Deutschland / Kevin Kühnert: Ein Ausnahmetalent der SPD zieht sich zurück
Kevin Kühnert tritt aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des SPD-Generalsekretärs zurück. Er prägte die SPD mehrere Jahre lang intensiv. Sein Nachfolger soll Mathias Miersch werden und rasch an die Arbeit gehen – denn der Wahlkampf kann jederzeit losgehen.
Kevin Kühnert ist 35 Jahre alt. In diesem jungen Alter hat er seine Partei, die SPD, so stark beeinflusst, wie es andere Spitzengenossinnen und -genossen ein Leben lang nicht vermochten. Doch jetzt muss die SPD vorerst auf das Ausnahmetalent Kühnert verzichten. Er ist am Montag mit sofortiger Wirkung vom Amt des Generalsekretärs zurückgetreten, aus gesundheitlichen Gründen. Nun ist Kühnert krankgeschrieben.
Unlängst hatte Kühnert bereits in einem Spiegel-Interview mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf erklärt: „Jeder von uns muss und wird in dieser Kampagne über sich hinauswachsen.“ In einem Brief zu seinem Rücktritt an seine Parteifreunde schrieb der 35-Jährige nun: „Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin.“ Die Energie, die für sein Amt und einen Wahlkampf nötig seien, brauche er „auf absehbare Zeit“ zur Genesung: „Deshalb ziehe ich die Konsequenzen.“
Kühnert wurde bekannt, als er im Amt des Juso-Bundesvorsitzenden die damalige große Koalition scharf kritisierte. Er trieb die SPD in der Regierung vor sich her, sammelte rasch viele Unterstützer in der Partei, auch jenseits der SPD-Nachwuchsorganisation. Im parteiinternen Wettstreit unterstützten die Jusos unter seiner Führung 2021 die Wahl von Saskia Esken und ihrem damaligen Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans an die Parteispitze – gegen deren Mitbewerber, den heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz.
Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund binzurückgetretener SPD-Generalsekretär
Esken ist bis heute Parteivorsitzende, gemeinsam mit dem Niedersachsen Lars Klingbeil. Kühnert und Klingbeil verbindet eine persönliche Freundschaft jenseits der Politik. Gemeinsam haben sie versucht, die SPD auch für junge Menschen wieder attraktiver zu machen. Kevin Kühnert habe entscheidend „zur Stabilität in der SPD beigetragen“, sagte Klingbeil am Montag in einem Statement im Willy-Brandt-Haus in Berlin. „Wir alle wissen, wie fordernd das politische Geschäft sein kann, wie anstrengend es ist.“ Gleichwohl steckten Vertreter der Partei Engagement und Leidenschaft in ihre Jobs. „Und auch in Zeiten, in denen wir viel Gegenwind bekommen, ist das der Fall.“ Es gehe jetzt zuerst um Kevin Kühnert, so Klingbeil. Und: „Politik ist nicht alles.“
Esken äußerte ebenfalls Respekt für Kühnerts Entscheidung. „Krankheit ist Privatsache“, mahnte die Parteivorsitzende und forderte Politik wie Medien dazu auf, Kühnert Zeit und Ruhe zur Genesung einzuräumen. Sie bot Kühnert an, jederzeit zurückkommen zu können, wenn er das wolle und könne.
Zuletzt hatte Kühnert jedoch innerhalb der SPD auch mit Gegenwind zu kämpfen. Er war in die Kritik geraten, als die Partei vor allem bei der Europawahl, aber auch in Sachsen und Thüringen desaströse Wahlergebnisse einfuhr. Insbesondere in konservativen Strömungen der SPD war Kühnert mit seinen sehr linken Positionen immer wieder angeeckt. Vor seiner Wahl zum Generalsekretär war er von Dezember 2019 bis Dezember 2021 auch stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, zudem war er Bundestagsabgeordneter für den Berliner Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. Dort will Kühnert bei der kommenden Wahl nicht erneut kandidieren, wie er in seinem Brief am Montag erklärte.
Gesundheit muss vorgehen
Für die Partei kam der Schritt offenkundig nicht überraschend. Noch am Abend tagten die Gremien digital, um die Nachfolge zu besprechen. Nach Informationen unserer Redaktion soll der bisherige Fraktionsvizechef Matthias Miersch auf Kühnert folgen. Der Hannoveraner Abgeordnete ist Vorsitzender der mächtigen Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. Miersch ist ein versierter Verhandler, spezialisiert auf Klimaschutzthemen und Energie. Der 55-jährige Jurist ist seit 2005 Mitglied des Bundestages und wurde stets direkt gewählt. Bislang wurde Miersch auch als möglicher Kandidat für den Fraktionsvorsitz gehandelt, sollte Rolf Mützenich das Amt in Zukunft nicht mehr ausüben wollen.
Er muss nun ohne Anlaufzeit zum Beispiel Debatten zur Industriepolitik, zur Rente und Migration bestehen können. Miersch bringt das mit, ist Mitglied im Parteivorstand und soll so als kommissarischer Generalsekretär möglichst viel Legitimität haben. An diesem Dienstag soll Miersch als Kühnerts Nachfolger offiziell vorgestellt werden bei einer Pressekonferenz.
Kühnert erhielt am Montag Zuspruch aus der Ampel und auch politische Gegner zollten ihm nach seiner Entscheidung öffentlich Respekt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte dem Tageblatt: „Ich habe Kevin Kühnert als verdammt ehrlichen Kollegen kennengelernt. Die Zusammenarbeit war trotz politischer Differenzen immer verlässlich und vertrauensvoll.“ Doch Gesundheit müsse immer vorgehen.
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