Luxemburg-Stadt / Keine Kehrtwende: Die blau-schwarze Mehrheit hält am Bettelverbot fest
Ein Aufheben des sogenannten Bettelverbots – dafür setzten sich am Montag rund 200 Menschen vor den Türen des Rathauses am „Knuedler“ ein. Auch während der Gemeinderatssitzung forderte fast die gesamte Opposition die Streichung des entsprechenden Artikels aus der Polizeiverordnung.
„Ich bitte Sie, heute auf Ihr Gewissen und auf Ihr Herz zu hören. Über Ihren parteipolitischen Schatten zu springen, um gemeinsam mit uns gegen die Abschaffung von Artikel 42 zu stimmen“, wandte sich Rat Pascal Clement (Piraten) in der Sitzung des Gemeinderats an die Mitglieder des blau-schwarzen Schöffenrats. Denn auf der 16 Punkte umfassenden Tagesordnung stand unter anderem ein Antrag von „déi gréng“, der LSAP, „déi Lénk“ und den „Piraten“, der die Streichung des viel diskutierten Artikels 42 der städtischen Polizeiverordnung forderte. Und das an einem Tag, an dem vor dem Rathaus am „Knuedler“ fast 200 Menschen gegen das sogenannte Bettelverbot protestierten.
Bei der Diskussion über den Antrag gab die Opposition – mit Ausnahme der ADR – dem Schöffenrat die Möglichkeit zu einer Kehrwende. Stellvertretend für die vier Oppositionsparteien zählte Rat François Benoy („déi gréng“) zunächst die Argumente von DP und CSV für das Verbot auf, die in den vergangenen Wochen scharf kritisiert oder gar widerlegt worden waren. Als Schlussfolgerung stellte Benoy fest: „Alle Experten sagen, dass diese Maßnahme kontraproduktiv ist. Es ist ein unmenschlicher Schritt gegen die Schwächsten der Gesellschaft.“
Alle Experten sagen, dass diese Maßnahme kontraproduktiv istRatsmitglied
Dabei kritisierte Benoy unter anderem, dass die politisch Verantwortlichen wiederholt behaupteten, die neue Regelung visiere ausschließlich aggressive und in Banden organisierte Bettelei. Das, obwohl der Text der städtischen Polizeiverordnung etwas anderes vorsieht und auch Einzelpersonen von der Polizei kontrolliert werden. „Das ist keine ehrliche Politik“, fasste Benoy zusammen. Und appellierte vor der Abstimmung zu dem Thema an den Mut und das Verantwortungsgefühl aller Ratsmitglieder.
Einsicht erhofft
Auch die Aussagen anderer Oppositionsmitglieder waren als Appell an DP und CSV zu verstehen, ihre Entscheidung zu überdenken. So wies Maxime Miltgen (LSAP) darauf hin, dass es keine Schande sei, unterwegs zu merken, dass man auf dem falschen Weg sei. Etwas strenger stellte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) fest, dass sie sich für das Vorgehen der Mehrheit „schäme“ und das Bettelverbot lediglich die „ideologischen Fantasmen“ der Mehrheit stützen solle. Rat Tom Weidig (ADR) allerdings bedankte sich bei Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) und drückte der blau-schwarzen Mehrheit die vollste Unterstützung seiner Partei aus.
Polfer wiederholte die Argumente, die in der Debatte immer wieder genannt werden und hielt an ihrer Sichtweise fest. Denn ein Ziel habe der Schöffenrat mit der Einführung der Maßnahme erreicht: mehr Polizeipräsenz in der Stadt. In einer Fragestunde in der Chamber hatte der Minister für innere Sicherheit, Léon Gloden (CSV), vor fast zwei Wochen nämlich darüber informiert, dass Beamtinnen und Beamte aus verschiedenen Kommissariaten abgezogen werden, um die Mehrarbeit in der Hauptstadt zu bewältigen – ohne dabei aus Sicherheitsgründen allerdings weitere Details zu nennen.
