Luxemburg / Kinder- und Jugendschutz: So ist der „Service central d’assistance sociale“ derzeit aufgestellt
Der „Service central d’assistance sociale“ Luxemburgs ist unter anderem dazu da, den Schutz von Kindern und Jugendlichen im familiären Umfeld zu gewährleisten. Wie viele Angestellte sich derzeit dieser Aufgabe widmen und wie sie arbeiten, ging kürzlich aus der Antwort auf eine parlamentarische Frage hervor. Ein Überblick über die Einsatzarten und die Arbeitsweise der Mitarbeiter.
In so gut wie jeder Familie gibt es mal Streit – doch es gibt einen Unterschied zwischen Streitigkeiten, die hin und wieder auftreten und auch wieder beigelegt werden können, und handfesten Problemen in einer Familie. Neben anderen Anlaufstellen ist in Luxemburg vor allem für letzteres der „Service central d’assistance sociale“ (SCAS) zuständig. Die Mitarbeiter des Sozialhilfediensts kümmern sich in ihrem Arbeitsalltag um Probleme im Familienumfeld – deren Fokus liegt dabei oft auf dem Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen. Dabei müssen sie immer wieder Fälle priorisieren und einschätzen, welche ihrer Dossiers gerade am wichtigsten sind. So erklärt es Luxemburgs Justizministerin Sam Tanson („déi Gréng“) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Piraten-Abgeordneten Sven Clement von Ende Dezember.
Wie lange die Mitarbeiter im Durchschnitt mit einem Fall beschäftigt sind, lasse sich oft gar nicht so genau sagen, erklärt die Ministerin in ihrer Ausführung. Das liege daran, dass deren Gegebenheiten sich immer individuell unterscheiden. Einige der Faktoren seien dabei zum Beispiel die Anzahl der Kinder in der betroffenen Familie und die Recherchen, die zu dem Dossier gemacht werden müssen. Grundsätzlich nehme sich jeder Mitarbeiter die nötige Zeit, um sich einen Überblick zu verschaffen und ausreichend Informationen zu sammeln.
Zwei Abteilungen im Kontext Jugendschutz
Grundsätzlich gibt es laut Tanson beim SCAS zwei Abteilungen, die sich im Kontext des Jugendschutzes um Minderjährige und deren Familien kümmern: die Abteilung für soziale Untersuchungen („section des enquêtes sociales“) und die Abteilung für Erziehungshilfe („section des assistances éducatives“). In der Abteilung für soziale Untersuchungen erstellen die SCAS-Mitarbeiter eine Bestandsaufnahme der familiären Situation und nehmen Kontakt mit dem Umfeld auf, um ihre Erkenntnisse anschließend dem Jugendrichter beziehungsweise der Justiz übermitteln zu können. Dabei handelt es sich laut der Justizministerin um eine „mission à court terme“. Während die Anzahl entsprechender Anfragen im Jahr 2020 noch bei 1.769 lag (mit 2.807 betroffenen Minderjährigen), stieg sie 2021 auf 2.020 Anfragen (mit 3.229 betroffenen Minderjährigen). Im Jahr 2022 waren es bis zum 1. Dezember bereits 1.818 Anfragen mit 2.853 betroffenen Minderjährigen.
Die Mitarbeiter der zweiten Abteilung, also der Erziehungshilfe, werden jeweils durch einen Gerichtsbeschluss des Jugendrichters damit beauftragt, „die Entwicklung eines Minderjährigen und seiner Familie zu verfolgen und möglicherweise Bedingungen umzusetzen, die der Jugendrichter in seinem Urteil festgelegt hat“. Dabei handele es sich laut Tanson um eine „mission à moyen et long terme“. Die Anzahl der Familien, die in diesem Kontext betreut werden, nimmt seit 2016 immer weiter ab. Im Jahr 2016 waren es 951 Familien, 2017 fiel die Zahl auf 903, im Jahr 2018 auf 830, im folgenden Jahr 2019 blieb die Anzahl gleich, 2020 waren es 814 und 2021 fiel die Zahl auf 807. Bis zum 1. Dezember waren es im Jahr 2022 zudem 797 solcher Fälle.
Das SCAS-Team wächst
Insgesamt führt der SCAS fünf verschiedene Dienste: die Dienststelle für Jugendschutz (unter die auch die beiden erläuterten Jugendschutzabteilungen fallen), die Dienststelle für Familienangelegenheiten, den Vormundschaftsdienst, die Bewährungshilfe und den Opferhilfedienst.
Laut den Zahlen des Sozialhilfediensts hat sich die SCAS-Belegschaft über die vergangenen Jahre immer weiter vergrößert. 2016 arbeiteten noch 77 Vollzeitmitarbeiter bei dem Dienst, 2017 waren es 95, im Jahr 2018 stieg die Zahl auf 104, im Jahr 2021 waren es 119. Das heißt jedoch nicht zwingend, dass die Teamverstärkung dafür sorgt, dass die einzelnen Mitarbeiter weniger Arbeit haben. In der Abteilung für Erziehungshilfe bleibt der Durchschnitt an Fällen pro Mitarbeiter beispielsweise im Vergleich zwischen 2017 und 2022 fast gleich. 2017 waren es im Schnitt 38,84 Fälle pro Mitarbeiter, 2022 waren es 38,97. Zwischenzeitlich sank die durchschnittliche Anzahl an Fällen pro Mitarbeiter, beispielsweise im Jahr 2018 auf 33,54 – im Jahr 2020 stieg sie auf 36,17.
Notfälle („degré élevé“) und Fälle mit Kindern, die jünger sind als vier Jahre, haben grundsätzlich Vorrang, erklärt Tanson in ihrer Antwort an Clement. Sie sollen innerhalb von zwei Tagen bearbeitet werden. Fälle von mittlerer bis niedriger Dringlichkeit werden ebenfalls entsprechend priorisiert und verteilt. „Es kann demnach zwischen sechs und neun Monaten dauern, bis ein Dossier angegangen wird“, erklärt die Justizministerin. In der Abteilung der Erziehungshilfe bleibe eine Akte so lange geöffnet, bis der Jugendrichter sie schließen lässt. Das sei dann der Fall, wenn sich die Situation des Minderjährigen verbessert habe, keine Gefahrenquelle mehr bestehe und die individuell vereinbarten Bedingungen erfüllt seien. Sollte der Minderjährige aus Luxemburg wegziehen oder in eine Einrichtung kommen, bleibe der Fall „in der Schwebe“. Tanson sagt: „Das älteste Dossier, an dem noch gearbeitet wird, ist von 2006.“
Ein Beispiel aus der Praxis: Im Januar 2022 hatte das Tageblatt mit dem beigeordneten Oberstaatsanwalt David Lentz über die Kinder gesprochen, die Eltern auf Corona-Demonstrationen in die Hauptstadt mitgebracht hatten. Bei der zugehörigen Debatte ging es um die elterliche Verantwortung gegenüber ihren Kindern, vor allem bei Demonstrationen, auf denen mit Ausschreitungen zu rechnen ist. Wenn in solchen Fällen gehandelt werde, beispielsweise seitens des SCAS, gehe es mitnichten sofort darum, ein Kind der Obhut der Eltern zu entziehen, erklärte Lenz damals. Jede Situation müsse individuell begutachtet werden – und generell sei die Herausnahme aus der Familie immer nur das allerletzte Mittel, wenn alle anderen Maßnahmen versagt hätten. Das seien dann zum Beispiel Untersuchungen der „section des enquêtes sociales“ oder eine eingeleitete Erziehungshilfe, die regelmäßig Rückmeldungen erstattet.
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