/ „Kein Kopfnickerverein“: Im Gespräch mit Chamber-Präsident Fernand Etgen
Bis 2018 war Fernand Etgen Landwirtschaftsminister. Heute ist er Präsident des Parlaments. Dem Tageblatt erklärt Etgen, wie wichtig ein respektvoller Umgang und der demokratische Streit in der Chamber sind.
Tageblatt: Haben Sie es im Parlament lieber ruhig oder mögen Sie nicht manchmal lieber ein wenig Action?
Fernand Etgen: Die Rolle des Kammerpräsidenten ist vielfältiger, als ich es mir vorgestellt habe. Sie beinhaltet nationale, europäische und internationale Aufgaben. Das wissen die Menschen oft nicht.
Mein kleiner Enkel hat das Bild im Kopf, wie sein Opa oben im Parlament sitzt und auf die Glocke haut. Viele Menschen haben dasselbe Bild im Kopf wie mein Enkel.
In der Chamber besteht meine Aufgabe darin, die Arbeiten zu leiten und dafür Sorge zu tragen, dass das Regelwerk der Chamber eingehalten wird. Dabei muss ich eine neutrale Sicht annehmen.
Im Moment sind sieben politische Parteien in der Kammer vertreten. Das macht es besonders interessant. Es ist ein Spagat zwischen kontroversen Diskussionen und dem Austausch von Argumenten einerseits und dem gegenseitigen Respekt der Abgeordneten und der Einhaltung der Regeln andererseits. Das Bestreben des Parlamentspräsidenten muss es sein, das Parlament unparteiisch zu leiten.
Sie sprachen von internationalen Aufgaben?
Ich repräsentiere die Chamber hierzulande und im Ausland. Ich präsidiere zum Beispiel die Luxemburger Delegation im „Conseil parlementaire interrégional“ (CPI).
Daneben vertrete ich die Chamber in der Konferenz der europäischen Parlamentspräsidenten und der Konferenz der Parlamentspräsidenten der kleinen Länder.
Die parlamentarische Diplomatie spielt eine immer größere Rolle. Es vergeht keine Woche, in der ich keine ausländische Botschafter empfange. Der Alltag beinhaltet auch viele Verwaltungsaufgaben. Ich war mein Leben lang Beamter und das kommt meinem Naturell ein wenig entgegen. Ich besuche regelmäßig Organisationen und Betriebe. Das entspricht meinem Wesen insofern, dass ich gerne mit Menschen in Kontakt bin.
Ist es immer einfach, unparteiisch zu sein? Sie sind immerhin Mitglied einer Partei.
Ich bin Mitglied einer Partei. Ich bin Mitglied der Mehrheit. Und ich bin Mitglied einer Fraktion. Das macht es nicht einfach. Schließlich geht es darum, dass die Regeln eingehalten werden. Die einzelnen politischen Strömungen müssen sich korrekt und respektvoll äußern können, um dem Pluralismus in der Gesellschaft gerecht zu werden.
Wir haben das Glück in Luxemburg, dass wir sieben politische Strömungen haben, was dem Pluralismus in der Gesellschaft gerecht wird. Wir haben keine extremen Strömungen à la AfD, Front national oder Salvini. Das kommt dadurch, dass sich die Pluralität der Gesellschaft in den politischen Diskussionen wiederfindet. Deshalb ist sie so wichtig.
Das luxemburgische Parlament hat eine ungewöhnliche Sitzordnung. Die Linken sitzen rechts. Die Liberalen sitzen links. Vom Pult aus schauen die Redner gerade auf die Regierungsbank. Wie kam das zustande?
Früher, als es noch größere Mehrheiten gab, war das anders. Damals saß die Mehrheit beim Pult. Die jetzige Raumaufteilung ist nach den Wahlen 2013 entstanden, als das Verhältnis von Mehrheit zu Opposition ungefähr halbe-halbe war. Als ehemaliges Regierungsmitglied muss ich sagen, dass es ein gutes Gefühl ist, von oben herab auf die Regierung zu blicken.
Wie ist das Verhältnis von Regierung und Parlament in Luxemburg? Ist das Parlament ein Instrument der Regierung? Sind beide auf Augenhöhe?
Das Parlament ist die erste Gewalt – die legislative Gewalt. Das Parlament ist alles andere als ein Kopfnickerverein.
Das kann man daran sehen, dass die Gesetze, wenn sie die Chamber verlassen, anders aussehen, als wenn sie vorgelegt werden.
Die Chamber hat auch eine Initiativ-Funktion. Die großen politischen Ausrichtungen sollen in der Chamber diskutiert werden. Gerade in der aktuellen Session gab es eine Reihe Konsultationsdebatten, in der letzten Woche eine Debatte zur Digitalisierung. In dieser Woche haben wir vor halb leerem Saal über den „Plan national de développement durable“ gesprochen.
Parlament kommt von „parler“. Die Chamber ist der Ort, wo der Austausch stattfindet. Die Regierung muss Rede und Antwort stehen und die großen Ausrichtungen müssen festgehalten werden. Und das ist der Fall.
Wir hatten eine Diskussion um die Datenbanken (der Polizei und Justiz, Anm. d. Red.). Alex Bodry hat in einer emotionalen Rede gesagt: „Wir sind das Parlament.“ Wir haben die Gesetze gemacht und wir müssen die Initiative ergreifen, um Änderungen vorzunehmen. Genau das wird passieren.
