„Enseignement général“ / Kein Sitzenbleiben, trotz „Datzen“ – Lehrer erklärt, wie das geht
In allen Fächern „eng Datz“, also eine ungenügende Note, und trotzdem weiterkommen? Ja, das ist seit der Reform von 2017 in den unteren Klassen des „Enseignement secondaire général“ möglich. Ein Lehrer erläutert im Tageblatt-Gespräch, wie das genau funktioniert und wieso das zum Nachteil für die Schüler werden kann. Aber nicht alles an der Reform sei verwerflich, sagt er. Ein Bericht.
Im Schuljahr 2017/2018 kam die neue Reform in den unteren Klassen des „Enseignemant secondaire général“ erstmals zum Einsatz. Seitdem können die Schüler auf 7eG und 6eG de facto nicht mehr sitzenbleiben. Im „Classique“ gilt das allerdings nicht und auch nicht ab der 4e „générale“, wo das Prinzip von vor der Reform weiterhin gültig ist. Ein Englischlehrer, der unter anderem im „Enseignement général“ unterrichtet, erklärt es gegenüber Tageblatt so: „Auf 7eG und 6eG können die Schüler in jedem einzelnen Fach eine ungenügende Note haben. In diesem Fall haben sie ihr Jahr zwar nicht bestanden – diese Möglichkeit gibt es sozusagen nicht mehr –, sondern auf ihrem Zeugnis steht dann ‚l’élève avance en 6eG‘.“ Vor der Reform hätte bei guten Noten explizit folgender Satz im Zeugnis gestanden: „L’élève réussit l’année de 7e.“ „Nun gibt es also kein ‚bestehen‘ oder ‚durchfallen‘ mehr, sondern nur noch ein ‚avancer‘“, sagt der Lehrer. „Auch mit nur ‚Datzen‘ kommt man weiter.“
Selbstverständlich wird eine Bilanz zur Reform gezogen. Die Arbeiten dazu sind schon angelaufen und erfolgen in Zusammenarbeit mit den Direktionen der Lyzeen. Auch die Gewerkschaften werden für diese Bilanz hinzugezogen.
Am Montag hatte sich die „Fédération des universitaires au service de l’Etat“ (Féduse/Enseignement CGFP) wegen dieser Problematik in einem offenen Brief an Bildungsminister Claude Meisch (DP) gewendet und sofortiges Handeln gefordert. Das Problem habe bereits vor Corona existiert und habe sich nun durch die Pandemie weiter zugespitzt, so die Gewerkschaft. Laut Féduse/CGFP sei es für Claude Meisch jetzt noch zu früh, um eine tiefgreifende Auswertung über den Einfluss der Reform zu machen. Auf die Tageblatt-Nachfrage, ob nun Verbesserungen in Bezug auf diese Problematik angedacht sind, antwortet das Bildungsministerium: „Selbstverständlich wird eine Bilanz zur Reform gezogen. Die Arbeiten dazu sind schon angelaufen und erfolgen in Zusammenarbeit mit den Direktionen der Lyzeen. Auch die Gewerkschaften werden für diese Bilanz hinzugezogen. Notwendige Anpassungen werden vorgenommen, aber das Prinzip der Reform wird nicht infrage gestellt. Das Ziel, die jungen Leute nicht schon in den ersten Jahren durch punktuelle Schwächen zu verlieren, bleibt bestehen. Die Jugendlichen sollen so gut wie möglich gefördert werden, um ihnen den Zugang auf jene Ausbildungen zu ermöglichen, die ihrem Profil entsprechen.“
Zur Reform von 2017 gehört im Zusammenspiel mit den Promotionskriterien auch die Einteilung in Basiskurs („Cours de base“ – CB) und Leistungskurs („Cours avancés“ – CA). Das Gesetz besagt, dass die Schüler am Ende der 7eG sowohl durch ihre Resultate als auch aufgrund der Entscheidungen des Klassenrats in die jeweiligen Leistungsstufen eingeteilt werden. Wenn ein Schüler auf einem „niveau fort“ (ab 40/60) ist, dann wird er auf 6eG in diesem Fach in den Leistungskurs (CA) gesetzt, wenn er einem „niveau suffisant“ (30 bis 35/60) oder „insuffisant“ (unter 30/60) ist, dann wird er dem Basiskurs (CB) zugeordnet. Zwischen diesen Stufen gibt es Grauzonen (26 bis 29/60 sowie 36-39/60), die sogenannten „couloirs“. Liegt eine Note in einer solchen Grauzone, obliegt es dem Klassenrat, die Schüler nach oben (CA) oder unten (CB) zu orientieren. Ein weiteres Problem bei der Reform sei, dass das System viel zu kompliziert sei. Der Lehrer habe schon ein paar Mal im Gespräch mit Eltern versucht, diese Mechanismen zu erklären. „Nur die Lehrer verstehen es.“
Wir haben jedes Jahr zehn bis 15 Schüler pro 5e-Klasse, die sitzenbleiben. Nur damit sie auf 4e Zugang zum ‚général‘ bekommen.
