Weltraum / Kleos Space: Luxemburger Weltraumfirma macht Jagd auf Piraten
Kleos Space aus Bonneweg baut derzeit an einer Flotte von Mikrosatelliten zur Erdüberwachung. Bereits im nächsten Jahr will das Unternehmen Geld verdienen. Über eine Idee, den Standort Luxemburg und die Weltraumindustrie abseits des Space Mining.
Piraten, die ihrem Handwerk nachgehen wollen. Schwimmende Fabriken, die die Fischbestände eines anderen Landes plündern. Eine Handelsflotte, die trotz eines bestehenden Embargos Waren aus dem Land schaffen will. Sie alle sind darauf angewiesen, dass man sie nicht sieht. Ein Schiff auf dem offenen Meer zu verstecken, ist unmöglich. Es für eine Weile unsichtbar zu machen, hingegen nicht.
Schiffe, egal ob Kreuzfahrtschiff oder Containerschiff, nutzen ein automatisches Identifikationssystem (AIS), mit dem sie ihre Position und andere relevante Daten permanent übermitteln. Das System ist seit 2000 für alle Schiffe in der internationalen Fahrt Pflicht. Will eine Crew ihre Position allerdings nicht preisgeben, dann schaltet sie ihr AIS ab. Dieses illegale Fahren ohne AIS wird im Jargon „going dark“ oder „dark shipping“ genannt. Die Schiffe können sich so, relativ unauffällig unter dem Sternenhimmel in den Weiten der Ozeane bewegen und ihrem illegalen Treiben nachgehen.
Während auf den Ozeanen gefischt, geschmuggelt und geentert wird, geht es im Weltall etwas friedvoller zu. Hier durchkämmen Teleskope die Galaxis nach neuen Welten, Rover durchsuchen das Sonnensystem. Die ISS, die einzige Raumstation der Menschheit, sprintet in atemberaubendem Tempo um die Erde. Die Menschheit treibt es immer weiter ins Weltall hinaus, um ihren Wissensdurst zu befriedigen.
Erster Billionär
Nicht alle suchen im Weltall nach Wissen. Einige sehen darin durchaus ein Geschäftsmodell. Space Mining, so heißt es, wird den ersten Billionär hervorbringen. Doch bevor es so weit ist, machen andere bereits Profite im Weltall oder stehen kurz davor. Der Satellitenbetreiber SES zum Beispiel, der mit seiner inzwischen riesigen Satellitenflotte längst nicht mehr nur Fernsehbilder überträgt. Der Antennenpark des Unternehmens in Betzdorf ist ein weithin sichtbares Zeichen für die Größe und den Erfolg der Firma und ihrer Tochtergesellschaften. Der Komplex hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Wald und Flur in dem eigens für Technologieunternehmen angelegten Gewerbegebiet auf der grünen Wiese zwischen Betzdorf und Olingen breitgemacht.
Die Firma Kleos in Bonneweg ist unscheinbarer. Kein Antennenpark und kein Wachhäuschen. Dafür der Nebeneingang eines Bürogebäudes und ein modern eingerichtetes, helles Büro unter dem Dach, in dem junge Menschen an ihren Computern arbeiten. Dazu ein Konferenzraum, an dessen Wand eine riesige Weltkarte hängt. Andrew Bowyer, CEO und Mitbegründer von Kleos Space, gibt sich lässig. Keine Spur von einem strengen Chef. Start-up-Atmosphäre. Das Unternehmen ist hier in Luxemburg zu Hause, das unterstreicht Bowyer. Hier wurde die Firma gegründet und hier ist sie dabei zu wachsen.