1.153 Euro für Flyer
Thema waren in der Ratssitzung am Montag auch die Flyer, mit denen die Menschen in Luxemburg-Stadt seit Ende 2023 über die von der Gemeinde so bezeichnete „Einschränkung der Bettelei“ informiert werden. Insgesamt 500 solcher Faltblätter hat die „Ville de Luxembourg“ (VdL) drucken lassen, mit einem Kostenpunkt von 1.153 Euro. Das teilte Lydie Polfer auf Nachfrage von Rat Pascal Clement (Piraten) mit. Weitergegeben wurden die kleinen Broschüren unter anderem an die Streetworker von „A vos côtés“, die tagtäglich in der Hauptstadt unterwegs sind. Der Inhalt des Flyers – der ebenfalls für Kritik sorgte – kann sich unter „Einschränkung der Bettelei und soziale Hilfsangebote“ auf vdl.lu durchgelesen werden.
Entrüstet zeigte sich die Bürgermeisterin – die betonte, ein gutes Gewissen zu haben – über den mehrmals in der Debatte geäußerten Vorwurf, dass die Gemeinde kein Herz habe. Wie mehrmals zuvor wies Polfer darauf hin, dass die Gemeinde viel in diesem Bereich unternehme. Die Politik der blau-schwarzen Mehrheit sieht Polfer durch die Wahlen des vergangenen Jahres bestätigt. „Danach kann ich nicht sagen, dass die Menschen uns nicht unterstützt haben“, stellte die Bürgermeisterin unter zustimmendem, akademischem Klopfen der Mitglieder von DP und CSV fest. Auch sie ergriffen zum Teil das Wort, um die häufig kritisierte Regelung zu verteidigen. Rat Claude Radoux (DP) nahm dabei die Argumentation der Justiz ins Visier und sagte über deren Position in der Debatte: „Wenn Vertreter der Staatsanwaltschaft Politik machen wollen, sollen sie sich für die Wahlen aufstellen.“
Antrag abgelehnt
Gleich zu Anfang der Sitzung kamen auch aus den eigenen Reihen Fragen zum Umgang mit dem Thema Obdachlosigkeit auf: Rätin Colette Mart (DP) wollte vom Schöffenrat wissen, ob kleinere Wohn- und Übernachtungseinrichtungen, wie zum Beispiel die Winteraktion (WAK), im Vergleich zu den großen Projekten nicht eine bessere Lösung seien. Die Sozialschöffin und frühere Familienministerin Corinne Cahen (DP) unterstrich, dass sie zwar hinter der Idee der WAK stehe, wies aber darauf hin, dass diese nicht als dauerhafte Lösung gesehen werden könne. Sie sprach sich für kleinere Unterbringungen aus, deren Ausbau die Gemeinde bereits vorantreibe, und befürworte das Schaffen von Einrichtungen im Bereich von „Housing First“ – wie es die städtische Sektion der LSAP erst vergangene Woche gefordert hatte.
Wenn Vertreter der Staatsanwaltschaft Politik machen wollen, sollen sie sich für die Wahlen aufstellenRatsmitglied
Wie die anderen Mitglieder der DP stimmte auch Cahen nach der mehr als fünfstündigen Sitzung gegen die Abschaffung des umstrittenen Artikels. Nur Sylvia Camardas (DP) Position dazu blieb letzten Endes aus, denn sie befand sich zum Zeitpunkt der Abstimmung nicht im Raum. Eine 180-Grad-Wende gab es am Ende jedenfalls nicht: Mit den Stimmen der Mehrheit und von der ADR wurde beschlossen, dass Artikel 42 der städtischen Polizeiverordnung bestehen bleibt.
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An den Herr Fayot an der 1ter Rei
Bravo. Man stelle sich vor bei jeder Entscheidung der Regierung würde eine Hand voll Schöngeister mit Plakaten in der Hand reichen um alles rückgängig zu machen.(z.B. Impfung bei Corona) Demonstrieren und Petitionen sind ein Recht,keine Pflicht. Soll heißen, es muss einen Grund dafür geben. Wenden wir uns also wieder den richtigen Problemen zu…..z.B. Den Bauern das Überleben sichern indem wir dem Brüsseler Wasserkopf den Finger zeigen.
@ artkau / Sécher, ëmmer ënnert dem Motto „die Letzten werden die Ersten sein“. Dee „Letzter“ versteet et einfach net.
„Wenn Vertreter der Staatsanwaltschaft Politik machen wollen, sollen sie sich für die Wahlen aufstellen.“
Wenn die Vertreter des Volkes Politik machen wollen, sollen sie sich gefälligst an die Gesetze halten!
Die Bürger müssen das auch, andernfalls Anarchie. Punkt.