/ Kino in 4DX ist ein Abenteuer für die Sinne - allerdings nicht für jedermann
Brennendes Metall, Blut im Gesicht – und die Bierfahne eines Superhelden. Wer sich für einen Film in 4DX im Kinepolis entscheidet, muss sich auf einiges gefasst machen. Denn die Technik soll alle Sinne bedienen. Da ist Abenteuerlust Pflicht, meint unsere Redakteurin Jessica Oé. Sie hat das neue Kinoerlebnis ausgetestet.
Ein völlig neues Filmerlebnis – nicht weniger verspricht Kinobetreiber Kinepolis mit seinem neuen 4DX-Saal auf Kirchberg. Als Film- und Kinofan durfte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen. Vor allem da das Unternehmen den Superheldenstreifen „Avengers: Endgame“ als Premierefilm für die neue Technik ausgewählt hat. Der Kampf gegen den Superschurken Thanos findet also nicht nur in 3D statt – sondern mit allen Sinnen.
„Water on“
Optisch hat sich hier nicht viel verändert: Der Kinosaal sieht noch immer aus wie ein Kinosaal. Nur gibt es weniger Sitzreihen. Gewöhnungsbedürftig finde ich die Platzsuche: Die Buchstaben der Reihen auf dem Boden der Treppen kann ich nicht sonderlich gut lesen. Und die Nummern der Sitze befinden sich seltsamerweise auf der Rückseite der Vorderbank.
Die Sitze selbst sind in Vierergruppen eingeteilt. Obwohl sehr geräumig, kommt man seinem Sitznachbar doch nah, denn die Armlehnen sind sehr schmal. Die Stühle sind ungewohnt hoch und ziemlich hart – vielleicht müssen die Filmfans sie noch „einsitzen“. Dennoch: Die neuen Kinosessel zwingen mich dazu, mich aufrecht hinzusetzen – reinkuscheln kann man sich nicht. Die Füße finden auf einem Absatz Platz. Irgendwie habe ich das Gefühl, eher in einem Cockpit als in einem Kinosessel Platz zu nehmen. An der Lehne meiner rechten Armlehne ist ein Schalter angebracht. Hier kann ich die Wassereffekte ein- und ausschalten. Natürlich belasse ich die Einstellung auf „on“ – wenn schon, denn schon.
Ich setze die 3D-Brille auf – und der Film geht los. Schon erlebe ich den ersten Effekt. Während Iron Man und Nebula im Raumschiff Benatar Milano ohne Antrieb im Weltraum treiben, kippt der Sitz nach hinten und bewegt sich zur Seite. Tatsächlich stellt sich bei mir eine Art Gefühl von Schwerelosigkeit ein. Fantastisch – so darf es ruhig weitergehen.
Effekte mit Wirkung
Es gibt Situationen, in denen mich 4DX-Effekte tatsächlich noch tiefer in den Film eintauchen lassen und das Filmerlebnis verbessern. Beispielsweise als die Superheldin Captain Marvel mit dem Raumschiff landet und nicht nur der Boden im Film, sondern auch der Stuhl vibriert. Oder als der nach Rache dürstende Hawkeye mit seinem modifizierten Katana Bösewichte niedermetzelt: Wenn dem Held Kugeln um die Ohren fliegen, ducke ich mich automatisch mit. Denn Luftdüsen, die im Nackenbereich in den Stuhl integriert sind, schießen plötzlich los. Und als auf der Leinwand das Blut spritzt, werde ich plötzlich selbst nassgespritzt. Ich muss zugeben: Ich habe nachgeschaut, ob es wirklich Blut ist.
Wenn Hulk auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks nach New Asgard reist, kommen vor allem die Geruchseffekte zum Einsatz. Ich fühle das tiefe Brummen des völlig überlasteten Motors – und habe den Geruch von funkenschlagendem Metall in der Nase, als die Unterseite des Autos wegen des Gewichts des grünen Helden über den Asphalt schleift. Etwas später betritt Thor die Bühne. Der Superheld hat offensichtlich inzwischen ein Alkoholproblem – und rieche ich da nicht etwa eine Bierfahne? Die Gerüche sind subtil eingesetzt. Angst, wegen einer irritierten Nase plötzlich eine Niesattacke zu bekommen, habe ich an keiner Stelle.