Kleos gehört zu einer Gruppe von Unternehmen, die sich als New Space bezeichnen. Eine neue Generation innovativer und sehr schnell agierender Firmen, die sich im Weltraum und in Luxemburg breitmachen. Auch wegen des gerade verabschiedeten Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP), der diesen Bereich als Zukunftsbranche erkannt hatte. Schneiders Vorgänger Jeannot Krecké (LSAP) hatte bereits eine Reihe von Zukunftssektoren identifiziert (Informations- und Kommunikationstechnik, Biotech, Ökotech, Logistik) und Schneider hatte diesen den Weltraum hinzugefügt. In Luxemburg finden diese Unternehmen ein Umfeld vor, in dem sie gedeihen können, mit einem Ministerium, das ihnen wohlgesonnen ist, hochkarätigen Konferenzen und Zugang zu privaten und öffentlichen Finanzmitteln.
Erdobservation
Wer nicht darauf warten will, bis die ersten Bohranlagen auf einem Asteroiden auf Platin stoßen, der hat grob gesagt zwei Möglichkeiten. Er betreibt entweder Kommunikations- oder Observations-Satelliten.
Kleos Space hat sich der Erdbeobachtung verschrieben. Das Unternehmen bereitet sich gerade darauf vor, eine erste Konstellation bestehend aus vier Satelliten ins Weltall zu bringen. Die Branche, so Bowyer, wird unterteilt nach dem elektromagnetischen Spektrum, das die Satelliten der unterschiedlichen Firmen abdecken. Einige Unternehmen machen Aufnahmen im sichtbaren Bereich des Lichts, Fotos also. Andere wiederum machen Infrarotaufnahmen. Kleos will mit seinen Satelliten einen besonderen Bereich der Radiowellen abdecken – Ultrakurzwellen –, der zum Beispiel von Walkie-Talkies benutzt wird. Damit will und kann das Unternehmen keine Gespräche abhören, doch aber feststellen, wo solche Geräte benutzt werden.
Damit verschafft Kleos den Behörden in dem Versteckspiel auf offener See einen neuen Trumpf. Schmuggler, Piraten und wildernde Fischereiflotten benutzen bei ihren Aktivitäten Funkgeräte. „Wenn Schmuggler Ware von einem Schiff auf ein anderes oder an Land schaffen, koordinieren sie sich per Ultrakurzwelle. Das ist sehr sicher für sie, weil diese Wellen am Boden nur schwer aufgefangen werden können“, erklärt Bowyer. Die Wellen krümmen sich nicht um den Horizont, sondern verschwinden ins Weltall. Wenn die Satelliten von Kleos Signale von Funkgeräten dort aufspüren, wo sich offiziell keine Schiffe befinden sollten, da es dort kein AIS-Signal gibt, dann können Behörden wie die Küstenwache der Sache nachgehen. Bowyer spricht von „tipping and cueing“ (dt.: Tipps und Hinweise geben).
Erdumkreisung in Rautenform
Damit die Position einer Signalquelle bestimmt werden kann, müssen mehrere Satelliten das Signal orten. Kleos verwendet deshalb Konstellationen von jeweils vier Satelliten, die in einer annähernden Rautenform die Erde umkreisen. In einer ersten Phase sollen sieben dieser Quartette gestartet werden. Ein erstes wurde gerade nach Indien geliefert, um von dort aus ins All geschossen zu werden.
Kleos designt die Mikrosatelliten von der Größe eines Schuhkartons selbst und konzentriert sich auf sein Kerngeschäft. Den Bau der Satelliten, Personalangelegenheiten, Pressearbeit und Buchhaltung überlässt die Firma anderen. Geld verdienen will Kleos mit dem Verkauf der gesammelten Daten. „Data as a service“ nennt sich das auf Neudeutsch. Potenzielle Nutzer sind Küstenwachen oder NGOs. Auf seiner Internetseite gibt Kleos an, im Bereich „Defence“, also Verteidigung, tätig zu sein. Dies sei dem Umstand geschuldet, so Bowyer, dass die Küstenwache oft dem Verteidigungsministerium untergeordnet ist.
