Luxemburg / „Knackpunkt Personalverwaltung“: Krankenhäuser stellen sich auf Omikron-Welle ein – und heben Impfschutz hervor
Gesundheitsministerin Paulette Lenert hat am Freitag Fachpersonal aus den Krankenhäusern zu einer Pressekonferenz geladen, um die Situation auf den Intensiv- und Normalstationen zu erläutern. Das Fazit: Die Lage ist noch stabil – doch die Auswirkungen der Omikron-Infektionen werden erst nächste Woche erwartet. Zudem: Erläuterungen, warum die Impfung mehr bewirkt, als die nackten Zahlen aussagen.
Die Anordnung der Sessel hätte auf eine lockere Talkshow schließen lassen können, der Anlass war aber um so einiges ernster. Gesundheitsministerin Paulette Lenert hat mit sechs Ärzten aus Luxemburgs Krankenhäusern Stellung zur derzeitigen Covid-Lage bezogen. „Die Bestandsaufnahme fällt nicht schön aus, aber die derzeitige Lage war so zu erwarten“, sagt Gesundheitsministerin Paulette Lenert auf der Pressekonferenz am Freitag. Man habe mit über 5.000 Neuinfektionen bei 23.000 Tests in einer Woche einen für Luxemburg nie gekannten Anstieg der Neuinfektionen feststellen müssen. „80 Prozent der positiven PCR-Tests deuten mittlerweile auf die Omikron-Variante hin.“ Das sei laut der LSAP-Ministerin eine Verdreifachung des Omikron-Anteils seit dem 16. Dezember. Der R-Wert liege mittlerweile wieder über der kritischen Marke von 1,0.
Der Altersdurchschnitt der Infizierten ist mit 33 im Vergleich zur Vorwoche (32) einigermaßen stabil und auch in den Krankenhäusern seien noch keine Auswirkungen der Omikron-Welle zu spüren. „47 Personen liegen auf der Normalstation, auf der Intensivstation befinden sich 20 Patienten“, sagt Lenert zu den Zahlen des Vortages. Am Freitag lagen 50 Personen auf der Normalstation, 22 Personen auf der Intensivstation. „Auch wenn es für die Betroffenen nicht schön ist, können wir statistisch gesehen von einer ruhigen Lage sprechen.“ Der Altersdurchschnitt der stationär behandelten Patienten liege bei 56 Jahren. Auch die Impfkampagne laufe derzeit zufriedenstellend. „Es entscheiden sich weiterhin Leute für eine Erstimpfung.“
Boosterimpfung für Jugendliche
75 Prozent der Gesamtbevölkerung haben mittlerweile eine erste Impfung erhalten, 85 Prozent seien es bei den über 12-Jährigen. „Wir sind jetzt endlich dort angekommen, wo wir eigentlich schon länger hin wollten“, sagt Lenert im Hinblick auf die Impfrate. Hoffnung gebe auch die derzeitige Auslastung der Impfzentren. 3.500 weitere Termine für eine Erstimpfung und 66.000 Termine für eine Boosterimpfung bis zum 5. Februar seien bislang registriert worden.
Aufgrund der starken Präsenz der Omikron-Variante sei die Wartezeit für eine Boosterimpfung abermals von vier auf drei Monate angepasst worden. Zur Erinnerung: Mit dem Jahreswechsel wurde die Wartezeit bereits von fünf auf vier Monate heruntergesetzt. Auch wurden die Boosterimpfungen für Jugendliche ab zwölf Jahren freigegeben.
Lage in den Krankenhäusern
Infektiologin Thérèse Staub aus dem „Centre Hospitalier du Luxembourg“ berichtet von einer ruhigen Lage im CHL. „Vor Weihnachten waren alle der 24 verfügbaren Betten belegt“, sagt Staub. Derzeit seien es lediglich 13. Wie sich Omikron auf die Lage auswirken werde, wisse sie jedoch nicht. „Bei sieben der 13 Patienten wurde die Omikron-Variante identifiziert.“ Jeder, der in den kommenden Wochen mit einer Covid-Erkrankung eingeliefert werden würde, werde mit der Omikron-Variante infiziert sein, ist sich die Medizinerin sicher.