Raus aus dem Film
Aber so effektiv die 4DX-Technik bei verschiedenen Szenen auch sein mag – in vielen anderen reißt sie mich leider aus dem Film heraus. Besonders die Stroboskop-Lichter, die Gewitter simulieren sollen, sind für mich nur ein einziges Mal ein immersives Erlebnis. Ansonsten erleuchten sie den Kinosaal so hell, dass man die Sitze vor einem und sogar die weiße Leinwand in aller Deutlichkeit erkennen kann. Fast ist es so, als wenn jemand mitten im Film sein Smartphone aus der Hose zieht, um kurz seine Nachrichten zu checken – nur 1.000 Mal störender.
Im Vorfeld war ich besonders skeptisch, was die Bewegungen der Schüttelsitze anbelangt. Ich bin kein großer Fan von Achterbahnen und es graute mir davor, drei Stunden lang durchgerüttelt zu werden. Diese Angst erwies sich als unbegründet – es werden nicht dauernd Effekte eingesetzt –, aber ich bin dennoch froh, nicht vor oder sogar während des Films gegessen zu haben. Während der heftigsten Kampfszenen werde ich durchgeschüttelt wie im Ferienflieger, der über dem Atlantik in heftige Turbulenzen geraten ist. Glücklicherweise hatten meine Sitznachbarn ihr Popcorn da schon aufgegessen – es wäre vermutlich mehr als nur ein bisschen auf dem Boden gelandet. Störender finde ich allerdings, dass ich durch die Sprünge und Schläge des Sitzes nicht mehr ruhig die Handlung auf der Leinwand verfolgen kann.
Am meisten ärgert mich allerdings die Willkürlichkeit der Effekte. Wenn Captain Americas Rasierer beim Ablegen aufs Waschbecken denselben Effekt auslöst wie ein vorbeistampfender Giant-Man, dann stimmt etwas mit den Proportionen nicht. Unlogisch ist auch der Zeitpunkt, an dem die Technik eingesetzt wird. Da Hulk während des Films weder an Gewicht zunimmt noch welches verliert, müssten seine Schritte eigentlich immer die gleichen Vibrationen auslösen. Doch scheinbar hat Bruce Banner ab und zu äußerst dicke Socken an: Wackelt in einigen Szenen der ganze Stuhl, wenn er sich fortbewegt, ist der Hulk in anderen völlig lautlos und ohne irgendeine Vibration unterwegs.
Ein kleines Fazit
4DX ist ein absolutes Abenteuer – allerdings nicht für jedermann. Wer schon mit 3D nichts anfangen konnte, sollte lieber auch von 4DX die Finger lassen. Und auch Couch-Potatos wie ich finden mehr Spaß an anderen Innovationen von Kinepolis – wie beispielsweise an Filmen in Laser-Ultra-HD. Was man sich von einem Kinobesuch erwartet, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Außerdem ist die Filmwahl entscheidend. Avengers: Endgame in 4DX hat mich vor allem wegen seiner Spielzeit von drei Stunden mit den Effekten überfordert. Die Technik würde passender für einen Film von kürzerer Dauer sein. Besonders gut könnte ich mir die 4DX-Technologie bei Auto- und Actionfilmen wie „The Fast and the Furious“ vorstellen – und bei Horrorfilmen, bei dem die Schockeffekte durch einen plötzlichen Schlag in den Rücken und einen Spritzer Blut hier und da bestimmt für Gänsehaut sorgen können.
Was ist eigentlich 4DX?
Hinter der Bezeichnung 4DX steckt eigentlich nichts anderes als eine Technik, die schon seit Jahren auf Jahrmärkten und Freizeitparks in einer Art 4-, 5- oder 6D-„Kino“ angewandt wird. Statt nur vor einem stinknormalen Film zu sitzen, soll der Besucher in die Handlung einbezogen werden. Dazu werden sämtliche Sinne stimuliert: Die Stühle bewegen sich, die Sitzfläche vibriert, Regen prasselt herab, sogar Gerüche werden übertragen – 4DX kennt scheinbar keine Grenzen. Der Unterschied zu den Attraktionen in den Freizeitparks ist allerdings, dass die 4DX-Filme länger dauern als nur ein paar Minuten, die Effekte subtiler sind und die Technik ausgereifter.
