Editorial / Kein Geben, viel Nehmen: Luxemburg als Profiteur der Großregion?
Luxemburg wäre ohne seine Nachbarn schlecht dran. Das ist bekannt und geht auch deutlich aus der großen Analyse von Tageblatt-Journalist Julian Dörr über die wirtschaftlichen Realitäten und den europäischen Geist in der Großregion hervor. Weniger bekannt ist, wie schlecht seine Nachbarn wegen Luxemburg dran sind. Auch das geht deutlich aus der im Artikel erwähnten Studie hervor.
Für Luxemburg ist es deutlich einfacher, wegzusehen und das Prinzip Großregion immer nur dann aus der Kiste zu holen, wenn es der eigenen Marke oder dem politischen Image Einzelner wieder mal positiv dient. Dann fallen Stichworte wie Zusammenarbeit, offene Grenzen und europäische Offenheit, werden die Hände der Nachbarn mit einem breiten Lächeln geschüttelt und alle geben sich versöhnlich.
Denn immerhin ist Luxemburg der wirtschaftliche Motor der Großregion. Die negativen Effekte der Wechselbeziehung der Großregion sind, bis auf die vielen Staus, hierzulande kaum sichtbar. Und es besteht hierzulande kaum Interesse daran, wie es in den Regionen hinter den Grenzen ausschaut und wie es den Menschen dort geht.
Das bedeutet fürs Großherzogtum: Man muss endlich konkret über Geld sprechen. Allein die Kaufkraft der Grenzgänger und einzelne gemeinsame Projekte zur Verbesserung des Transports reichen nicht aus, um die Grenzregionen an dem tatsächlichen Reichtum Luxemburgs teilhaben zulassen und so gemeinsam zu wachsen.
Aus den Nachbarländern und insbesondere den Grenzregionen werden immer wieder Rufe nach einem „Steuerausgleich“ laut. Der Plan: Luxemburg solle jährlich mehrere Hundert Millionen Euro an die Grenzregionen entrichten – als Ausgleich für die Menge an Arbeitnehmern, die in Luxemburg arbeiten und deren Lohnsteuer demnach komplett dem Großherzogtum zufließt, während die Nachbarländer quasi leer ausgehen. Doch da stellen sich Luxemburg und seine Großregion-begeisterten Politiker taub.
Was dann wiederum dazu führt, dass wenn sich eine kleine Öffnung ergibt, den Geldhahn Luxemburg anzuzapfen, diese sofort ausgenutzt wird. Was man am Beispiel Deutschland mit der rückwirkenden Besteuerung bei deutschen Grenzgängern für Lohnzuschläge und Überstundenvergütung gerade deutlich erlebt.
Situationen wie diese und die sichtbare Verarmung der eigenen Regionen, während die Wohnungspreise unaufhörlich in die Höhe getrieben werden, sorgen für Frust. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die Bürger der Grenzregionen nicht so große Fans von Europa und der Großregion sind wie die Luxemburger Einwohner – und sie auch so wählen. Am Erstarken von nationalistischen und euroskeptischen Parteien in den Grenzregionen Luxemburgs trägt das Großherzogtum seine Mitschuld.
Das Bewusstsein, dass die Großregion und Europa nur dann wirklich nachhaltig wachsen, wenn es auf allen Ebenen ein Geben und Nehmen der beteiligten Länder ist, muss auch politisch gelebt werden. Nur auf den eigenen Profit zu achten, ist zu kurz gedacht.
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