Editorial / Kein Tabuthema mehr: Schwangerschaft und Profisport
Es waren Bilder, die eigentlich längst schon Normalität sein sollten, es aber noch immer nicht sind: Als die französische Ausnahme-Judoka Clarisse Agbegnenou bei der Weltmeisterschaft in Doha in der letzten Woche auf die Siegerehrung wartete – sie holte immerhin ihren inzwischen sechsten WM-Titel –, saß ihre knapp elf Monate alte Tochter in der Wartezone wie selbstverständlich auf ihrem Schoß. Dass sich die 30-jährige Französin so schnell nach ihrer Schwangerschaft wieder im Profisport zurückmeldete, ist leider auch heute noch immer alles andere als normal. Dass sie bei einer WM gleich wieder Gold gewinnen konnte, noch weniger. Dabei war ihr Kind zu (fast) jedem Zeitpunkt in Doha an ihrer Seite, von den Kabinen bis hin zur Aufwärmzone, denn – auch das ist im Profisport immer noch ein Tabuthema – die Judoka stillt ihre Tochter noch. Umso bemerkenswerter dann dieser Leistungsabruf während des Wettkampfs. Ein Beweis dafür, dass mit dem richtigen Umfeld und der nötigen Unterstützung auch junge Mütter auf absolutem Weltlevel konkurrenzfähig sein können.
Dass eine Schwangerschaft bei Profisportlerinnen aber in vielen Fällen noch immer kritsch gesehen wird, bei Vereinsverantwortlichen sogar auf ordentlich Gegenwind stößt, zeigt ein rezenter Fall aus der nordamerikanischen Frauenbasketballliga WNBA. Mit Becky Hammon wurde die Trainerin des amtierenden Meisters Las Vegas Aces zu einer Sperre verurteilt und der Verein ebenfalls bestraft, weil man eine schwangere Spielerin diskriminiert haben soll. Dearica Hamby wurde kurz nach ihrer Vertragsverlängerung bei den Aces Richtung Los Angeles getradet – dies ist ein Wechsel, der nach Absprache zwischen zwei Vereinen erfolgt und bei dem die Spielerin selbst kein Mitspracherecht hat. Eine gängige Praxis im US-amerikanischen Sport, doch laut Hamby erfolgte ihr Trade mit der Begründung, dass sie ihre Schwangerschaft bei der Vertragsverlängerung verschwiegen habe. Ein Fall, der in der EU durch das Arbeitsrecht geregelt wäre. Doch auch hier hatte die Causa der Fußballerin Gunnarsdottir Anfang des Jahres für Schlagzeilen gesorgt, da ihr Verein Lyon der schwangeren Spielerin die Auszahlung des vollen Gehaltes verweigert hatte.
Kein Wunder, dass sich viele Sportlerinnen noch immer entscheiden, ihre Karriere mit der Geburt des ersten Kindes zu beenden, auch wenn es inzwischen viele positive Beispiele wie eben den von Agbegnenou gibt. Je unbekannter jedoch die Sportlerin und ihre Sportart sind, desto schwieriger wird auch der Weg zurück und umso wahrscheinlicher ist dann das Karriereende. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist für viele Frauen ohnehin schon eine wohlüberlegte, für Sportlerinnen noch um einiges mehr. Umso wichtiger wird es in Zukunft sein, dass diese noch mehr Unterstützung von ihren Vereinen und Verbänden erhalten. Denn dass sie durchaus bereits sind, viel für ihr Comeback zu investieren, das zeigt die französische Judoka, die in Doha auch die eine oder andere unruhige Nacht aufgrund des Nachwuchses erlebte.
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