Editorial / Kein Buddy mit dem Bully: Gute Nacht, USA – aufwachen, Europa!
Amerika hat gewählt, Europa hat sich verzockt. Donald Trump ist wieder da und trifft auf einen aufgescheuchten Hühnerstall, der sich Europäische Union nennt und in dem zudem einige der Hühner ohne Kopf und daher recht ziellos umherrennen. Aus luxemburgischer Perspektive wird das besonders deutlich. In keinem unserer Nachbarländer verfügt die Regierung über eine Mehrheit im Parlament. Emmanuel Macron ist geschwächt, Olaf Scholz muss sich Neuwahlen stellen und so ist es einer wie der ungarische Fürst Viktor Orban, der als Europas oberster Trump-Buddy mit Wodka auf den neuen US-Präsidenten anstieß und in Europa zurzeit recht unwidersprochen auftrumpfen kann.
Trump hat die Wahlen klar gewonnen und ist auf dem besten Weg, auch den Popular Vote für sich zu entscheiden. Zudem ist die Kontrolle über den Kongress für den MAGA-Mann in greifbare Nähe gerückt. Da wird nicht viel bleiben, was Trump bremsen könnte bei seinem angekündigten Umbau beziehungsweise Abbau der Institutionen der Vereinigten Staaten. Sein Team und seine Regierung wird er danach aussuchen, wer ihm am wenigsten Widerspruch gibt. Kurz vor den Wahlen war durchgesickert, dass Trump sich Generäle wünscht „wie bei Hitler“, also bloße Erfüllungsgehilfen, statt echter Berater. Und was der Herr sich wünscht, wird der Herr sich gönnen.
Jean-Claude Juncker, der Luxemburger, der Trump wohl am besten kennt und als EU-Kommissionspräsident seinerzeit mit dem US-Präsidenten verhandelte, gab nach der US-Wahl den Rat, Trump „ernst“ zu nehmen. Das Problem dabei wird eine von Trumps Haupteigenschaften bleiben: seine Unberechenbarkeit – Trump macht, was er will, wann er will, wie er will, und das ist beileibe keine Neuigkeit, sondern allseits jedem und jeder seit seiner ersten Amtszeit von 2016 bis 2020 bekannt, als das Motto lautete, dass Trump quasi per täglichen Tweet irgendwas irgendwo auf den Kopf stellte. Beim Vorhaben, Trump ernst zu nehmen, kommt allerdings ein weiterer wichtiger Faktor erschwerend dazu: Der Mann ist ein notorischer Lügner.
Trotzdem hat Juncker recht und es bleibt uns keine Wahl, wir müssen die Gefährlichen dieser Welt beim Wort nehmen, und zu denen wird sich Trump ab Januar hinzugesellen. Dass Trump erneut das mächtigste Amt der Welt besetzen wird, bedeutet nicht nur für die USA einen Einschnitt. Auch für die ganze Welt und für Europa stellt diese US-Wahl eine Zäsur dar. Die Demokratie wird einem erneuten Stresstest unterzogen. Im Oval Office einen Autokraten-Bewunderer mit einer Vorliebe für Schimpftiraden und der rüpelhaften Attitüde eines Schulhof-Bullys sitzen zu haben, ist nicht das, was man sich in diesen unsicheren Zeiten gewünscht hätte.
Beim Betrachten dessen, was Trump mit Amerika vorhat, kann einem angst und bange werden. Die millionenfachen Abschiebungen von Migranten will er durchziehen, koste es, was es wolle, hat er nach der Wahl bereits unterstrichen. Doch das wird Sache der Amerikanerinnen und Amerikaner sein. Für uns in Europa muss diese Wahl der letzte Schuss vor den Bug gewesen sein, endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Buddy mit dem Bully sein zu wollen, kann nicht das Ziel sein. Demnach: Gute Nacht, USA – aufwachen, Europa!
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