Was sagt das Bildungsministerium dazu, dass die Schüler trotz schwacher und vieler ungenügender Noten einfach bis zur 5eG durchrutschen, um dann dort nicht mehr weiterzukommen? Die Bevölkerung im „général“ sei heterogener als jene im „classique“. Langjährige Erfahrungen vor der Reform hätten gezeigt, dass die Organisation der unteren Klassen damals nicht flexibel genug war, um den unterschiedlichen Profilen der Schüler Rechnung zu tragen. „Hatte ein Schüler die eine oder andere Schwäche, wurde er nach unten orientiert […] und hatte dann keine Möglichkeit mehr, die Fächer, in denen er gut war, auf dem höheren Niveau weiter zu belegen.“ Die Reform habe deshalb das Ziel verfolgt, es den Schülern anhand der Basis- und Leistungskurse auf 6e und 5e zu ermöglichen, in jenen Fächern besser unterstützt zu werden, in denen sie Hilfe brauchen und in den anderen fortzuschreiten, in denen sie Talente zeigen, so das Bildungsministerium.
Berufsausbildung mit negativer Konnotation
Schüler, die trotz schlechter Noten bis zur 5e durchrutschen, haben dort keine andere Wahl mehr, als in eine Berufsausbildung einzusteigen. Diese Sektion werde dadurch negativ konnotiert, weil sie das ist, was nach dem Scheitern übrigbleibt, sagt der Lehrer. „Wer nicht genug Leistungskurse hat, geht in die Berufsausbildung.“ Statt den Schülern ab 7e die Gelegenheit zu geben, etwas wiederholen zu können, werden sie einfach weitergereicht, moniert der Lehrer. „Wir haben jedes Jahr zehn bis 15 Schüler pro 5e-Klasse, die sitzenbleiben. Nur damit sie auf 4e Zugang zum ‚général‘ bekommen“, sagt er.
Auf die Frage, ob die Berufsausbildung durch dieses System nicht zu Unrecht diskreditiert wird und ob das Ganze überhaupt im Sinne der „Formation professionnelle“ ist, antwortet das Bildungsministerium Folgendes: „Die Berufsausbildung bietet die Wahl zwischen 130 verschiedenen Ausbildungen auf verschiedenen Niveaus (CCP, DAP und DT) und in unterschiedlichen Bereichen an. Die Orientierung basiert auf den Fähigkeiten der jungen Menschen, die über drei Jahre an den unteren Klassen festgestellt wurden. Der Zugang für die unterschiedlichen Ausbildungen ist klar geregelt (je nach Niveau in jenen Fächern, die wichtig für die jeweilige Ausbildung sind). Innerhalb der Berufsausbildung ist es möglich, Zugang zu einem höheren Diplom zu bekommen (Stufenmodell), und nach dem Abschluss des Technikerdiploms kann man mit dem Zeugnis der ‚Modules préparatoires‘ weiter studieren.“
Die Reform habe laut dem Englischlehrer das Nacharbeiten quasi abgeschafft. Davor habe man bei schlechten Noten über den Sommer einen „travail de révision“ bekommen, der bewertet wurde. Diese Aufarbeitung, die der Lehrer als eine Art Wertschätzung betrachtet, sei nun optional. Der Klassenrat kann dies anordnen und ein Schüler kann das verwerfen, ohne Konsequenzen. „Das sind Sachen, die den Schülern schaden“, sagt er.
