Grundschule / Kehlen: Niemand möchte mit dem Finger auf den Bürgermeister zeigen
Vor den Sommerferien stand die Grundschule in Kehlen durch mehrere positive Covid-Fälle im Fokus der Öffentlichkeit. Die Schule hatte sich damals dazu entschieden, auf völlige Transparenz zu setzen. Seit der „Rentrée“ hat sich das geändert. Der Bürgermeister, der gleichzeitig CSV-Generalsekretär ist, verkündet einen Burn-out und zieht sich zurück. Die Tageblatt-Anfrage, eine Reportage in der Schule machen zu dürfen, wird abgelehnt. Man solle Verständnis für die Situation zeigen. Was ist eigentlich in Kehlen passiert?
Am 2. Juli wurden drei Schüler der Kehlener Grundschule positiv auf Covid-19 getestet. Das hatte zur Folge, dass drei Klassen auf einmal in Quarantäne gesetzt wurden. Einen Tag später äußerte sich der damalige Bürgermeister Felix Eischen, der gleichzeitig CSV-Generalsekretär war, in einer Mitteilung über die Situation. Zudem hatte die Grundschule auf ihrer Webseite einen Ticker eingerichtet, der zeitnah über die Lage informierte. Das Vorgehen von Gemeinde, Schule und Bürgermeister wirkte sehr transparent und reaktiv. Oder, wie es Paul Bodson, Präsident des Schulkomitees, gegenüber Tageblatt formulierte: „Unser Bürgermeister hat, im Gegensatz zu anderen Gemeinden mit dem gleichen Problem, eine gute und transparente Öffentlichkeitsarbeit gemacht.“ Deshalb sei man im Sommer im Gespräch gewesen, sagt er. Hier kann man sich die Frage stellen, ob nicht gerade die transparente Öffentlichkeitsarbeit dazu gedacht war, um den ganzen Gesprächen und Gerüchten über Kehlen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Am 6. Juli wurde ein vierter positiver Covid-Fall in der Schule bekannt. Eine weitere Klasse muss in Quarantäne. Auch dies kann man im Ticker nachlesen. Drei Tage später, am 9. Juli, dürfen drei Klassen wieder zurück in die Schule. Eine bleibt in Quarantäne. Am 14. Juli dann die Meldung, dass sich keine Klasse mehr in Quarantäne befindet.
Unser Bürgermeister hat, im Gegensatz zu anderen Gemeinden mit dem gleichen Problem, eine gute und transparente Öffentlichkeitsarbeit gemachtPräsident des Schulkomitees Kehlen
Zum neuen Schuljahr findet man im Ticker nur noch einen Eintrag, der am 11. September gepostet wurde. Es ist eine Verlinkung zu Informationen für die „Rentrée“. Der Link funktioniert mittlerweile nicht mehr. Viele Covid-Fälle soll es im neuen Schuljahr in der Kehlener Grundschule nicht gegeben haben. Dies bestätigte das Bildungsministerium auf Tageblatt-Nachfrage. Eine andere, sichere, aber nicht offizielle Quelle bestätigt dem Tageblatt einen einzigen positiven Fall bei den Schülern zu Beginn des Schuljahres und einen Lehrer, der sich in Quarantäne begeben musste.
Tageblatt in Grundschule nicht willkommen
Wieso gibt es nun so wenige Fälle und im Sommer so viele? Wurden die sanitären Maßnahmen verstärkt? Und wie sieht es mit Eltern, Schülern und Lehrern aus? Machen die sich Sorgen? Das Tageblatt wollte sich die Schule anschauen, bekam aber keine Erlaubnis dazu. „Es freut mich, dass Sie sich für die Kehlener Schule interessieren. Ich bin hingegen nicht daran interessiert, unsere Schule zu dem Thema auf irgendeine Art und Weise, ob positiv oder negativ, in den Fokus zu stellen“, so Bodson gegenüber dem Tageblatt. Diese Antwort-Mail auf unsere Anfrage schickte der Präsident des Schulkomitees ebenfalls an die Regionaldirektion Mamer sowie an die Gemeinde Kehlen. Damit sollte klar sein, dass eine Reportage sowie weitere Anfragen unserer Zeitung nicht erwünscht sind.
