Ukraine / Kiew weist „Kompliment“ nach Bericht zu Nord-Stream-Sprengung zurück
Monate nach der Sprengung der Ostseepipelines ist ein verdächtiges Schiff aufgetaucht. Spekuliert wird über eine angebliche Spur in die Ukraine, doch Kiew dementiert heftig. Moskau sieht derweil seine Anschuldigungen gegen den Westen bestätigt.
Die Ermittler geben sich schmallippig. Nach Medienberichten, den Anschlag auf die Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 in der Ostsee könnte eine pro-ukrainische Gruppe verübt haben, teilte die Bundesanwaltschaft lediglich mit, ein verdächtiges Schiff sei durchsucht worden. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die am 26. September 2022 an den Pipelines explodiert waren, teilte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde am Mittwoch auf Anfrage mit.
Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an. „Die Identität der Täter und deren Tatmotive sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, hieß es weiter. „Belastbare Aussagen hierzu, insbesondere zur Frage einer staatlichen Steuerung, können derzeit nicht getroffen werden.“ Die auf dem Ostseeboden von Russland nach Deutschland führenden Stränge von Nord Stream waren im Herbst leckgeschlagen. Schnell stellte sich heraus, dass die Detonation durch einen Sabotageakt hervorgerufen wurde. Doch wer dahinter steckt, ist bis heute offen.
Putin beschuldigte Amerikaner und Briten
Eilig machten sich daher beide Seiten dafür verantwortlich. Kremlchef Wladimir Putin, der im Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, beschuldigte Amerikaner und Briten, den Anschlag verübt zu haben, um Russland zu schaden. Im Westen wiederum wurde eine Aktion unter falscher Flagge vermutet, auch weil Russland zu dem Zeitpunkt schon kein Gas mehr durch die Ostsee nach Europa lieferte.
Nun haben Medienberichte Bewegung in die Angelegenheit gebracht. So berichteten ARD, SWR und die Zeit, dass eine Jacht von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden sei, welche „offenbar zwei Ukrainern gehört“. Dabei handelt es sich wohl um das von der Bundesanwaltschaft untersuchte Schiff. Ein sechsköpfiges Team, bestehend aus einem Kapitän, einer Ärztin, zwei Tauchern und zwei Tauchassistenten habe den Sprengstoff damit zu den Tatorten gebracht, so die These. Welche Nationalitäten diese Leute hätten, sei unklar. Sie hätten offenbar gefälschte Pässe verwendet. Bundespolitiker wollten sich nicht zu den Berichten äußern. Sowohl Verteidigungsminister Boris Pistorius als auch Außenministerin Annalena Baerbock warnten vor voreiligen Schlussfolgerungen in dem heiklen Fall.
Kiew bemühte sich derweil umgehend, den Verdacht zu entkräften, in den Fall verwickelt zu sein: Dass ukrainischen Spezialkräften so ein Einsatz zugetraut wird, sei „eine Art Kompliment“, sagte Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Mittwoch am Rande eines informellen Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in Schweden. „Aber das ist nicht unser Tätigkeitsfeld.“ Die Story sei schräg, weil sie nichts „mit uns“ zu tun habe. Schon zuvor hatte der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, jedwede Beteiligung an dem Sabotageakt zurückgewiesen.
Heikle Vorwürfe
Für Kiew sind die Vorwürfe heikel. Klar ist, dass die Ukraine von Anfang an gegen das Gasleitungsprojekt war. Moskau hatte Nord Stream ja hauptsächlich konzipiert, um die Ukraine als Transitland bei der Belieferung Europas mit Erdgas auszuschließen. Streit um Durchleitungsgebühren und den stets auch politisch gefärbten Gaspreis für die Ukraine hatte es vor Nord Stream schließlich schon jahrelang gegeben. Wenn dann mitten im Winter wegen des Zanks der Gashahn abgedreht wurde, zitterte Europa stets mit. Nord Stream bedeutete für die Ukraine den Verlust von Milliardeneinnahmen und militärischer Sicherheit. An einem möglichen Motiv Kiews, die Ostseepipeline zu sprengen, gibt es daher wenig Zweifel. Bisher allerdings galt solch eine Aktion als hoch kompliziert und ukrainische Spezialkräfte einfach nicht als professionell genug für so eine Sabotage.
Eher wäre in dem Fall neben der CIA der russische Geheimdienst in Frage gekommen. Auch für Russland gibt es durchaus ein Motiv: Zwar ist der Schaden an den Pipelines immens, doch der Gaspreis stieg nach Bekanntwerden des Anschlags noch einmal stark in die Höhe. Und ausgerechnet ein Strang von Nord Stream 2 soll bei dem Anschlag zumindest so weit heil geblieben sein, dass er nach Angaben aus Moskau einsatzfähig wäre. Bis zuletzt hatte der Kreml die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 forciert, selbst nachdem Gazprom die mit westlichen Turbinen betriebene Schwesterleitung Nord Stream 1 schon abgeschaltet hatte. Dass Berlin wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine die Einschaltung verweigerte, wurde in Moskau verärgert aufgenommen.
Dass die jetzigen Spekulationen Russland vorläufig entlasten, hat Moskau daher mit Genugtuung registriert und zur Erneuerung seiner Vorwürfe genutzt. Solche Informationen würden von denjenigen gestreut, „die im Rechtsrahmen keine Untersuchungen führen wollen und versuchen, mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit des Publikums abzulenken“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Auch Sacharowa glaubt dabei offenbar nicht an die ukrainische Spur. Sie behauptete einmal mehr, dass westliche Regierungen hinter dem Vorfall steckten, die nun zu den russischen Anfragen offiziell Stellung nehmen müssten. Der Streit geht damit in die nächste Runde.
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Es waren Russen mit ukrainischen Pässen, die von den USA bezahlt wurden.