Arbeitswelt / Kein Kollektivurlaub, dafür Sonntagsarbeit: Arbeitsminister Mischo nach Aussagen in der Kritik
In einem RTL-Interview gibt Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) Einblick in die Projekte, die ihm „besonders am Herzen“ liegen. Von OGBL und „déi Lénk“ gibt es umgehend Kritik an den Ideen des Ministers.
Drei Themen stehen ganz oben auf der „To-do-Liste“ des Arbeitsministers: das Kollektivvertragswesen, die Arbeitszeitorganisation und der Sozialdialog mit den Unternehmen. Das erklärte Georges Mischo (CSV) am Mittwoch in einem Interview mit RTL. Auf EU-Ebene stehe Luxemburg – was die Kollektiverträge angehe – „nicht so gut“ da, so der Arbeitsminister. Nur etwa 55 bis 60 Prozent der Unternehmen im Großherzogtum haben Kollektivverträge abgeschlossen, die Europäische Union fordere jedoch 80 Prozent. Deswegen arbeite Mischo daran, bis Ende des Jahres ein „Projet de loi“ zum Kollektivvertragswesen vorzulegen. Dazu stehe er im „Comité permanent pour le travail et l’emploi“ in engem Austausch mit den Sozialpartnern.
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen den großen und kleinen Unternehmen“, sagt Mischo gegenüber RTL. In größeren Unternehmen sei es einfacher, Kollektivverträge abzuschließen, weil es dort die Gewerkschaften gebe und mehr Personal, so der Minister. Gesetzlich gesehen gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen. Auch bei letzteren ist nach luxemburgischem Gesetz vorgesehen, dass nur national repräsentative Gewerkschaften als Verhandlungspartner mit den Unternehmen einen Kollektivvertrag aushandeln. Eben aus diesem Grund streben die Gewerkschaften sektorielle Verträge in Bereichen an, in denen es viele kleine Betriebe gibt.
Nora Back, Präsidentin des OBGL, kritisiert Mischos Vorstoß gegenüber dem Tageblatt. Die Regierung und die Arbeitgebervertreter seien unter Druck, mehr Kollektivverträge abzuschließen. „Ihr Trick, um da rauszukommen: Dann machen wir auch Kollektivverträge ohne Gewerkschaften.“ Das gehe nach luxemburgischem Gesetz nicht, so Back. „Sogar die OECD sagt: Tarifverträge müssen mit den Gewerkschaften verhandelt werden.“ Man könne als Unternehmer nicht einfach ohne die Gewerkschaften mit dem Personal verhandeln, so die OGBL-Präsidentin. „Das ist eine große Gefahr.“
Ein weiteres zentrales Thema aus dem Koalitionsvertrag von DP und CSV, das Mischo vorantreiben will, ist die Arbeitszeitorganisation. Dies beinhaltet unter anderem die Sonntagsarbeit. Gegenüber RTL kündigte der Minister nun an: „Die Sonntagsarbeit kommt.“ Nur die Richtung, die man einschlagen werde, sei noch unklar. Nach der Sommerpause soll das Projekt dem Regierungsrat vorliegen. „Ich rede hier immer von einer Modernisierung, nicht von einer Flexibilisierung“, sagt Mischo. Man müsse sich an die Gegebenheiten des Jahres 2024 anpassen: „Es gibt Leute, die einen langen Arbeitsweg haben und diese Leute legen diesen Weg lieber für acht, als für vier Arbeitsstunden zurück“. Die Verlängerung der Sonntagsarbeit sei auch eine Frage des Wohlbefindens von Arbeitnehmern und der „berühmten Work-Life-Balance“, so Mischo.