Schulpräsident Bodson sagt: „Unsere Maßnahmen sind genau die gleichen wie im Sommer. Daran wurde nichts geändert.“ Vielleicht will das Elternkomitee mit dem Tageblatt sprechen? In einer Versammlung des Komitees sollte erörtert werden, ob man gewillt sei, öffentlich Stellung zu beziehen. Bis Redaktionsschluss haben wir kein Feedback erhalten.
Es freut mich, dass Sie sich für die Kehlener Schule interessieren. Ich bin hingegen nicht daran interessiert, unsere Schule zu dem Thema auf irgendeine Art und Weise, ob positiv oder negativ, in den Fokus zu stellen.Präsident des Schulkomitees Kehlen
Einerseits kann man sehr gut verstehen, dass es der Schule nicht recht ist, dass die Medien nun wieder darüber berichten, insbesondere weil es auch fast keine Covid-Fälle gibt. Andererseits hatte die Gemeinde Kehlen bis vor Kurzem einen Bürgermeister, der gleichzeitig auch CSV-Generalsekretär war und der bedingt durch seine Stellung sehr wohl im öffentlichen Fokus stand. Dass sich Felix Eischen nun wegen eines Burn-outs zurückgezogen hat, ist demnach von nationalem Interesse. Schulen unterstehen den Gemeinden, und Eischen war der Erste Bürger von Kielen. Einen Generalsekretär im Burn-out sollte man in Ruhe lassen, dennoch ist es die Pflicht der Medien, zu informieren, worüber sich viele Menschen Fragen stellen.
Unser Versuch, vor dem Schulgebäude mit Eltern zu sprechen, scheiterte. Denn vor der Schule sind keine Eltern. Viele Kinder wohnen in den umliegenden Dörfern und nehmen den Bus. Andere werden mit dem Auto abgeholt. Um größeres Chaos vor der Schule zu vermeiden, hat man sich dazu entschieden, den autofahrenden Eltern und Großeltern einen Parkplatz neben dem angrenzenden Fußballfeld, unweit der Schule, zur Verfügung zu stellen. Pfeile mit „Kiss & Go“-Aufklebern zeigen, wie man sich dorthin begibt. Von dort aus können die Kinder gute hundert Meter über das Schulgelände bis zu ihrem Gebäude laufen.
Eltern und Großeltern zurückhaltend bis abweisend
Die Eltern und Großeltern, die wir dort abfangen, sind eher zurückhaltend bis abweisend. Es wird schnell klar, dass die Presse hier nicht erwünscht ist. „Ich bin der Großvater und hole einfach nur die Kinder ab“, sagt ein Mann gegenüber dem Tageblatt und verschwindet mit seinen zwei Enkeln in seinem Wagen. Dennoch konnte unsere Zeitung aus gut informierten Quellen einige Fakten über die Grundschule in Erfahrung bringen.
Demnach sind die coronabedingten Regeln sowohl vor den Sommerferien als auch jetzt nach der „Rentrée“ streng. Die Umsetzung der Regelungen funktioniert sehr gut und sowohl Eltern als auch Lehrer scheinen sich insgesamt keine Sorgen zu machen, heißt es. Die Schüler würden die Maßnahmen respektieren und hätten diese verinnerlicht. „Ich finde, dass die Schule mit Überlegung und Verstand an die Sache herangegangen ist“, so eine Stimme. Für die Kinder seien die Maßnahmen keine Qual, aber auch kein Larifari. Vor den Sommerferien habe man sich allerdings die Frage gestellt, wieso ausgerechnet in Kehlen so viele Fälle waren.
Die Schule ist eigentlich ein Campus, auf dem sich eine Sporthalle, zwei Schulgebäude und etwas weiter entfernt das Fußballfeld samt „Buvette“ befinden. Die Pausen finden hier, wie in vielen anderen Schulen auch, versetzt satt. In Kehlen dürfen nur gleiche Jahrgänge zusammen in den Pausenhof. In einem der Schulgebäude des Campus haben die Klassen im Erdgeschoss jeweils einen Notausgang, der nun als Ein- und Ausgang benutzt wird. Die Klassen im Obergeschoss verwenden alle den Haupteingang. Dadurch hat sich aber die Zahl der Schüler, die diesen benutzen, halbiert. In jedem Stockwerk befinden sich vier Klassen. Und an jedem Ende gibt es Toiletten für Jungen und Mädchen. Diese Aufteilung wurde nun aufgehoben und stattdessen wurde jeder Klasse eine Toilette und ein Pissoir zugeteilt.
