Budget 2025 / „KI ist kein Spielzeug“: Berichterstatterin Corinne Cahen über die gesellschaftliche Rolle der neuen Technik
Am Dienstag präsentiert Corinne Cahen in der Chamber ihren Bericht zum Budget. Als Schwerpunktthema hat sie Künstliche Intelligenz gewählt. Im Interview erklärt die DP-Politikerin, warum sowohl Luxemburgs Wirtschaft als auch jeder Einzelne von der neuen Technik profitieren kann – wenn sie richtig angewendet wird.
Tageblatt: Corinne Cahen, Sie sind in diesem Jahr Budgetberichterstatterin. Was beinhaltet diese Aufgabe?
Corinne Cahen: Das Spannendste ist, dass man sich als Budgetberichterstatterin ein Thema heraussuchen kann, das man tiefer behandelt. Man paraphrasiert nicht die Rede, die der Finanzminister schon gehalten hat. Ich habe mich für das Thema Künstliche Intelligenz (KI) entschieden. Das beinhaltet sehr viele Gespräche, viele Treffen im ganzen Land, um zu schauen, wo wir in diesem Bereich stehen. Das ist eine einmalige Gelegenheit, um ein Thema näher zu behandeln, „de Point ze maachen“.
Warum gerade KI?
Ich denke, dass KI ein dringendes Thema ist. Der Auslöser war eigentlich eine Konferenz in Deutschland. Dort habe ich einen Spezialisten getroffen, der über KI in der Gesundheitsbranche gesprochen hat. Das hat mich tief beeindruckt, die Beispiele waren unglaublich interessant. Was ich an KI spannend finde: Wir können wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen – wir reden schon seit Jahren davon, dass wir neue Nischen finden müssen, um unsere Wirtschaft weiterzuentwickeln –, aber auch riesige Möglichkeiten für den Einzelnen, was zum Beispiel die persönliche Gesundheit angeht, Krankheiten heilen, Nebenwirkungen von Behandlungen reduzieren.
In der Debatte um KI geht es oft um das Spannungsfeld zwischen Regulierung und Investitionen. Wie ist Ihr Eindruck nach den vielen Gesprächen mit Akteuren aus der Branche?
Es gibt zwei Lager. Die Optimisten und die Pessimisten. Letztere sagen, der AI Act mache die Wettbewerbsfähigkeit kaputt. Das andere Lager, zu dem ich mich zähle, sagt: Es ist gut, einen Rahmen zu haben. Wir dürfen nicht überregulieren, aber wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen. KI muss ethisch korrekt sein, deshalb muss sie reguliert werden. Es sollte immer markiert und transparent gemacht werden, wenn etwas mit KI geschrieben oder produziert wurde. Dann ist es eine Chance, weil die Unternehmen wissen, woran sie sind. Und es gibt keinen Wildwuchs. Wir müssen auch über „Data Protection“ sprechen. Es ist in unserem Interesse, dass der Internetverkehr durch Europa läuft. Es ist in unserem Interesse, dass wir eigene Cloudserver haben – nicht, dass wir nicht mehr an unsere Daten kommen, weil Google den Stecker in den USA zieht. Datensouveränität, das sind alles Aspekte, die extrem wichtig sind. Es ist essenziell, dass wir einen Rahmen haben, der das reguliert, aber nicht überreguliert. Der unsere Rechte schützt, Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, unsere ethischen und moralischen Vorstellungen. Weil das unsere Demokratie ausmacht.
Es sollte immer markiert und transparent gemacht werden, wenn etwas mit KI geschrieben oder produziert wurde
Diskutiert man nicht an den Problemen von Luxemburg vorbei, wenn man jetzt den Schwerpunkt auf KI legt statt zum Beispiel auf die Wohnungsbaukrise?
Es geht gerade darum, dass KI dabei helfen kann, Probleme zu lösen. Beim Wohnungsbau ist das schwerer, aber vielleicht kann KI dazu beitragen, dass schneller gebaut wird. KI ist kein neues Spielzeug wie eine Playstation, sondern ein Mittel zum Zweck. Ich nehme gerne das Beispiel: Wenn ich morgen mit Krebs diagnostiziert werde, gehe ich in eine Klinik und bekomme eine Chemotherapie, die nicht personalisiert ist, was heute noch oft der Fall ist. Ich bekomme die ganze Keule. Wie genial ist es, wenn die KI mithilfe der Daten, die ihr zur Verfügung stehen, weiß, diesen Tumor behandle ich gezielt mit diesem Wirkstoff. Das müssen wir uns leisten können. Natürlich ist die Regierung auch gefordert, das auch zugänglich zu machen in Luxemburg. Es geht gerade darum: Wir haben Probleme. Aber es geht nicht nur darum, festzustellen, dass wir Probleme haben, sondern darum, dass wir sie lösen. Und da stellt sich die Frage: Kann KI uns helfen, Probleme zu lösen oder schafft sie neue?
