren Vertreter zu ignorieren. Außer, die Partei und deren Politiker fallen mal wieder unangenehm bis kriminell auf. „Schaden vom Volke abwenden“ ist nicht bloß Pflicht verantwortungsbewusster Akteure in der Politik, sondern ebenfalls der Medien, die aufhören müssen, aus „Neutralitäts-Gründen“ einer Partei aus dem rechten Spektrum „Normalität“ zu verschaffen, indem sie sich als Megaphon mittels normaler (und manchmal auch unkritischer) Berichterstattung betätigen.
Anders formuliert: Der mediale Umgang mit der ADR muss sich ändern. Über die ADR soll nicht in dem Stil berichtet werden wie über andere Parteien. Der Unterschied zwischen den Parteien ist nämlich die Basis unserer Gesellschaft: Demokratie.
Die ADR darf sich dann gerne als Medienopfer gerieren. Soll sie. Die Aufgabe der Medien darf es dann sein, diese Mär zu widerlegen und die ADR bloßzustellen.
Die CSV ist sehr bemüht ihre beiden Buchstaben Christlich und Sozial endlich ablegen zu dürfen und nur noch als V wie Verlierer oder Versager aufzutreten. Sie haben mit der Bettlergeschichte ihren Minister im Alleingang die hohen Werte der Partei zerstören lassen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Mann soviel Einfluß hat, dass niemand ihm zu widersprechen wagt. Eine solche Partei sollte sich was schämen. Aber nein, jetzt gehen alle zur Beichte und ihre Seelen sind wieder rein und unschuldig. Wo leben wir eigentlich? Ein Jammerspiel mit Akteueren die wir noch selbst finanzieren müssen. Da baut sich Frust auf. Merde alors.