Das Bildungsministerium sagt auf Tageblatt-Nachfrage, dass diese Nacharbeit nicht optional sei und zitiert aus dem Gesetzestext: „Le conseil de classe peut imposer un appui, conformément aux dispositions de l’article 14 de la loi modifiée du 25 juin 2004 portant organisation des lycées a) dans les classes inférieures […] chaque fois que, pour un cours de base, la note au bulletin dans le volet ‚langues et mathématiques‘ est inférieure à 30 points ou, pour un cours avancé, inférieure à 20 points; b) dans les classes inférieures […], chaque fois que la note au bulletin dans les autres volets est inférieure à 30 points.“ Der Klassenrat kann demnach eine solche Arbeit fordern, muss aber nicht. Demnach ist es also doch optional. Weiter schreibt das Bildungsministerium: „Darüber hinaus wird über die drei Jahre der unteren Klassen im ‚Enseignement général‘ ein kontinuierlicher Prozess der Orientierung und Nachverfolgung gemacht, bei dem der Schüler informiert wird, welche Ausbildungen ihm in Bezug auf seine Fähigkeiten aufstehen werden bzw. welche Anstrengungen er machen muss, um Zugang auf diese Ausbildungen zu bekommen, die er anstrebt.“
Nicht alles an der Reform ist schlecht
Laut dem Englischlehrer sei es schwierig, den Schülern begreifbar zu machen, dass verschiedene Richtungen für sie wahrscheinlich mit ihren Resultaten nicht möglich sein werden. Der Lehrer nennt ein Beispiel: „Schüler A, der auf 7e sechs oder sieben ‚Datzen‘ auf seinem Zeugnis hatte, sitzt nun mit all seinen Freunden zusammen auf der 6e. Sein Freund, Schüler B, der neben ihm sitzt und in drei Leistungskurse eingeschrieben ist, möchte Ingenieur werden. Schüler A sagt, das möchte ich auch. Aber dann muss man ihm sagen, dass das für ihn nicht geht. Dieser stellt sich dann die Frage, wieso das bei ihm nicht geht und bei dem anderen schon.“
Ich habe auf meiner 4eG wirklich gemerkt, wie die Schüler davon profitieren, wenn sie in einen Leistungskurs gesetzt werden. Wir haben Noten auf der 4eG, wie wir sie noch nicht gesehen haben.
Ganz verwerfen möchte der Lehrer das neue System aber nicht. Nur den Teil mit den Promotionskriterien. Die Einführung von Basis- und Leistungskurse sei eine sehr gute Sache, sagt er. „Ich habe auf meiner 4eG wirklich gemerkt, wie die Schüler davon profitieren, wenn sie in einen Leistungskurs gesetzt werden. Wir haben Noten auf der 4eG, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Das sind richtig starke Schüler.“ Und auch die Schüler, die im Basiskurs waren, konnten auf ihrem Niveau so arbeiten, wie sie es gebraucht haben.
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Mat Setzenbkleiwen haet den Jugendlechen eng Chance fir seng Lackuennen obzefoellen !
Net Setzenbleiwen haalen d’Lackuennen bis an d’Pensio’un !
So sinkt das Niveau in unseren Schulen immer weiter, bis das Abschlussdiplom keinen Wert meht hat. Vor vielen Jahren, lang ist’s her, hatte unser Abitur einen hohen Stellenwert und die Absolventen wurden problemlos an allen ausländischen Hochschulen aufgenommen.