/ Klangwelten: Von virtuosen Regengüssen auf der Veranda
Virtuoser Schostakowitsch
DIMITRI SCHOSTAKOWITSCH – A Light In The Dark
Von Alain Steffen
Wertung: 10/10
Anspieltipps: Festliche Ouvertüre, Andante (Klavierkonzert Nr. 2), Allegretto (Symphonie Nr. 9)
Die Festliche Ouvertüre A-Dur op. 96, das Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur op. 102, die Symphonie Nr. 9 Es-Dur op. 70: drei Werke des russischen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, die auf dieser SACD unter dem Titel „A Light in the Dark“ zusammengefasst werden. Und tatsächlich erleben wir hier ein optimistisches, virtuoses und sehr fantasievolles Programm, das vor allem zwei Künstler und ihre hervorragenden Interpretationen in den Vordergrund stellt.
Da ist die Pianistin Sabine Weyer, die ein brillantes 2. Klavierkonzert spielt. Sehr virtuos und funkelnd nimmt sie die beiden Ecksätze und ein enorm gefühlvoll und tief empfunden gespieltes Andante zeugen von der großen Kreativität dieser Musikerin. Kein Zweifel also, wir erleben hier eine absolut hinreißende Pianistin, die eine Meisterin auf der Klaviatur der Farbnuancen und des Timings ist. Darüber hinaus begeistert Weyer durch ein sehr präzises, virtuoses Spiel, das ohne Effekthascherei und Selbstinszenierung auskommt.
Diese CD bringt aber auch den jungen Dirigenten Erich Polz in den Fokus des Interesses, der eine wirkliche Entdeckung darstellt und den man in Zukunft unbedingt im Auge behalten muss. Polz erweist sich nicht nur als ein mitreißender Dirigent, wie wir das beispielsweise in der Festlichen Ouvertüre erleben können, sondern auch als ein aufmerksamer, stimulierender Begleiter im Klavierkonzert.
Und so wundert es keinen, dass sich diese beiden Musiker die Noten wie Pingpongbälle zuwerfen und im wahrsten Sinne des Wortes wirklich zusammen atmen und musizieren. Überragend dann auch die 9. Symphonie, bei der Polz genau den richtigen Ton trifft, gerne mal die Musik überzeichnet, was auch passt und richtig ist, und den Hörer bewusst mit einem Wechselbad der Gefühle konfrontiert. Hier stehen Trauer und Ironie, Ernst und Spott nebeneinander. Hinzu kommt ein absolut überzeugendes Dirigat, das zeigt, dass der 33-jährige Österreicher Erich Polz sein Handwerk versteht.
Die Nordwestdeutsche Philharmonie begeistert durch ein ebenso dynamisches wie virtuoses und technisch brillantes Spiel. Ich habe mir die Mühe gemacht und einige sogenannte Staraufnahmen gegengehört. Und ich kann nur sagen, dass sich Erich Polz, die Pianistin Sabine Weyer und die Nordwestdeutsche Philharmonie vor Jansons, Haitink oder Roschdestwenski (für die Symphonie Nr. 9) und Melnikov/Currentzis, Matsuev/Gergiev oder Rudy/Jansons (für das Klavierkonzert) nicht zu verstecken brauchen. Eine Top-Aufnahme, die für mich, was diese Werke betrifft, zu den besten zählt. Exzellent ist auch die Aufnahmetechnik von Ars.
Scheiß auf den Regen!
SARAH CONNOR – Herz Kraft Werke
Von Oliver Seifert
Wertung: 6/10
Anspieltipps: Vincent, Flugzeuge aus Papier (für Emmy), Unter alten Jacken, Kleinstadtsymphonie
Auf ihrem bereits zehnten Album „Herz Kraft Werke“ schüttet uns Sarah Connor wieder ihr großes Herz aus. 15 sehr persönliche Lieder erzählen aus einem Leben, in dem Liebe der Schlüssel ist und die Familie das Nonplusultra. Die Kinder („Unendlich“), die Eltern („Schloss aus Glas“), der Mann („Dank Dir“), die Heimat („Kleinstadtsymphonie“) werden thematisiert, der Mann wird obendrein noch rigoros verteidigt („Keiner pisst in mein Revier“), der Ex-Mann entschlossen verabschiedet („Unter alten Jacken“).