Wenn alles so gut läuft, wieso blocken denn sämtliche offiziellen Kanäle bei unseren Nachfragen ab? Vielleicht hat es mit Solidarität gegenüber dem Ex-Bürgermeister zu tun, so eine Stimme. Eischen stoße in seiner Gemeinde auf wenig Opposition. Der frühere Bürgermeister habe nichts falsch gemacht und man wolle vermeiden, ihm irgendein Fehlverhalten in die Schuhe zu schieben. Eischen habe sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zu seinem Schutz wolle man diskret bleiben. Niemand möchte am Ende als derjenige dastehen, der mit dem Finger auf den Bürgermeister gezeigt hat.
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
Ein CSV-Bürgermeister, der so viel für seine Gemeinde geleistet hat dass er ausgebrannt ist?
So gut ist es in dem Kaff aber nicht.
Wer viel Mist baut muss auch viel ausmisten. Da ist man schnell überfordert !
Liebes Tageblatt,
Es muss ja momentan nicht besonders viel zu berichten geben, wenn man aus guter Organisation und wohl überlegten Regeln versucht einen Skandalartikel zu schreiben. Als mir der Artikel vom 10./11. Oktober an diesem Morgen von einem Bekannten gezeigt wurde, musste ich mich doch sehr wundern. Ich las die Zeilen aufmerksam, da ich zwei Kinder habe, die die Schule in Kehlen besuchen. Natürlich bin auch ich in letzter Zeit sehr besorgt und vorsichtig, da die Zahlen der COVID-19 Infektionen in Luxemburg in letzter Zeit steigen. Die neue Aufmerksamkeit, die durch diesen Artikel auf die Schule gerichtet werden sollte, hat mich somit im ersten Moment beunruhigt. Wenn man die Zeilen jedoch zu Ende liest, wird einem schnell klar, dass es einfach nichts Negatives zu berichten gab und es dem Journalisten wohl einfach zu langweilig war, etwas Positives zu schreiben.
Die gut überlegte Organisation der zweiten “Rentrée” nach dem Lockdown in der Grundschule in Kehlen und auch das Homeschooling kann ich nur als vorbildlich beschreiben. In Kehlen wurden die Kinder, wie vorgeschrieben, für den 2. Schulstart vor den Sommerferien in A/B Gruppen eingeteilt. Außerdem bekamen sie Stoffbändchen und Kappen in den entsprechenden Farben ihrer Gruppe. Die Busse waren mit Schildern in den entsprechenden Farben gekennzeichnet und auch im Pausenhof wussten die Kinder, dank der guten Planung und Ausschilderung, immer wohin sie gehen mussten. In der “Spillschoul” standen in den ersten Tagen Beamte der Gemeindeverwaltung, die den Kindern, natürlich mit Maske und allen nötigen Sicherheitsvorkehrungen, geholfen haben, sich zurecht zu finden. In manchen Gebäuden der Schule haben die Klassenräume eigene Ein- und Ausgänge, sogar Toiletten, die nur für eine Klasse zugänglich sind. Die Pausen wurden versetzt, es gibt mehrere Spielplätze, die an die unterschiedlichen Klassen verteilt wurden und zum Teil direkt vom Klassenraum zugänglich sind.
Für den Schulstart im September wurden zusätzlich neue Regeln für die Eltern eingeführt. Nach dem 2. Schultag wurde den Eltern davon abgeraten, zu Schulzeiten, außer in Außnahmefällen, den Schulcampus zu betreten. Dazu wurde das im Artikel erwähnte “Kiss & Go” System nahe dem Fußballfeld eingeführt. Im Bus werden die Kinder der “Spillschoul” von den Kindern der Grundschule getrennt. Eine Aufsichtsperson kontrolliert, dass sich an die Maskenpflicht und den Abstand gehalten wird. Auch bei Ankunft im Schulhof wissen die Kinder, dank guter Information an die Eltern und durch Gespräche der Lehrer mit den Kindern, in welchem abgetrennten Bereich des Schulhof die Kinder auf ihre Lehrer/Innen warten müssen bis es gemeinsam in die Klasse geht, um sich dort die Hände zu waschen und dann mit dem Unterricht zu beginnen.
Ich weiss nicht, nach welchem Skandal der Journalist des Tageblatts in Kehlen gesucht hat, aber ich bin erleichtert, und nicht überrascht, dass er ihn wohl nicht finden konnte.
Diane Kayser-Frisch