/ (K)ein Herz für Hongkong: Das Gaming-Unternehmen Blizzard steckt in der Zwickmühle
Wegen seiner Sympathiebekundungen mit den Protestierenden in Hongkong hat das kalifornische Videospiele-Unternehmen Blizzard einen Profispieler gesperrt und sein Preisgeld eingezogen. Der Konzern erlebt gerade ein unvergleichliches PR-Debakel.
Wenn es um schlechte Publicity in der Videospiele-Branche geht, hat normalerweise Electronic Arts die Nase vorne. Der Konzern aus Kalifornien wurde mehrfach mit dem Titel „schlechtestes Unternehmen in Amerika“ ausgezeichnet und rangierte 2017 auf Platz 5 der meistgehassten Unternehmen der USA.
Derzeit erlebt jedoch der Wettbewerber Blizzard eine PR-Katastrophe, gegen die ihre Ankündigung, das neue „Diabolo“ nur als Mobil-Game zu veröffentlichen, wie eine gute Entscheidung aussieht. Neben „Diabolo“ veröffentlicht Blizzard bekannte Titel wie „World of Warcraft“ und „Starcraft“.
Was war passiert? Nach einem Turnierspiel in Taipeh am 6. Oktober hatte der „Heartstone“-Spieler Ng „Blitzchung“ Wai Chun aus Hongkong in einem Interview gerufen: „Befreit Hongkong. Revolution unserer Zeit.“ Während des Interviews trug Blitzchung eine Atemmaske und eine Schutzbrille, so wie sie die Demonstranten in Hongkong tragen. Das passte Blizzard überhaupt nicht. Der Konzern sperrte den Spieler für ein Jahr, zog sein Preisgeld ein und feuerte die beiden Moderatoren, die das Interview geführt hatten.
Bei „Heartstone“ handelt es sich um ein virtuelles Sammelkartenspiel. Die Spieler bauen sich aus den ihnen zur Verfügung stehenden Karten ein Deck und spielen damit gegeneinander. Das Spiel setzte mit Mikrotransaktionen 40 Millionen Dollar im Monat um und gehört damit zu den Milchkühen der Firma.
Redefreiheit und Regeln
Blizzard erklärt seine Entscheidung mit einer Regel für seine Wettbewerber, die sagt, dass Spieler nicht so handeln dürfen, dass die Firma öffentlich bloßgestellt wird, ein Teil oder eine Gruppe der Bevölkerung beleidigt oder dem Image der Firma sonst wie geschadet wird. Obwohl Blizzard die Redefreiheit hochhalte, müssten sich die Spieler den Regeln beugen, so der Konzern weiter.
Blizzards Reaktion führte bei Fans weltweit zu Protesten. Die Aktion wird allgemein als ein „Einknicken“ vor der kommunistischen Partei Chinas gewertet, gegen die die Proteste in Hongkong sich richten.
Blizzard reagierte auf die negative PR zuerst mit einer Verschlimmbesserung. Das Unternehmen verbietet nun Teilnehmern der „Heartstone Collegiate Championships“, eigene Kameras mitzubringen und Interviews zu geben. Erwartungsgemäß kam auch diese Entscheidung nicht sehr gut bei den Fans an. Später lockerte Blizzard die Strafe. Die Sperre beträgt jetzt nur noch ein halbes Jahr und Blitzchung darf bereits bezahlte Preisgelder behalten – laut der Gaming-Zeitschrift Gamestar handelt es sich um 14.500 Euro.
Kritik an Blizzard gab es auch aus der Politik. In einem offenen Brief forderten fünf Kongress-Mitglieder– darunter der Senator Marco Rubio (Rep.) und die Abgeordnete Alexandria Ortasio-Cortes (Dem.) – Blizzard-Chef Robert Kotick auf die Entscheidung zu überdenken. Die Sperre des Spielers sei bedenklich in einer Zeit, da Chinas Regierung versuche, Druck auf US-Unternehmen auszuüben, damit diese dabei helfen, die Redefreiheit einzuschränken. Die Entscheidung entspreche nicht den Werten des Unternehmens. Blizzard müsse nun entscheiden, ob es amerikanische Werte wie Rede- und Denkfreiheit fördere oder Beijings Forderungen nachgebe, um den Zugang zum chinesischen Markt nicht zu verlieren.