Die Lage beim Personal sei derzeit aber entspannter als noch vor ein paar Monaten. „Derzeit sind 53 Mitglieder des Krankenhauspersonals positiv getestet worden“, sagt Staub. Im November seien es noch 120 gewesen. Unter den geimpften Patienten, die als Covid-positiv in den Statistiken auftauchen würden, seien auch einige Patienten von anderen Stationen, deren primäre Erkrankung aber nicht Covid sei. Diese haben dank der Impfung auch nicht viele Symptome, meint Staub. Bei den Patienten, die als Covid-Todesfälle aufgezeichnet werden, ist sich die Infektiologin aber sicher: „Die sind wegen und nicht mit dem Virus gestorben.“
Plädoyer fürs Vakzin
Wie die Lage auf den Intensivstationen aussieht, beschrieb Christophe Werer, Leiter der Intensivstation im CHL. „Es gibt kein Krankheitsbild, das in Luxemburg eine derartige Ausnahmesituation hervorgerufen hat“, sagt Werer. Er habe das in 20 Jahren noch nicht erlebt. „Dass die Lage einigermaßen unter Kontrolle ist, ist einzig und allein dem Einsatz des Personals zu verdanken.“ Die Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden müssten, seien 40 bis 70 Jahre alt. Die meisten seien Patienten, die aufgrund einer Vorerkrankung besonders gefährdet seien. „Dazu zählen Herzerkrankungen, Diabetes, aber auch schon leichtes Übergewicht“, sagt Werer. Nach sieben bis 15 Tagen Beatmung könnten die meisten transferiert werden. „In einigen Fällen aber hängen Patienten wochenlang an einer Beatmungsmaschine – obwohl sie längst nicht mehr Corona-positiv sind“, sagt Werer. Auch wenn diese dann nicht mehr in den Statistiken auftauchen würden, würden diese Patienten ein Bett und Personal in Anspruch nehmen.
Der Arzt aus dem CHL ging dann auch noch einmal auf die Diskrepanz zwischen der Geimpften-/Ungeimpften-Quote auf der Intensivstation ein. „Insgesamt haben wir in den letzten drei Monaten elf Patienten betreut, die entweder ein- oder zweimal geimpft waren“, sagt Werer. Das würde ungefähr 30 bis 35 Prozent der Fälle ausmachen. „Aber wir müssen auch schauen, was hinter den Zahlen steckt.“ Drei Patienten seien wegen eines völlig anderen Problems als Covid-19, wie zum Beispiel eines Autounfalls, auf der Intensivstation behandelt worden.
Das reale Verhältnis zwischen geimpften und ungeimpften Patienten auf der Intensivstation liege demnach wohl eher bei 20 Prozent zu 80 Prozent. „Wir dürfen Covid auch weiterhin nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sagt Werer. Die Sterberate liege auf der Intensivstation bei etwa 30 Prozent. Und: „Die Chancen verschlechtern sich, wenn wir den Patienten intubieren müssen.“
Knackpunkt Personal
Der Fokus im weiteren Pandemiemanagement liege laut Gesundheitsministerin jedoch auf der Personalverwaltung. „Das Personal ist der Knackpunkt“, sagt Lenert. „Wir müssen sicherstellen, dass nicht mehr Personal ausfällt.“ Auch Marc Berna, Gastroenterologe in den „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS) und zuständig für die Organisation der Covid-Normalstation in den HRS, sagt, dass das Personal derzeit unter einer Mehrbelastung arbeiten müsse. Es sei deshalb wichtig, dass möglichst wenige Patienten überhaupt erst im Krankenhaus landen. „Dafür sind gesamtgesellschaftliche Anstrengungen nötig: Impfung, Maske und Abstand.“ Luxemburg habe ein hochentwickeltes Gesundheitssystem, das aber schlussendlich auch auf die Kompetenz des Ärzte- und Pflegepersonals angewiesen sei.
„Glücklicherweise hat die Virulenz des Virus mit der Hospitalisierungsrate geswitcht“, sagt Romain Schockmel, Gefäßchirurg und Medizinischer Direktor im „Centre Hospitalier Emile Mayrisch“. Experten gehen bisher davon aus, dass die Omikron-Variante viel infektiöser ist, jedoch weniger schwere Verläufe hervorruft als die Delta-Variante. Trotz der „Explosion der letzten Wochen“ habe das CHEM derzeit nur sechs der möglichen elf Rea-Betten belegt. „Wir stellen eine gewisse Stabilität fest.“ Die regulären Chirurgietermine könnten derzeit noch bis auf wenige Ausnahmen wahrgenommen werden, sagt Schockmel. „Ich hoffe, wie alle anderen hier wohl auch, dass sich die Situation nicht weiter verschlechtert.“
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