Luxemburg handelt, was das Weltall angeht, ein wenig widersprüchlich, findet Bowyer. Einerseits gibt es das Space Mining, das noch lange braucht, bis es die ersten Gewinne abwerfen wird. Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen wie Kleos Space, die auch kurzfristig im Weltall Geld verdienen können. Trotzdem, so Bowyers Gefühl, wird dem Space Mining viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Tatsächlich hatte Wirtschaftsminister Etienne Schneider mit seiner Space-Mining-Initiative für viel medialen Wirbel weltweit gesorgt.
Aufregend und groß
„Mein Mitbegründer Miles Ashcroft und ich selbst haben 2005 in Großbritannien ein Unternehmen für Raumfahrttechnik gegründet. Wir haben Ausrüstung für die europäische Weltraumbehörde gebaut und an Forschungsmissionen teilgenommen.“ 2009/10 haben Bowyer und sein Team begonnen, mit Satelliten und Antennen zu experimentieren. Die physikalische Grundlage für Kleos ist entstanden. „Um 2015, 2016 wussten wir, dass es möglich ist.“ Gleichzeitig wurden Mikrosatelliten immer zuverlässiger, sodass Satelliten-Dienste auch mit kleinen Satelliten möglich sind, die billiger in der Herstellung sind und günstiger in das Weltall geschossen werden können. „Uns war klar, dass wir mit dem Projekt Kleos auf etwas sehr Aufregendes und Großes gestoßen waren.“ Anstatt ihre Firma umzukrempeln, haben Bowyer und Ashfort das Projekt ausgelagert und Kleos Space in Luxemburg gegründet. Und zwar nicht als Tochtergesellschaft, sondern als eigenständige Firma. 2018 ging Kleos in Australien an die Börse. Seitdem verdoppelte sich der Preis der Aktie.
Am Standort Luxemburg fühlt sich die Firma zu Hause. „Wir haben uns überall in der Welt umgesehen. Wir waren in Colorado, Spanien und Schottland. Wir haben uns für Luxemburg entschieden. Wir haben mit Luxinnovation zusammengearbeitet und mit Etienne. Wir haben geschaut, wie wir das Projekt zu einem Erfolg führen können.“ Was Bowyer hörte, gefiel ihm. Luxemburg sei der richtige Ort für Kleos, entschied er.
Mit „Etienne“ ist der ehemalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider gemeint. Der neue Minister Franz Fayot (LSAP) will die Anstrengungen in der Weltraumbranche fortsetzen. Im Tageblatt-Interview sagte Fayot, eine erfolgreiche Initiative wie die Weltraum-Initiative nicht fortzuführen, wäre „blöd“.
Typisch luxemburgisch
Vor Kurzem hat Kleos sogar den ersten Luxemburger eingestellt. Bowyer und Ashcroft selbst sind Briten. Auch das ist typisch luxemburgisch und zeugt davon, wie international die Branche ist. Es stimmt schon, dass es schwer ist, Talente in diesem Bereich zu finden, bestätigt Bowyer. Dieses Problem bestehe aber überall auf der Welt – egal ob Luxemburg oder Paris. Also kein Standortnachteil für das Großherzogtum. Bowyer ist außerdem der Meinung, dass es viele Menschen gibt, die bloß nicht wissen, dass sie im Weltraumbereich arbeiten könnten. Ein Programmierer, der sein Leben lang für eine Bank gearbeitet hat, könnte auch in der Weltraumbranche seinen Job machen, glaubt er.
Bald wird also eine Rakete mit luxemburgischen Satelliten an Bord vom Satish Dhawan Space Centre in Chennai in Indien abheben. Ausgerechnet eine Firma aus Bonneweg beginnt nun mit der weltweiten Jagd auf Schmuggler und Piraten.
Wie wäre es mit einer, in Luxemburg basierten Firma, die mittels Mikrosatelliten Einbrecher ortet? Eigentlich bräuchte man auch keine Satelliten, diskrete Elektromobile würden genügen und den energetischen Minister freuen. Ich hätte auch schon einen Namen für die Firma: PO-Liss.