Viel Geld
Laut dem Marktforschungsunternehmen NewZoo gibt es weltweit 2,5 Milliarden Gamer. Zusammen geben sie 2019 geschätzt 152,1 Milliarden Dollar alleine für Spiele aus. Spitzenreiter sind die USA mit 36,9 Milliarden Dollar Marktanteil. Der chinesische Markt liegt mit 35,54 Milliarden Dollar auf Platz zwei. Damit überholen die USA in diesem Jahr die Volksrepublik. Der chinesische Markt hatte im letzten Jahr an Dynamik eingebüßt, nachdem die chinesische Regierung Lizenzen für neue Videospiele für neun Monate eingefroren und andere Maßnahmen ergriffen hatte, um gegen Videospielsucht vorzugehen. Das größte Videospiele-Unternehmen in der Volksrepublik ist Tencent. Das Unternehmen ist außerdem Minderheitsaktionär von Activision-Blizzard, dem Mutterkonzern von Blizzard Entertainment.
Das PR-Desaster bei Blizzard reiht sich ein in eine Liste US-amerikanischer Unternehmen, die zurückgerudert sind, nachdem sie mit den Protesten in Hongkong in Verbindung gebracht worden sind. Prominentes Beispiel ist die amerikanische Basketball-Liga NBA. Der Manager der Houston Rockets, Daryl Morey, hatte auf Twitter seine Sympathie mit den Protesten in Hongkong zum Ausdruck gebracht. Der Besitzer des Teams, Tilman Fertitta, schrieb unmittelbar danach auf Twitter, die Meinung Moreys sei nicht die Meinung des Teams. Das chinesische Staatsfernsehen stellte die Übertragung der Vorsaison-Spiele in der Volksrepublik ein.
Wichtigster Partner der NBA in China ist Tencent. Die NBA hatte mit Tencent einen fünfjährigen Vertrag im Wert von 1,5 Milliarden Dollar abgeschlossen, um die Spiele in China über das Internet zu streamen. Tencent hatte nach Moreys Tweet angekündigt, Spiele der Rockets sowie Vorsaison-Spiele nicht mehr zu zeigen. Laut Forbes hat Tencent in der Zwischenzeit wieder damit begonnen, einige Spiele zu zeigen.
Handelskrieg und Straßenschlachten
Hongkong ist eine ehemalige britische Kolonie. 1997 wurde die Staatshoheit an China zurückgegeben. Hongkong blieb jedoch weitgehend autonom und konnte seine freie Marktwirtschaft beibehalten. Hongkong und das chinesische Festland sind durch Grenzposten getrennt. Die Demonstranten in Hongkong wehren sich gegen ein neues Gesetz zur Rechtshilfe. Die Gegner dieses Gesetzes befürchten, dass Hongkong dadurch einen Teil seiner Autonomie verlieren würde. Bei den Demonstrationen kam es auch zu Straßenschlachten zwischen den Demonstranten und der Polizei.
Nach Einschätzung hoher Regierungsvertreter erfüllten die gewaltsamen Aktionen der Demonstranten alle Merkmale des Terrorismus. Die Behörden scheuten sich allerdings aus Angst vor den Folgen davor, die Demonstranten als Terroristen zu brandmarken. Das schreibt die Hongkonger Zeitung South China Morning Post unter Berufung auf Regierungsquellen.
China befindet sich gerade in einem „Handelskrieg“ mit den USA. Der amerikanische Präsident Donald Trump bezeichnete die Proteste als Aufstand und sagte, er würde sich nicht einmischen. Es sei eine Sache zwischen Hongkong und China, „weil Hongkong ein Teil von China ist“.
Die Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, zeigte sich besorgt über Gewalt bei einigen Demonstrationen. Versammlungsfreiheit müsste gewahrt bleiben, es sei aber inakzeptabel, dass Demonstranten maskiert seien und Gewalt provozierten. Sie forderte die Regierung in Hongkong auf, den Einsatz von Polizeigewalt gegen Demonstranten zu untersuchen. Der europäische Auswärtige Dienst sagte, das Recht der Demonstranten, sich friedlich zu versammeln und ihre Meinung zu äußern, müsse gewahrt bleiben.
Tencent auch in Luxemburg
Bei seiner Arbeitsreise im September nach China hatte der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna unter anderem das Unternehmen Tencent besucht. Laut Angaben der Regierung drehten sich die Gespräche um das FinTech-System der Gruppe. Tencent betreibt neben seinen anderen Aktivitäten auch den Instant-Messenger WeChat mit über einer Milliarde Nutzern. Die App kann auch als digitale Bezahlmethode verwendet werden und ist damit, laut Regierung, der „unangefochtene Marktführer bei mobilen Bezahlmethoden“.
Tencent hat nach Angaben des Firmenregisters seit 2017 eine Niederlassung in Luxemburg in der rue Eugène Ruppert: Tencent Mobility (Luxembourg) S. à r.l. Die luxemburgische Filiale ist eine Tochter der Tencent Holdings Limited auf den Kaiman-Inseln.
Demonstranten in Hongkong solidarisieren sich mit dem US-amerikanischen Basketball-Manager Daryl Morey, der sich zuvor mit ihnen solidarisiert hatte
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