Auch in diesem Bereich braucht es Geld. Einige Gutachten zum Budget kritisieren, dass allgemein zu wenige Investitionen getätigt werden. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Es ist normal, dass in diesen Gutachten kritisiert wird oder dass mehr gefordert wird. Es liegt an der Regierung, ein Gleichgewicht zu schaffen. Ich kann das Argument nicht so stehen lassen, vor allem wenn ich sehe, dass 780 Millionen über die nächsten Jahre in das „Centre des technologies de l’information de l’Etat“ (CTIE) fließen, um all die Investitionen machen zu können, die wir brauchen: Chatbots, zum Beispiel, aber auch, um die Verwaltungen für das „Once Only“-Prinzip aufzustellen. Das sind große Digitalisierungsprojekte.
Große Investitionen gibt es in den kommenden Jahren in der Verteidigung. Die Handelskammer fordert, dass diese mit einer Strategie verbunden sein müssen, damit mehr Geld im Land bleibt. Muss die luxemburgische Wirtschaft militarisiert werden?
Nein, das glaube ich nicht. Es gibt Bereiche, wo man sowohl im Militärischen als auch im Zivilen profitieren kann. Wir haben hier in Luxemburg ein großes Know-how im Bereich Satellitentechnik aufgebaut. Damit kann man Truppenmanöver observieren, man kann aber auch Verkehrsstaus monitoren oder Umweltereignisse beobachten. Das ist ein gutes Beispiel für Dual Use. Wir müssen die Nischen ausbauen. Damit unsere Wirtschaft von den Investitionen profitieren kann und Arbeitsplätze geschaffen werden.
Im Wohnungsbau sinken die Investitionen. Ihr Parteikollege Claude Meisch sagte dazu, sie würden an das „Realisierbare“ angepasst. Das klingt ein bisschen ambitionslos.
Klingt realistisch, würde ich sagen. Das Einfachste in der Politik ist, Sachen zu versprechen. Damit hat man aber noch keine Wohnung und kein Haus gebaut. Ich mag Realpolitiker lieber. Politiker, die schauen, was realistisch ist. Im Budget für die nächsten vier Jahre ist sehr viel vorgesehen. Allein für die VEFA-Projekte 480 Millionen. Die müssen aber gebaut werden. Von der Regierung ist der Wille da, schneller zu bauen. Man muss aber auch auf die Bauvorschriften in den Gemeinden schauen: Wie hoch kann gebaut werden, wie dicht? Es reicht ja nicht, nur zu bauen, sondern es geht auch um die Infrastruktur drumherum. Nicht nur die Straße, auch Schulen, Sport, Kultur. Es liegt nicht an den Investitionen, dass nicht mehr gebaut wird.
Es reicht ja nicht, nur zu bauen, sondern es geht auch um die Infrastruktur drumherum
Kritiker behaupten, die Sozialpolitik der Regierung beschränke sich auf Steuersenkungen und die Vereinfachung der Verwaltung.
In der Sozialpolitik passiert ganz viel. Der „guichet social unique“, der Revis wurde erhöht, die Teuerungszulage bekommt man jetzt automatisch, ohne sie anzufragen. Das Gleiche gilt für die Wohnungshilfen. Da kann man keinen Vorwurf machen.
Zusätzliche Einnahmen generiert der Staat auch durch eine Erhöhung der Tabaksteuer. Was halten Sie davon?
Die Erhöhung der Tabaksteuer war immer einer der spannendsten Punkte zwischen Gesundheitsministerium und Finanzministerium. Die einen müssen die Steuereinnahmen verteidigen – und wir reden hier von einer Milliarde –, auf der anderen Seite trägt der Gesundheitsminister die Verantwortung für die öffentliche Gesundheit. Weniger Lungenkrebs bedeutet auch weniger Kosten. Das sind interessante Diskussionen. Ich persönlich glaube, dass man mit dem Preis der Tabakprodukte noch ein bisschen nach oben gehen könnte.
Die Staatsschuld stabilisiert sich, die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht zu. Geht das auf Kosten der Investitionen?
Es ist wichtig, dass unser Staatsbudget im Gleichgewicht bleibt. Auch, damit wir solvent bleiben und nicht uninteressant werden. Wegen Triple A kommen Unternehmen hierher, Banken. In den vergangenen Jahren haben wir Nullsatzdarlehen bekommen, das ist genial. Jetzt gehen die Zinsen hoch und Kredite werden auch für den Staat teurer. Es ist eine gute Neuigkeit, dass sich der Schereneffekt umgekehrt hat. Vor allem, wenn man bedenkt, wo wir herkommen. Die ganze Welt kommt aus einer Pandemie. Den Krieg in der Ukraine konnte man nicht vorhersehen. Als kleines Land müssen wir besonders flexibel bleiben und das Geld beisammenhalten, damit wir auf Krisen schnell reagieren können.
Der CNFP hat in seinem Gutachten kritisiert, dass in den vergangenen Jahren zu wenige Reserven angelegt wurden. Wie sehen Sie das?
Wir haben Reserven angelegt, wir haben einen Fonds geschaffen für die nächste Generation. Man kann natürlich kritisieren, dass das nicht genug war. Aber wir mussten in der Pandemie auch an unseren Reserven kratzen. Wir dürfen die großen Investitionen nicht vergessen, die wir am Anfang gemacht haben, Masken, Beatmungsmaschinen. Man kann immer mehr machen, das stimmt. Aber im Nachhinein ist das auch leichter zu beurteilen als in der Situation selbst.
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