/ Kaviar, Kongo und Kolumbien: Diese Filme vom Max-Ophüls-Festival sollten Sie sich ansehen
1.350 Besucher allein zur Eröffnung des Festivals und rund 150 Filme, die letzte Woche beim Max-Ophüls- Festival insgesamt gezeigt wurden. „Wo das Kino lebt“ leuchtet als Schriftzug an der Wand des Kinosaals im Filmhaus, einem der Veranstaltungsorte. Er hat sich selbst mal wieder alle Ehre gemacht. Folgende Produktionen sind uns aufgefallen.
Kaviar (Wettbewerb Spielfilm)
Der Film versammelt alles, was die Klischeesammlung zu Russland hergibt: Auf ewige Attraktivität getrimmte Russinnen, ein in europäischen Augen ungehobelter, aber milliardenschwerer Oligarch, viel Wodka und das bevorzugte Exil russischer Migranten Wien. Igor will mitten in der City auf der Schwedenbrücke eine Villa bauen und ist dafür sogar bereit, den Donaukanal komplett zu sanieren. Regisseurin Elena Tikhonova lebt selbst als „Expat“ in Wien, ist Drehbuchautorin und DJane. Die Persiflage auf die Lebensart ihrer alten Heimat ist über weite Strecken eine witzige Groteske, die abgesehen von ein paar Längen kurz vor Schluss viel über das Lebensgefühl von Migranten erzählt: die Einsamkeit in der Fremde und das Bedürfnis nach Idealisierung der Heimat.
Joy (Wettbewerb Spielfilm)
Joy geht in Wien auf den Strich. Sie muss die Reisekosten von Afrika nach Europa, die ihre Zuhälterin „Madame“ aufgebracht hat, abarbeiten. Erst dann ist sie frei, so wie ihre anderen Leidensgenossinnen auch. Ein Visum wird die Nigerianerin nie bekommen, ein Leben in der Illegalität ist vorprogrammiert. Als die junge „Precious“ auftaucht, gerät das System aus Zuhälterei und Ausbeutung für kurze Zeit ins Wanken. Der Film wirft einen kritischen Blick auf die ausweglose Lage dieser Frauen und ein Familiensystem „zu Hause“, in dem Mädchen und Frauen zur Ware und Einnahmequelle für die Konsumwünsche der Daheimgebliebenen verkommen. Sie sind nur dann etwas wert, wenn sie Geld überweisen.
Der Geburtstag (Wettbewerb Spielfilm)
Nach der Geburtstagsparty für den siebenjährigen Lukas bemerken die getrennt lebenden Eltern, Mathias und Anna, dass ein Junge nicht abgeholt wurde. Mathias’ Suche nach der Mutter gerät zu einer eigenen Reise zu den Bedürfnissen seines Sohnes. Es folgt die Erkenntnis, dass er viel falsch gemacht hat und zu lange, zu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Der in nur 26 Drehtagen verfilmte Stoff präsentiert sich in Schwarz-Weiß-Optik. Das ist gewollt und schafft eine Dichte, von der andere Farbfilme nur träumen können. Untermalt von Jazzmusik à la Miles Davis zeigt er einen Mark Waschke „at its best“ in der Hauptrolle. Der Schauspieler ermittelt sonst im Tatort aus Berlin.
Thinking like a mountain (Wettbewerb Dokumentation)
Vorweg gesagt: Diese Dokumentation ist sehenswert. In den Bergen aufgewachsen hat sich Regisseur Alexander Hick beim Karibikurlaub gelangweilt. Auf der Suche nach Höherem ist er auf die Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien gestoßen. Das Bergmassiv ist das Rückzugsgebiet des indigenen Volkes der Arhuacos, für die das Kollektiv ihrer Gemeinschaft an erster Stelle steht. Sie leben nach dem Glauben, „den Berg“ beschützen zu müssen. Seit Jahrhunderten verteidigen sie die Natur gegen europäische Eroberer und deren Zivilisation. Bis vor kurzem war das relativ leicht. Das Bergmassiv war lange ein Rückzugsgebiet der FARC, die aber just während der Dreharbeiten ihre Waffen niederlegten. Niemand traute sich deswegen bislang so richtig dort hinein. Grandiose Landschaftsaufnahmen und ein politisches Thema, bei dem der Regisseur die nötige Distanz hält, damit es alle Dimensionen zeigen kann.
Congo Calling (Wettbewerb Dokumentarfilm)
Drei Entwicklungshelfer, deren afrikanische Partner vor Ort und ein Regime, dem die Menschen im Krisengebiet Goma schlichtweg egal sind, sind der Stoff von „Congo Calling“. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo herrscht Ausnahmezustand. Die europäischen Wurzeln der NGO-Mitarbeiter knallen unaufhörlich auf die afrikanische Lebenswirklichkeit. Täglicher Frust und das Gefühl, sich auf nichts verlassen zu können außer dem Elend, das allgegenwärtig ist, prägen den Alltag in dem von unterschiedlichen Rebellengruppen beherrschten Gebiet. Der Film zeigt nebenbei anschaulich das, was viele Seiten in dem Geflecht aus Hilfe und Abhängigkeiten immer wieder beklagen. Das Bild vieler Afrikaner auf Europa ist romantisch verklärt und hat mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Sehenswert.
Die Kandidaten
Der Film begleitet sechs rheinland-pfälzische Jungpolitiker beim Bundestagswahlkampf 2017. Alle wollen für ihre Partei in den Bundestag und sind auf Stimmenfang. Egal welches, jedes Dorffest ist eine gute Plattform, auf dem der Wein schmeckt und der Partei-Flyer an den Mann oder die Frau gebracht wird. Ob Haustür, Kirchweih, Grillfest oder Interviewtermin: „Nah bei de Leut“ wollen sie sein. Sind sie auch. Trotzdem schaffen es nicht alle ins Parlament. Der Film wirft ein Licht auf die Untiefen und Mühen des politischen Geschäftes, wenn man nicht Angela Merkel oder Xavier Bettel heißt. Er bleibt sympathisch fest verankert im Kleinen und irgendwie kennt man das doch von überall.
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