Stolzemburg / Keine 1.100 Grad: Glockenguss im letzten Moment gescheitert
Der idyllische kleine Ort Stolzemburg gab am Sonntagabend die Kulisse für ein nicht alltägliches Event ab. Auf einer Wiese nahe dem Grenzfluss Our waren Spezialisten zwei Monate lang mit den Vorbereitungen für den Guss einer Glocke beschäftigt. Das Ganze geschah nach einer Anleitung des Benediktinermönchs Theophilus Presbyter aus dem 12. Jahrhundert. Ein Unterfangen, das viele Interessierte in seinen Bann zog – und nun um einige Tage verlängert werden musste.
Der in der luxemburgisch-deutschen Grenzregion liegende Ort Stolzemburg ist nicht nur wegen seiner Pflanzenbörse bekannt, die jedes Jahre Mitte September tausende Besucher aus nah und fern anlockt, oder etwa wegen seiner unmittelbaren Nähe zum Touristenort Vianden, sondern auch wegen seiner ehemaligen Kupferminen, von denen ein Teil heute noch besichtigt werden kann (Infos unter www.stolzemburg.lu oder Tel.: 26 95 05 66).
In diesen Minen wurde über 500 Jahre lang Kupfer abgebaut. Wegen der Nähe zum Grenzfluss Our wurden die bis zu 100 Meter unter der Erdoberfläche befindlichen Minen oft überschwemmt. Das stellte damals das größte Problem für die Minenarbeiter dar. Ein Großteil dieser unterirdischen Gänge sind auch heute noch überschwemmt, doch wurde ein Teil der Galerien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 50 Meter unter der Erde lernen die Besucher den schwierigen Abbau des Kupfererzes von früher kennen.
Die Kupfergrube war aber diesmal nicht der Grund des Besuchs in Stolzemburg, obwohl es etwas mit diesem Metall zu tun hatte. Seit dem 20. Juni wurde auf Initiative des „Syndicat d’initiative Stolzebuerg“ und nach einer Anleitung aus dem 12. Jahrhundert vor Ort eine 52 Zentimeter hohe und etwa 60 kg schwere Bienenkorbglocke hergestellt. Sie wird einen Durchmesser von 42 Zentimetern haben. Über die gesamte Dauer konnten Besucher die Herstellung in allen Einzelschritten verfolgen. Also auch den Guss der Glocke, der eigentlich für Sonntagabend geplant war.
„Objekte zum Sprechen bringen“
„Die Glocke wird aus Kupfer und Zinn gefertigt und wird am 18. November im verwaisten Glockenturm, dem ältesten Bauwerk Stolzemburgs, aufgehängt, nachdem sie feierlich geweiht wurde“, so Fernand Zanter, Präsident des lokalen Interessenvereins. Der Turm stammt aus dem Jahr 1671. Verantwortlich für den Glockenguss war der 48-jährige Dr. Bastian Asmus (D), ein ausgebildeter Kunstgießer und Gründer des Labors für Archäometallurgie im deutschen Kenzingen, der vor Ort weilte, um die einzelnen Herstellungsschritte und den Guss vorzunehmen.
„Obwohl ich mit den Objekten der Vergangenheit arbeite, geht es mir doch um weit mehr als nur um diese Objekte“, so Asmus. „Ich will die Objekte zum Sprechen bringen und versuchen, einen Blick auf die Menschen zu werfen, die diese Gegenstände herstellten. Ich verstehe die Archäologie nicht als ‚Lehre der alten Dinge‘, sondern vielmehr als die Geschichte der menschlichen Kreativität. Der Mensch, der im Laufe seiner Entwicklung stets mit neuen unerwarteten Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert wurde, konnte diese nur aufgrund seiner Kreativität lösen.“
„Die Holzkohle ist schuld“
Am Sonntag wurde das Team um Dr. Asmus aber mit einem Problem konfrontiert, das bis spät in die Nacht hinein nicht gelöst werden konnte. „Das Metallgemisch – 20 Prozent Zinn und 80 Prozent Kupfer – muss in dem von uns aus Lehm und Stroh gefertigten Ofen auf 1.100 Grad Celsius erhitzt werden, damit es flüssig genug ist, um die Glocke zu gießen. Bei dieser Temperatur haben wir etwa sieben bis acht Minuten Zeit, die 80 Kilogramm Flüssigmetall in die Gussform zu füllen. Beim Verlust von nur wenigen Graden beginnt die Flüssigkeit wieder zu erhärten, was den Guss unmöglich macht“, so Dr. Asmus dem Tageblatt gegenüber.
Der Guss war für 19 Uhr geplant, wurde dann aber um ein bis zwei Stunden verschoben. Die etwa 100 Zaungäste bewiesen Geduld, wollte man den Moment des Glockengusses doch auf keinen Fall verpassen. Doch je später der Abend wurde, desto enttäuschter wirkten Dr. Asmus und seine Mitarbeiter. Die Temperatur im Ofen blieb zu niedrig. „Die Holzkohle ist schuld“, so Dr. Asmus. „Sie ist zu fein, was im Ofen dazu führt, dass nur wenig Luft, sprich Sauerstoff, durch den doch hoch aufgeschütteten Kohlenhaufen ziehen kann. Somit fehlt uns die nötige Glut.“
Im Laufe des Abends wurden noch zusätzliche Lufteinlässe in den Lehmofen gebohrt, doch es sollte alles nichts helfen. Kurz nach 23 Uhr wurde das Unterfangen abgebrochen. „Ein zweiter Versuch wird kurzfristig stattfinden. Wann das sein wird, steht aber noch nicht fest“, so Fernand Zanter am Sonntagabend. Laut Aussagen der Spezialisten muss der Guss aber in den nächsten drei Tagen über die Bühne gehen, da man sonst Gefahr läuft, dass die eingegrabene Gussform unter Feuchtigkeit leidet und so beschädigt wird.
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