Editorial / Kaviar-Diplomatie – Sportevents in Aserbaidschan
Kommende Woche reist die luxemburgische Fußballnationalmannschaft zum WM-Qualifikationsspiel nach Aserbaidschan. Das Land im Kaukasus ist in den vergangenen Jahren so etwas wie das europäische Katar geworden. Genau wie der Wüstenstaat nutzt der autoritäre aserbaidschanische Diktator Ilham Alijew den Sport zu Propagandazwecken. Reichlich Geld wurde in den vergangenen Jahren in die Außendarstellung gepumpt. 2015 fand die pompöse Premiere der Europaspiele in der Hauptstadt Baku statt, seit sechs Jahren wird an gleicher Stelle der Große Preis von Aserbaidschan in der Formel 1 ausgetragen, 2019 fand das Endspiel der Europa League in der ehemaligen sowjetischen Teilrepublik statt und 2020 beherbergte Baku vier Spiele der EM 2020. Dazu gesellen sich noch etliche kleinere Europameisterschaften. Der Ölreichtum des Landes macht all diese öffentlichkeitswirksamen Events möglich.
Genau wie bei Katar scheren sich die Dachverbände, die diese Großveranstaltungen vergeben, herzlich wenig um Menschenrechte, Meinungsfreiheit oder Fremdenfeindlichkeit.
2019 trat der armenische Spitzenspieler Henrik Mkhitaryan (damals in Diensten von Arsenal) nicht zum Europa-League-Endspiel in Baku an, weil er sich nicht sicher fühlte. Das gleiche Szenario ereignete sich 2018, als der ehemalige Niederkorner Stürmer Aleksandre Karapetian aus demselben Grund nicht am Hinspiel gegen FK Gabala in Aserbaidschan teilnahm. Eine Situation, die unvorstellbar wäre in den anderen Mitgliedsverbänden der UEFA. Für den Kaukasus-Staat und seine Ölfelder scheint die Toleranzschwelle jedoch groß genug zu sein.
Im Amnesty-International-Bericht von 2020 heißt es: „Die (aserbaidschanischen) Behörden nutzten den Konflikt mit Armenien und die Corona-Pandemie als Vorwand, um noch härter gegen Kritiker_innen vorzugehen. Dutzende Oppositionelle und Aktivist_innen wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert. Die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit wurden angesichts wachsenden öffentlichen Unmuts weiter eingeschränkt … Es gab weiterhin zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen von Regierungskritiker_innen in Haft.“
Auch wenn die FLF-Auswahl am kommenden Donnerstag gegen die Zustände in Aserbaidschan protestieren würde – was sie nicht tun wird –, würde das im Grunde nichts ändern. Die Sportler sollten nicht die Entscheidung treffen müssen, in welchem Land sie antreten wollen und in welchem nicht. Dafür steht zu viel für sie auf dem Spiel. Immerhin geht es um ihre Zukunft als Profisportler.
Es sind die Dachverbände, die in der Pflicht stehen, endlich durchzugreifen und autoritäre Staaten aus ihrem Gastgeber-Portfolio zu streichen. Denn auch in Ländern, in denen die Menschenrechte respektiert werden, lässt sich sehr viel Geld verdienen – wenn auch etwas weniger.
Wie weit der Einfluss der aserbaidschanischen Regierung reicht, zeigte nicht zuletzt die als Kaviar-Diplomatie bekannt gewordene Affäre, in der viele EU-Politiker des Lobbyismus und der Korruption beschuldigt wurden. Damals wie heute ist der Sport auch (direkt oder indirekt) ein Teil dieser noch immer vorherrschenden Kaviar-Diplomatie. Mit dem Unterschied, dass dies die Entscheider in den großen Sportarten bisher nicht zu scheren scheint …
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Dass armenische sportler nicht problemlos nach azerbaidschan einreisen duerfen ist natuerlich nicht in ordnung.
Allerdings scheint es mir genauso befremdlich,dass ein land wie die usa das an allen ecken und enden der welt unruhe und kriege provoziert demnaechst wieder olympische spiele und eine fussball WM ausrichten wird,ohne dass man viel kritik hoert.
Hätten sie das Geld, würde Nordkorea schon längst WM und Olympia organisieren … und die ganze Welt begeistert hinreisen.
Do huet wuel een Arte gekuckt.
Was ist der Punkt des Autors? Qualifikationsspiel ist kein Sportevent, sondern ein Routinespiel, dass im Land der jeweiligen Mannschaft stattfinden soll. Soll das Heimatspiel nicht in Aserbaidschan stattfinden, weil es dort Probleme mit Menschenrechten gibt? Im Übrigen waren die armenischen Sportler oft in Baku bei den Sportevents dabei (z.B. auch bei den vom Autor erwähnten Europäischen Spielen). Dass ein Fußballer trotz aller Sicherheitsgarantien nicht einreist, liegt daran, dass er den Sport für seine Propagandazwecke instrumentalisieren will. Der Autor Dan Elvinger macht hier gerne mit.
Dem kann man nur zu 100% zustimmen. Jedoch fehlt es den Sportverbänden, die sich die Auftritte ‚ihrer‘ Sportler in AZE meistens auch noch fürstlich entlohnen lassen, an der nötigen Zivilcourage, dem Azerbaijan-Sport-Spuk ein Ende zu setzen. Und dass gerade die European Games dort stattgefunden haben, war ein einziger Hohn.
Da kann es wieder jemand nicht vertragen, dass Aserbaidschan die von Armenien besetzten Gebiete 2020 befreit hat. Darf nur Deutschland ihr Einfluss und Kontakte (durch „Entwicklungshilfe“, Beckenbauer u. a.) dazu nutzen, um WM nach Deutschland zu holen? Die beiden armenischen Fußballer (und Michitarjan ist einer, der die Besetzung des aserbaidschanischen Gebiets immer gut geheißen hat und dort übrigens ein Ferienhaus für sich bauen lassen) sind nur deshalb nach Aserbaidschan nicht gereist, damit Sie darüber schreiben können. Die ganze armenische Sportmannschaft und der armenische Schachspieler Aronyan sind aber problemlos nach Aserbaidschan gereist. Und passiert ist ihnen auch nichts. Fremdenfeindlichkeit? Aserbaidschan ist ein der tolerantesten Länder der Welt und ein Vielvölkerstaat. Fragen Sie Israelis, warum Israel zu Aserbaidschan gute Beziehungen hat. Weil Juden in Aserbaidschan nie verfolgt wurden! Da kann das „demokratische“ Europa nur träumen davon.