/ Kloppende Väter und Irrsinns-Tempo: Das verhandelt das Friedensgericht in Esch
Zwei Väter, die wegen einer zerrissenen Kinder-Jeans heftig streiten. Alkohol am Steuer. Ein Auffahrunfall und eine Frau, die ihrem Sportwagen alles abverlangt. Damit hat sich das Escher Friedensgericht am Freitag befasst.
Marco Goetz (Text), Isabella Finzi (Foto)
Escher Friedensgericht. Sitzungssaal 1, gestern Morgen. Das sogenannte Polizeigericht tagt, deshalb ist auch ein Polizist im Saal anwesend. Punkt neun Uhr geht es los. Richter, Vertreterin der Staatsanwaltschaft und Gerichtsschreiber betreten den Saal. Sie tragen ihre schwarze Robe. Alle Anwesenden erheben sich. „La séance est déclarée ouverte“, sagt Richter Linden. Alle setzen sich.
Im ersten Fall geht es um einen Streit im April 2018 in Esch/Alzette. Zwei Männer, nennen wir sie einfachheitshalber M1 und M2, beschuldigen sich gegenseitig, handgreiflich geworden zu sein. Ort der Handlung: der Platz vor der Brillschule. Zeitpunkt: kurz vor Schulschluss. Streitursache: eine zerrissene Kinder-Jeans. Das soll zuvor passiert sein: Sohn von M1 schubst Tochter von M2, die fällt zu Boden. Hose kaputt. M2 verlangt von M1 den Schaden zu bezahlen. M1 lehnt ab. Dann sollen es die Väter ihren Kindern gleichgetan haben: Es kam zur körperlichen Auseinandersetzung.
Nur ein Akt der Selbstverteidigung
Keine einfache Aufgabe für das Gericht. Der jeweils andere habe den Streit provoziert, geschubst und dann zugeschlagen, sagen die beiden Männer. Jeder gibt an, sich nur verteidigt zu haben. Die Situation scheint leicht verworren. Nicht alles im Dossier ist klar.
Auch die beiden Zeuginnen bringen nicht den kompletten Durchblick. Wohl beschreiben beide in ihren Aussagen M2 als den aggressiveren Part, komplett übereinstimmend sind die Aussagen aber nicht und sie decken wohl nur einen Teil der Auseinandersetzung ab.
Vom Crescendo an wüsten Schimpfwörtern, zum Beispiel, haben sie nichts mitbekommen. Über seine Dolmetscherin lässt M2 mitteilen, dass die Aussagen der Zeuginnen nicht die Wahrheit widerspiegeln. M1, der die Zeuginnen ausfindig gemacht hat, widerspricht nicht. Es geht mitunter leicht turbulent zu, der Richter muss immer mal wieder zur Ordnung rufen.
So undurchsichtig dieser Fall auch scheint, Fakt ist, dass es im April 2018 einen Streit gegeben hat und Spuren zurückgeblieben sind, die bei beiden Männern von einem Arzt bestätigt wurden. Fakt ist auch, dass M1 Schadenersatz fordert. M2 hingegen nicht. Auf das Urteil am 12. Juli darf man gespannt sein.
Ein anderer Fall: Ein eher schmächtiger Mann tritt mit seinem Anwalt vor den Richter. Dem Mann wird überhöhte Geschwindigkeit vorgeworfen, etwas zu viel Alkohol ist auch mit im Spiel gewesen. „Ich habe in meinem Restaurant mit einem Kunden noch einen getrunken“, sagt der Mann. „Haben Sie die Auswirkungen des Alkoholgenusses denn nicht gespürt, als Sie nach Hause gefahren sind?“, fragt der Richter. Knappe Antwort: „Nein!“
Sein Mandant sei geständig, zeige Reue, habe keinen Eintrag im Strafregister und brauche den Führerschein, um seiner Arbeit nachkommen zu können, Bewährung sei also angebracht, plädiert der Anwalt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft verschließt sich dieser Forderung nicht. Der Betroffene steht vor dem Richter und scheint nicht recht zu wissen, wie ihm geschieht. Er darf gehen. Das Urteil ergeht am nächsten Freitag.
Nächster Fall. Am 1. Oktober 2017 fährt ein Mann bei Dunkelheit an einer Kreuzung auf ein vor ihm stehendes Fahrzeug auf. Er gibt an, das Auto nicht gesehen zu haben, weil dessen Lichter ausgeschaltet waren.
Das Problem: Die Frau im ersten Fahrzeug wird verletzt und muss eine Woche krankgeschrieben werden – und der Mann steht unter leicht überhöhtem Alkoholeinfluss. Die Frau ist heute als Zeugin gehört worden. Nein, sie sei nicht mit dem Mann verwandt und sie werde die Wahrheit sagen. Sie muss die rechte Hand heben und schwören. Der Richter klärt die Frau über ihre Rechte und Pflichten auf. Während die Zeugin den Verlauf des Unfalls aus ihrer Sicht schildert und betont, dass ihrer Lichter eingeschaltet waren, bekommt der Beschuldigte eine Simultanverdolmetschung. Das nimmt etwas Zeit in Anspruch.
Ob das Licht am Auto der Frau nun ein- oder ausgeschaltet war, wird man heute nicht mehr hundertprozentig feststellen können. Fakt sei aber, dass der Mann unter Alkoholeinfluss gefahren sei und nicht mehr Herr des Autos war und, dass eben Schaden an Fahrzeug und Person entstanden sei, sagt die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und fordert drei Monate Fahrverbot, verschließt sich aber nicht einer Bewährungsstrafe. Urteil: ebenfalls am 12. Juli.
Forsche mit dem Porsche unterwegs
Am nächsten Freitag ergeht dann auch das Urteil in einem Fall, bei dem eine Frau mit ihrem Porsche am Ende der Escher Autobahn in Richtung Kreisverkehr Raemerich mit satten 242 km/h geblitzt wurde. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigt sich sehr erstaunt. Erlaubt sind an der Stelle nur 90 km/h. Doch damit nicht genug. Anschließend habe sie im nahen Kreisverkehr ihr Fahrzeug zu Schrott gefahren und sich an den Armen verletzt, sagt ihr Anwalt. Die Frau selbst hat gestern Morgen keine Aussage machen können. Sie weilt zurzeit nämlich in den USA.
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