/ (K-)Eine Rettungs-Resolution mit Folgen – eine Analyse
Die Resolution zur Seenotrettung, die vergangenen Donnerstag im Europaparlament knapp keine Anerkennung fand, sorgte auch in Luxemburg, nach einer gewissen Aufregung in den Sozialen Medien, für Schlagzeilen in den traditionellen Medien. Das Ergebnis fiel hauchdünn aus, zwei Stimmen machten den Unterschied – und damit hätten Luxemburgs Europaabgeordnete das Zünglein an der Waage spielen können.
Doch was heißt: hätten sie? Schließlich haben sie es ja. Die beiden EVP-Abgeordneten der CSV, Isabel Wiseler-Lima und Christophe Hansen, stimmten mit ihrer Fraktion gegen die vom sozialistischen spanischen EP-Abgeordneten Juan Fernando López Aguilar eingebrachte Willenserklärung (denn mehr ist es nicht, bindend sind EP-Resolutionen nicht, eine Symbolkraft haben sie gleichwohl). Nicolas Schmit (LSAP) und Monica Semedo (DP) fehlten bei der Abstimmung; der eine mit einer eher guten, die andere mit einer eher mäßigen Begründung (Vorbereitung auf Kommissar-Job vs. Liberalen-Party in Griechenland, ja: Griechenland).
Beide betonten später, wären sie da gewesen, hätten sie für die Resolution gestimmt. Gegenüber RTL unterstrich Monica Semedo noch, in Zukunft keine Party mehr auszulassen, pardon: natürlich keine Abstimmung mehr zu verpassen. Charles Goerens (DP) und Tilly Metz (Grüne) sprachen sich für die Resolution aus. Wer jetzt was bedenklicher finden will – anwesend zu sein und seine Stimme abzugeben oder eben nicht anwesend zu sein -, muss jeder für sich selber entscheiden. Das Französische kann Unentschiedenen vielleicht mit dem schönen Sager “les absents ont toujours tort” weiterhelfen. Nur mal so als Tipp.
Resolution fordert Umdenken im Umgang mit der libyschen Küstenwache
Doch worum ging es überhaupt? In 18 Punkten fordert die Resolution vor allem ein Umdenken bei der Zusammenarbeit mit der libyschen “Küstenwache”. Eine Miliz, die es fertigbringt, gleichzeitig schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und enger sowie üppig finanzierter Partner der Europäer zu sein. Es geht um eine Anerkennung auch der privaten Seenotrettung und um mehr Transparenz bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex. Es geht aber vor allem darum, wer die Deutungshoheit in Europa hat in Fragen der Einwanderung.
Dementsprechend fielen die Reaktionen bei der Diskussion am vergangenen Mittwoch in Straßburg aus. Gegner der Resolution, also mehrheitlich christlich-soziale Konservative und radikale Rechte, monierten vor allem, dass der Text nicht erwähnt, Migration müsse auf dem afrikanischen Kontinent bekämpft werden und nicht erst im Mittelmeer. Von rechtsaußen bis mitterechts war die Argumentation nahezu identisch, auch wenn die Sprache variierte. Es ging immer um Kooperation mit Drittstaaten, die wir verbessern müssten. Um sichere Plätze in Dritt- und Transitländern, die wir etablieren müssten. Um den “Kontinent Afrika”, dem wir eine “Zukunftsperspektive” geben müssten.
Blöd nur, dass es solche Initiativen bereits gibt. Das Resettlement-Programm der EU-Kommission zusammen mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat vor zwei Jahren 50.000 Menschen eine sichere Einreise in EU-Staaten in Aussicht gestellt, die zuvor in Libyens Horrorlagern gestrandet waren. Ende Oktober läuft es aus, nur drei Viertel des Versprechens wurden eingehalten. Luxemburg hatte 200 Plätze zugesagt, Anfang Oktober bekamen die ersten 50 Menschen auf diesem Weg die Möglichkeit, legal nach Luxemburg einzureisen. Insgesamt hatten sich nicht einmal die Hälfte der 28 EU-Staaten dem Programm angeschlossen.
Würde die Resolution mehr Menschen zur Flucht bewegen?
Kritisiert wurde ebenfalls, dass eine solche Resolution, die sich im Kern dafür ausspricht, Menschenleben zu retten, einen sogenannter Pull-Faktor darstelle. Demnach mehr Menschen in Afrika dazu bewegen würde, die Flucht nach Europa zu wagen. Das Denken hierbei: Je lebensgefährlicher die Flucht nach Europa ist, desto weniger kommen. Was aber nicht stimmt. Die Zahl der Toten im Mittelmeer ist jetzt proportional höher als zum Beispiel im Jahr 2015, als die Anzahl der insgesamt Flüchtenden in Folge des Syrienkrieges in die Höhe schoss.
Dass die konservative EVP-Fraktion (inklusive der beiden Luxemburger CSV-Politiker) gemeinsam mit Europas radikalen Rechten (sowie, nicht zu vergessen, einigen Sozialdemokraten, manchen Liberalen und sogar Linken) gegen eine Resolution stimmt, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eine vorherige Absprache zu wittern, führt genauso ins Leere. Selber nach gutem Wissen und Gewissen zu entscheiden, dieses Vermögen darf der immer noch größten Fraktion im Europaparlament zugestanden werden. Umgekehrt bedeutete dies schließlich, dass immer anders gestimmt werden müsste, als dies die Rechten tun – und man damit keine eigene Meinung mehr haben dürfte.
Aber. Ja, es gibt ein Aber. Sogar gleich mehrere.
Aber: Sich darauf zu berufen, die Resolution sei zu eingeschränkt und vernachlässige die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten und sicheren Transitländern, ist daneben. Insofern daneben, als die Resolution sich nun einmal auf die Seenotrettung und ihre Folgen bezieht. Sie hieß “Entschließungsantrag zu Such- und Rettungsoperationen im Mittelmeer”. Und nicht etwa “Entschließungsantrag zur Lösung aller Probleme der Migration”. Auf Neudeutsch würden diese Einwände unter dem Begriff des Whataboutism eingeordnet.
Aber: Sich auf einen Pull-Faktor zu berufen, folgt der Denkweise der extremen und radikalen Rechten in Europa. Neurechte Bewegungen wie die Identitären argumentieren seit Jahren in diese Richtung. Ihre Überzeugungen haben mit der Zeit Einzug gefunden in die Politik der konservativen Parteien vieler EU-Staaten. In Migrationsfragen liegen die Positionen zwischen rechtsaußen und mitterechts mittlerweile eng beieinander – und das rührt nicht daher, dass sich die Radikalen in Richtung Mitte bewegt hätten. Wenn sich das Denken überschneidet, werden Absprachen unnötig.
Aber: Sich in Wortmeldungen während der Diskussion im Europaparlament für die Seenotrettung auszusprechen und anschließend dagegen zu stimmen, zeugt nicht von Kohärenz. Kurz vor der Europawahl Ende Mai hatte der damalige EVP-Spitzenkandidat und CSU-Politiker Manfred Weber noch seinen Einsatz für die Seenotrettung angekündigt. “Das Sterben im Mittelmeer muss beendet werden!” hieß es da auf dem Twitter-Account der deutschen CDU im Namen ihres Spitzenkandidaten. “Als EU-Kommissionspräsident werde ich umgehend ein neues europäisches Rettungsprogramm auflegen.” Weber wurde nicht Kommissionspräsident, der Tweet mittlerweile gelöscht.
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pour une fois nos députés semblent d’avoir écouté leurs électeurs , en lieu de Jang et sa dictature des ONG. c’est courageux et cela mérite respecte