Im luxemburgischen Parlament wird allerdings sehr viel hinter den Kulissen gearbeitet – in den Kommissionen – und weniger in den öffentlichen Sitzungen.
Man kann dem Parlament den Vorwurf machen, dass alles gelaufen ist, wenn die Gesetze ins Plenum kommen. Manchmal ist das schon eine Inszenierung. Das sollte es nicht sein. Es soll ein Austausch von Argumenten bleiben. Der offene Dialog muss stattfinden können.
Welche Mittel hat eine Opposition im Parlament, um ihre Aufgabe zu erfüllen?
Die Abgeordneten haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten, ihre Aufgaben (das Kontrollrecht und das Initiativrecht) wahrzunehmen. Sie können selbst einen Gesetzesvorschlag machen. Sie können parlamentarische Anfragen stellen und damit die Regierung sowohl kontrollieren wie auch Anregungen machen. Ferner können sie „questions élargies“ stellen und Anträge oder Resolutionen einreichen. Sie können eine Aktualitätsstunde anfragen, was auch oft passiert. Gewisse Themen würden im Parlament sonst nicht diskutiert werden.
Die Regierung muss immer wieder Stellung nehmen: bei den parlamentarischen Anfragen, bei den Anträgen, bei den Aktualitätsstunden, bei den erweiterten Fragen.
Es gibt genug Mittel, mit denen auch Oppositionspolitiker zum Beispiel die Anliegen, die Bürger an sie herantragen, ins Parlament hineintragen können.
Einige Minister wurden kritisiert, sie würden nicht mit der gebotenen Höflichkeit und Sorgfalt auf parlamentarische Anfragen antworten. Was sagen Sie dazu?
Ich stelle fest, dass das Spektrum der Fragen immer breiter wird. Es ist für einen Minister oft schwer, darauf zu antworten.
Mir ist aber sehr viel daran gelegen, dass die Regierung den Abgeordneten eine saubere Antwort gibt. Das Thema kommt immer wieder auf. Es ist wichtig, dass alle Fragen beantwortet werden. Wenn eine Frage nicht beantwortet wird, hat der Abgeordnete das Recht, seine Frage zu wiederholen.
Die parlamentarische Anfrage ist ein wichtiges Instrument. Sie ist eine Säule des demokratischen Rechtsstaates, mit ihr können der Premier und die Minister kontrolliert werden.
Sie waren in der Regierung und im Parlament. Was gefällt Ihnen besser?
Beide Seiten sind schön. Ich bin glücklich, dass ich die Chance hatte, auf beiden Seiten aktiv zu sein.
Ich bin 2007 aus der Gemeindepolitik ins Parlament gewechselt. Das war für mich eine sehr große Ehre und ich hatte damals schon viel Respekt vor der Chamber. In meinen Jahren als Minister habe ich diesen Respekt vorm Parlament nie verloren.
Minister zu sein, ist eine besondere Erfahrung – insbesondere Landwirtschaftsminister. Der Beruf des Bauers ist eine Passion. Landwirtschaftsminister zu sein, war für mich auch eine Passion. Ich hatte ein Aufgabenfeld, das mir am Herzen lag.
Jetzt ist es eine große Ehre, Präsident zu sein. Es ist ein sehr prestigeträchtiger Posten.
Schauen Sie sich an, was andere Parlamentspräsidenten machen? Und schauen Sie sich manchmal das englische Parlament an?
Selbstverständlich. Die europäischen Parlamentspräsidenten sprechen untereinander. Das ist eine kleine eigene Welt, wie die der europäischen Landwirtschaftsminister auch.
Wenn sich Parlamentspräsidenten treffen, dann sprechen sie darüber, wie man die europä ische Demokratie besser beleben und erleben kann. Zum Beispiel wie man vorgehen kann, damit sich die Demokratie entwickelt. Die Themen sind in den verschiedenen Ländern die gleichen. Zum Beispiel der Einfluss der Medien auf die Politik.
Das britische Parlament sollten wir uns nicht zur Inspiration nehmen. In unserem Parlament sollte es zivilisiert zugehen und jeder soll seinen Platz haben, was im britischen Unterhaus nicht der Fall ist. Oder im italienischen Parlament, in dem es oft seltsam hergeht und Sitzungen in der Regel bis nachts um 22.00 oder 23.00 Uhr dauern.
Auch wenn ich kein Italienisch verstehe, schaue ich mir diese Sendungen an. Dann sehe ich, welche Disziplinlosigkeit dort herrscht und wie wichtig es ist, dass es einen demokratischen Streit gibt. Um einen Kompromiss zu finden, brauchen wir einen demokratischen Streit. Es muss aber ein Streit nach Regeln sein.
Es sind genau diese Themen, die Parlamentspräsidenten untereinander besprechen.
Was die Menschen alles nicht wissen,
für wie dumm hält dieser Typ uns Wähler,
der weis anscheinend nicht mehr wo er herstammt.
Hat so wie viele andere seine Geburtsurkunde verloren.
Leider haben viele unserer Volksvertreter abgehoben und scheinbar ihren Geburtsschein verloren. Sie suchen den Kontakt zum Volk nicht mehr, dessen Interesse sie eigentlich vertreten sollten und dem sie verpflichtet sind. Da ist kein Kopfnicken sondern reden und handeln angesagt. Nicht mehr und nicht weniger!
Bei den Diäten, ist Kopfnicken auch nicht angesagt!