Connor, 1980 geboren, lässt ihren Emotionen freien Lauf, sie verlangt wie der kleine Prinz, mit dem Herzen zu sehen, oder behauptet wie Marianne Rosenberg, dass er eindeutig zu ihr gehört. Sie haucht und flüstert, hofft und klagt, wünscht und fordert mit eindrucksvoller Stimme, die nicht nur mit Crescendo und Vibrato ganz selbstverständlich spielt. Ihre intimen Liebeslieder bekommen ein musikalisches Gerüst gezimmert, das ihnen Luft lässt und die Freiheit, auf das große Getue zu verzichten. Karg sind meist die Akkorde, zart die Melodien, die sich immer mal aufbäumen, spartanisch die Instrumente von Klavier, Akustikgitarre, Schlagzeug bis Streicher, ohne die es natürlich nicht geht. Balladen in verschiedenen Gefühlszuständen sind das Ergebnis, die nicht alle überzeugen und insgesamt einer strengeren Auswahl bedurft hätten.
Doch die Sängerin, durch Trash-TV-, Schlüpfer- oder Hymnen-Skandälchen früh zu einem gewissen Ruf gekommen, sucht ihren eigenen Sound innerhalb des standardisierten Mainstream-Kitsches. Dafür sind Formulierungen wie „Arsch aufreißen“, „ins Revier pissen“ oder „auf Regen scheißen“ rustikale Beispiele eines authentisch anmutenden Sprachgebrauchs.
Als Künstlerin, die mittlerweile ihre eigenen Lieder schreibt, findet sie immer mehr zu sich selbst und muss weder von der große Klappe einer Ina Müller noch von der großen Show einer Helene Fischer eingeschüchtert sein. Ernsthafte Konkurrenz sind beide nicht.
Auf Johns Veranda
J.J. CALE – Stay Around
Von Gil Max
Wertung: 9/10
Anspieltipps: Lights Down Low, Stay Around, Go Downtown, Tell Daddy
Wenn die Musik ihres Mannes gelobt wurde, pflegte Christine Lakeland stets anzumerken, die Platten seien ganz okay, doch die schönste Musik spiele J.J. Cale nur für sie abends auf der heimischen Veranda. Da wäre man gern einmal dabei gewesen: irgendwo außerhalb Tulsas am See (oder später in Kalifornien am Rande eines Campingplatzes) auf Cales Terrasse vor seinem Wohnwagen an einer Margarita zu nippen und entspannt in den Sonnenuntergang zu schauen, während sich der Meister des Laidback-Sounds eine akustische Gitarre schnappt und das Picking von „Okie“ anstimmt. Zugegeben, ziemlich viele Klischees auf einmal, aber nettes Wunschdenken.
Dieselbe Christine Lakeland hat nun – sechs Jahre nachdem der Mann, mit dem sie 36 Jahre zusammen war, im Alter von 74 Jahren an einem Herzinfarkt starb – gemeinsam mit Cales Manager Mike Kappus 15 unveröffentlichte Songs aus dem Nachlass des Musikers zusammengestellt und veröffentlicht. Das Ergebnis treibt einem Freudentränen in die Augen: Bereits nach wenigen Takten der ersten Nummer taucht man in die Welt des John Weldon Cale ein, der einen so lässig wie eh und je mit seinem Tulsa-Sound beglückt.
Die beiden Herausgeber haben kein halbgares Zeug zusammengetragen: keine unfertigen Lieder, deren Veröffentlichung der Urheber der Musik so nicht zugestimmt hätte, was (für eine Handvoll Dollar) leider sehr häufig passiert. Nein, sie sind auf Kompositionen aus verschiedenen Schaffensperioden gestoßen, bei denen Einspielung und Abmischung bereits vollständig im Kasten waren. Und so zeigt uns Cale posthum noch einmal, was seine Musik so genial machte: das einzigartige Amalgam aus Country, Blues, Rock’n’Roll und Jazz, der unnachahmliche (Sprech-)Gesang, der häufig nicht mehr als ein Flüstern war, das sparsame, warme Gitarrenspiel.
Eric Clapton hat ihn verehrt und jahrzehntelang – vergeblich – versucht, seinen Sound zu kopieren, während sich der bescheidene Mann aus Tulsa zeitlebens den Mechanismen der Musikindustrie verweigerte und nur selten auftrat.
Allerdings ließ er sich bereitwillig Tantiemen im sechsstelligen Bereich auszahlen – der Legende nach bar im Geldkoffer, weil er kein Bankkonto hatte –, wenn Sir Eric wieder mal einen seiner Songs gecovert und zu einem Welthit gemacht hatte.
Clapton liegt nun neues Forschungsmaterial vor – mal sehen, was er daraus macht!
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