Kritik an der Sonntagsarbeit
Für diese Aussage gab es vor allem von der Linken heftige Kritik. Noch am Nachmittag reagierte „déi Lénk“ mit einer Pressemitteilung auf das Interview von Arbeitsminister Mischo (CSV). Die Ausweitung der Sonntagsarbeit mit dem Argument der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sei „entweder naiv oder extrem dreist“, schreiben „déi Lénk“. Denn: Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben für Arbeitnehmer, die am Sonntag arbeiten müssen, gebe es keines. Dass Arbeitnehmer, die von weit her kommen, dann weniger Zeit im Stau verlieren, sei ein unverschämtes Argument. „Die Menschen kommen von weit her, weil sie es sich nicht leisten können, in der Nähe ihrer Arbeit zu wohnen, weil sie schlecht bezahlt werden“, heißt es im Schreiben. Von ihnen werde verlangt, künftig nicht wie bisher die Hälfte, sondern den ganzen Sonntag der Arbeit zu opfern. Mischos Argument hingegen ist nicht neu. Es steht so wortwörtlich bereits im Koalitionsvertrag von CSV und DP.
Für „déi Lénk“ steckt hinter der Modernisierung der Arbeitszeit doch eine Flexibilisierung zuungunsten von Arbeitnehmern: „Eine Politik, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, besteht darin, die Menschen anständig zu bezahlen, und nicht darin, die Arbeitszeiten zu flexibilisieren, damit die Privilegierten auch am Sonntag dem Konsum frönen können“, sagt die Partei. Die Sonntagsarbeit betreffe vor allem Arbeitnehmer, die sich nur schwer wehren können. Nämlich die, die bereits jetzt mit extrem flexiblen Arbeitszeiten arbeiten, wie Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe, und dafür schlecht bezahlt werden. Mischo betont im RTL-Interview, es sei seine Aufgabe, für das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu sorgen. Die Arbeitsorganisation sei eine Balance. Da könne es „nicht komplett in die Richtung der Arbeitgeber und nicht komplett in die Richtung der Gewerkschaften“ gehen.
Das Arbeitsministerium wolle gemeinsam mit dem Familienministerium und dem Gesundheitsministerium „ein soziales Paket“ präsentieren: Der Mutterschaftsurlaub soll flexibler werden. Konkret gehe es darum, dass schwangere Frauen bis zu sechs der acht Urlaubswochen vor der Geburt auch nach der Geburt nehmen können. Das „avant-projet de loi“ soll noch vor den Allerheiligenferien im Regierungsrat diskutiert werden.
Aus für den Kollektivurlaub?
Relativ ausführlich widmet sich Mischo im RTL-Interview einem Punkt, der überhaupt nicht im Koalitionsvertrag von CSV und DP zu finden ist: dem Kollektivurlaub des Baugewerbes. „Ob das zeitgemäß ist, müsste man mal mit den Sozialpartnern diskutieren.“ Der Arbeitsminister fragt sich, ob man den dreiwöchigen Urlaub nicht anders gestalten könnte, und denkt an eine Verkürzung, eine Verschiebung oder andere Lösungen wie Ausnahmen für bestimmte Projekte.
Auch dafür gab es Kritik von „déi Lénk“: Die Überlegung bezüglich des kollektiven Urlaubs sei „fragwürdig“ und komme kurz nach den ersten sehr warmen Tagen mit Temperaturen bis zu 36 Grad. „Wenn es nicht tragisch wäre, müsste man fast darüber lachen, dass Georges Mischo sich im selben Atemzug bewusst wird, dass es seine Aufgabe als Arbeitsminister ist, gute Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen für die Arbeitnehmer zu gewährleisten“, heißt es in der Mitteilung der Partei. Auch im Bildungswesen oder im Justizsystem gebe es kollektive Urlaube, denn es sei „wichtig, sich auszuruhen, um sich zu erholen“ – bei intensiver körperlicher Arbeit umso mehr. „Leider kann man hier auch die Linie der Regierung Frieden-Bettel erkennen, denn die Arbeitgeber im Baugewerbe fordern schon lange die Abschaffung des Kollektivurlaubs“, schreibt die Partei.
Die schlechten Arbeitsbedingungen und harte körperliche Arbeit würden eine Pause während der heißen Sommerwochen fast unumgänglich machen. Der Arbeitsminister wolle den Arbeitern diese „letzte kleine Errungenschaft“ nun nehmen, so „déi Lénk“.
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