Kinepolis hat den Kinosaal 4 auf Kirchberg mit der neuen Technik der südkoreanischen Firma CJ 4DPLEX ausstatten lassen. Ursprünglich gab es hier 194 Sitzplätze, mit 4DX sind es jetzt 116 motorisierte Sitze und vier Plätze für Rollstuhlfahrer. 18 Tage hat es gedauert, bis der Kinosaal fertig umgewandelt war. Wie viel der Umbau gekostet hat, will Kinepolis auch auf Nachfrage nicht verraten. Laut amerikanischen Zeitungen könnte der Umbau eines 200-Sitze-Saals bis zu eine Million Dollar kosten. Mit etwa der Hälfte der Sitze, dürfte Luxemburgs neuer 4DX Saal also eine Investition von rund 500.000 Euro bedeutet haben. Für den Kinobesucher ist das 4DX-Erlebnis mit einem Aufpreis von 6 Euro verbunden. Damit liegt Luxemburg in der normalen Preissparte.
Laut seiner Webseite hat das Unternehmen CJ 4DPLEX bereits 620 Kinos in 62 Ländern mit der 4DX-Technik ausgestattet. Besonders erfolgreich und beliebt ist die Technik in Asien. Erst 2014 wurden die ersten Kinos in den USA und in Europa umgebaut. In der Großregion bleibt 4DX noch eine Rarität – außer in Luxemburg sind nur Kinosäle in Charleroi und Lüttich damit ausgestattet.
Die 4DX-Effekte werden von CJ 4DPLEX für die Kinofilme entwickelt und sind in einer Datei mit dem Film gekoppelt, sodass nicht plötzlich die Effektspur eines anderen Filmes eingelegt werden kann. Obwohl die südkoreanische Firma auf ihrer Webseite mit zahlreichen Weiterentwicklungen wirbt – wie zum Beispiel einem 360-Grad-Kino oder die Verbindung von VR-Brillen mit der 4DX-Technik – hat Kinepolis keine Pläne, das auch in Luxemburg einzuführen. Auch werden wohl nur Blockbuster mit 4DX-Technik eingekauft und gezeigt. Gaming-Events oder Konzerte in 4DX, wie ebenfalls von CJ 4DPLEX angedacht, werden in Luxemburg nicht stattfinden.
Die Effekte
Stuhl mit Eigenleben
Die meiste Technik steckt bei 4DX im Kinositz. Die Hydraulik unter der Viererbank kann die Sitze nicht nur abrupt nach oben stoßen, sondern auch seitwärts absenken, nach rechts oder links fahren oder nach vorne und hinten kippen. In jedem Stuhl sind außerdem Vibrationsflächen in Sitzfläche und Rückenlehne eingebaut. Rollen können dem Zuschauer zudem Stöße in den Rücken oder gegen die Beine versetzen.
Nicht nur heiße Luft
Wind spielt bei 4DX eine wichtige Rolle. Dafür gibt es Luftkanonen, die auf Nackenhöhe in der Sitzlehne angebracht sind. Sie können Luftstöße auslösen und simulieren zum Beispiel vorbeifliegende Kugeln. Der Luftkanal am Nacken dient zusätzlich dazu, warme Luft zu verströmen. So kann eine Hitzewelle simuliert werden. Vom Vordersitz aus bläst eine Luftdüse dem Kinogast hingegen beispielsweise Fahrtwind ins Gesicht. Über die Düsen werden auch die Gerüche verbreitet.
Ist das Blut?
Wer sich nur ungern Wasser ins Gesicht spritzen lässt, sollte den „Spritzeffekt“ unbedingt ausschalten. Von vorne trifft das Wasser zielgenau ins Gesicht der Zuschauer – macht dennoch nicht übermäßig nass. Bei Regen gibt es aber eine deutlichere Wirkung. Dabei kommt es auf die Länge des filmischen Wolkenbruchs an. Wenn „Regen“ in 4DX auch nur ein paar Tropfen bedeuten, kann sich dieser Effekt doch so summieren, dass Haare und Kleidung leicht feucht werden.
Gimmicks für den ganzen Saal
Links und rechts unter der Decke des Kinosaals hängen Windturbinen für die „großen“ Effekte. Die Ventilatoren sollen Stürme mitsamt heftigem Regen simulieren. Bei Gewittern flackern zudem Stroboskop-Lichter für die Blitze auf. Schnee- und Seifenblasen-Maschinen stehen ebenso bereit – und zwei Nebelmaschinen direkt unter der Leinwand.
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