Ratgeber Hand- und Unterarm-Gesundheit / Klingt harmlos, ist es aber nicht: Wenn Sehnenentzündungen und taube Finger die Arbeit stören
Sehnenscheiden-, Schleimbeutelentzündungen oder Schreibkrampf: Im Volksmund werden all diese Erkrankungen unter dem Begriff „Mausarm“, in Anlehnung an die Computermaus, zusammengefasst. Doch so harmlos, wie der Begriff es vermuten lässt, ist das Leiden für die Betroffenen ganz und gar nicht. Dr. Robert Berend ist Orthopäde und hat jahrzehntelange Erfahrung auf dem Gebiet. Mit ihm sprach Daisy Schengen über typische „Mausarm“-Erkrankungen und moderne Behandlungsmethoden.
Tageblatt: Dr. Berend, der „Mausarm“ steht für ein ganzes Spektrum an Erkrankungen, die durch chronische Überbelastung bei den immer gleichen Tätigkeiten an der Hand und am Unterarm auftreten. Im englischen Sprachraum wird dafür der Begriff der „Repetitive Strain Injury“ (RSI) benutzt, der „Verletzung durch wiederholte Belastung“.
Dr. Robert Berend: Was wir heute unter „Mausarm“ verstehen, ist eine Summe von Überbelastungserscheinungen, die zuerst Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff „Schreibarm“ erfasst und beschrieben wurde. Diese Überbelastungserscheinungen beruhen auf Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens und sind am Sehnenansatz der Strecksehnen verortet.
Mitte des 20. Jahrhunderts kam u.a. der Begriff „Tennisellenbogen“ auf, der größtenteils auf einen zu schweren Holzschläger oder auf die falsche Technik beim Rückschlag zurückzuführen war. Heutzutage kommt diese Überbelastung beim Tennis seltener vor. Sie tritt vor allem bei Menschen auf, deren Beruf eine sich immer wiederholende Öffnung und Schließung der Hand erfordert (z.B. beim Blumenschneiden oder bei sonstiger Nutzung von Scheren).
Wie häufig haben Sie in Ihrer jahrzehntelangen Laufbahn Patienten mit einer Erkrankung aus der Gruppe des sogenannten „Mausarms“ behandelt?
Es ist nicht verwunderlich, dass durch die Verbreitung der Informatik und der sich daraus ergebenden Arbeit mit der Computermaus – d.h. dem repetitiven Beugen und Strecken insbesondere des Zeige- und Mittelfingers – eine ähnliche Überbelastungssymptomatik entstanden ist. So ist aus dem „Schreibarm“ der „Mausarm“ geworden.
Gibt es bestimmte Berufe, die besonders für solche Erkrankungen vorgezeichnet sind?
Wie ich bereits erwähnte, sind es die Berufe, die ein sich wiederholendes Beugen und Strecken der Finger und des Handgelenks erfordern, das folglich zu Schmerzen an der Außenseite des Ellenbogens führt.
Nun zu anderen Erkrankungen, die im Volksmund auch unter dem Sammelbegriff „Mausarm“ zusammengefasst werden. Darunter fallen auch Sehnenentzündungen …
Sehnenscheidenerkrankungen beruhen auf einer ebenfalls durch Überbelastung bedingten Verdickung des Sehnengleitgewebes, vor allem dort, wo Sehnen unter elastischen Bändern durchlaufen müssen. Diese Erkrankungen findet man häufig am unteren Bereich der Speiche (siehe Infobox).
Wie diagnostiziert man eine Sehnenscheidenentzündung? Welche Behandlungsmethoden bieten sich hier an?
Erstes Symptom ist die Druckempfindlichkeit an der besagten Stelle, am unteren Bereich der Speiche. Es gibt aber auch andere Tests zur Diagnostizierung einer Sehnenscheidenentzündung, z.B. das Anspannen der Sehnen bei Gegenkraft.
Welche Behandlungsmethoden bieten sich bei Sehnenscheidenentzündungen an?
Die erste Maßnahme ist die Schonung der betroffenen Sehnen. Anschließend stehen Physiotherapie und Quermassagen an. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit stellt die Ruhigstellung durch einen Gipsverband oder eine Schiene dar. Als letzte Möglichkeit gibt es dann noch den operativen Eingriff.
Karpaltunnelsyndrom und Radfahrerlähmung sind zwei weitere Vertreter der Erkrankungen der Hand, die auch unter dem Sammelbegriff „Mausarm“ zusammengefasst werden. Wodurch zeichnen sich diese beiden Erkrankungen aus?
Das Karpaltunnelsyndrom ist eine durch Druck bedingte Reizung eines Nervs an der Hohlhandseite des Handgelenks, welches sich besonders nachts durch Schmerzen und Kribbeln in den Fingern bemerkbar macht. Bedingt durch Überbelastung findet man es häufig bei Mountainbike-Fahrern oder bei Menschen, die beispielsweise mit einem Presslufthammer arbeiten. Am häufigsten zeigt sich das Karpaltunnelsyndrom jedoch hormonbedingt bei Frauen in den Wechseljahren.
Welche Mittel hat die Medizin, um Karpaltunnelsyndrom und Radfahrerlähmung zu behandeln?
Zu Beginn der Therapie wird eine Infiltration mit Kortison (eine Gelenkinjektion mit dem entzündungshemmenden Mittel Kortison, Anm. d. Red.) vorgenommen. Sollte diese Maßnahme nicht zu einer dauerhaften Besserung führen, ist die operative Methode sehr erfolgversprechend und führt zu einer spontanen Verbesserung der Beschwerden.
Je nach Entwicklungsstadium sind bei Sehnenscheidenentzündungen oder Karpaltunnelsyndrom, um nur zwei Beispiele zu nennen, nicht zwingend chirurgische Eingriffe nötig. Welche Tipps haben Sie für Menschen, die dem vorbeugen wollen bzw. den Fortschritt der Erkrankungen verlangsamen möchten?
Operationen sollten immer die letzte Behandlungsmethode darstellen, sind jedoch leider bei diesen Erkrankungen häufig unvermeidbar. Wichtig zu bemerken ist, dass Menschen, die viel am Computer arbeiten, auf die richtige Stuhlhöhe und die richtige Position zu ihrem Computer achten (z.B. indem die Arme bis zum Ellenbogen auf dem Schreibtisch aufliegen, Anm. d. Red.).
Anatomie der Hand
Das Handgelenk bildet die Verbindung zu den Handknochen. Elle und Speiche – so heißen beide lange Knochen, die vom Handgelenk zum Oberarmknochen führen. Die Elle, die von oben auf den Handrücken gesehen außen liegt, heißt in der Fachsprache Ulna, die Speiche, die sich an der Innenseite befindet, wird fachsprachlich Radius genannt.
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Legen Sie sich eine vertikale Maus zu wie alle anderen, und die Schmerzen sind passé.