Satire / Königsetappe zum Kneiff: Vorentscheidung zwischen Lenert und Bettel um den Gesamtsieg? Asselborn Favorit auf Etappensieg
Nach der „Päischtcroisière“ geht es für unsere Politiker in dieser Woche hoch hinaus. In der siebten Folge von „Cringe – Grenzfälle der Luxemburger Politik“ ist das Tageblatt bei der Tour de Luxembourg mit dabei und berichtet live von der Königsetappe, die mit dem Schlussanstieg zum Kneiff Spannung pur verspricht. Favorit auf den Etappensieg ist Jean Asselborn, während die Führenden der Gesamtwertung Paulette Lenert und Xavier Bettel möglichst wenig Zeit verlieren wollen. Andere verstehen wiederum einfach nicht, was es mit dem Hype um das schweißbasierte Fortbewegungsmittel auf sich hat – und wollen es mit allen Mitteln sabotieren.
Wenige Kilometer noch bis zum Ziel. Die Sonne brennt Jean Asselborn in den Nacken, Schweißperlen rinnen aus dem Haar unter dem windschnittigen Helm des Außenministers hervor, kullern über die Stirn und bleiben kurz in den Augenbrauen hängen – nur um kurz darauf auf den Lenker seiner Rennmaschine zu tropfen. Ein kurzer Antritt, zwei, drei flotte Pedaltritte und schon löst sich der Politiker im letzten Anstieg hinauf zum Kneiff aus dem Peloton – einzig Félix Braz kann mit dem Tempo von Asselborn schritthalten. „Auf seinem Liegerad hat er ja auch kaum Luftwiderstand“, grummelt Asselborn missmutig.
In der Gruppe der Gesamtführenden beginnt das Taktieren, keine Partei will die kräfteraubende Nachführarbeit leisten, um am Ende vielleicht wertvolle Sekunden auf die direkten Konkurrenten zu verlieren. Paulette Lenert, Teamkapitän der LSAP, beordert Engel und Cruchten von der Spitze des Pelotons zurück und hängt sich in deren Windschatten. „Der kommt schon als Erster oben an und hält uns unsere Plätze auf der Terrasse frei“, lacht die gut gelaunte Ministerin. Lenert sitzt trotz einer anstrengenden Etappe locker im Sattel und hat ihre Teamkollegen um sich geschart. Der Etappensieg ist der LSAP kaum noch zu nehmen – und ein Blick auf ihren schärfsten Konkurrenten Xavier Bettel lässt auch Hoffnungen auf die Gesamtführung wecken.
Neben ihr hat der Anführer der DP-Bande mit hochrotem Kopf deutliche Probleme, das Tempo zu halten. „Zu lange gefeiert?“, lacht Lenert ihren Konkurrenten an. Im Politikerpeloton machte am Morgen vor Etappenstart schnell das Gerücht die Runde, dass die gesamte DP-Truppe im Saumur eine wilde Partynacht veranstaltete, um die angekündigten Lockerungen der Regierung in einem Pilotprojekt zu testen. „Ach halt doch die …“, will Bettel gerade zu einer Schimpftirade ausholen, als er von einer wilden Hust-Attacke unterbrochen wird und sich zurückfallen lassen muss. Schnell wird Bettel nach hinten durchgereicht und von Fahrern jeder Couleur überholt. Fairerweise soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Grünen auch nur dank ihrer Elektrofahrräder mit der roten Übermacht an der Spitze mithalten konnten.
Als Bettel aus dem Peloton zurückfällt, schießt von hinten der DP-Abgeordnete Max Hahn heran. Verzweifelt versucht er, die Lücke zwischen dem Gruppetto der Abgehängten und dem Peloton zu schließen. „Jetzt mach schon, streng dich an!“, raunzt Bettel sein Helferlein an, während er Meter um Meter, Sekunde um Sekunde auf die Führungsgruppe verliert. Verzweifelt blickt Hahn über die Schulter zu seinem Leader, der sichtlich außer Form ist. „Xav, et mussen einfach méi Leit op de Vëlo“, beschwert sich das junge Talent über die mangelnde Nachwuchsarbeit innerhalb der eigenen Partei. „Nicht jetzt, Max“, verbietet Xavier seinem Windschattenspender schwer atmend den Mund.
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In der Fahrzeugkolonne der Teammanager werden im Tour-Radio die letzten 100 Meter der Fahrer kommentiert: „Asselborn setzt zum Sprint an, Braz versucht nachzuziehen. Kriegt er die Lücke zugefahren? Nein, nein, Asselborn setzt sich ab und fliegt zum Etappensieg! Jean Asselborn gewinnt am Kneiff vor Félix Braz.“ Zufrieden lehnt sich Laurent Mosar in seinem pechschwarzen SUV zurück. „Hauptsache kein Grüner“, grölt er freudestrahlend und kramt sein Telefon hervor, um seine Freude in die ganze Welt hinauszuzwitschern. Sein Team, die CSV, hatte als klassische Sprintermannschaft – und das stand seit Etappenbeginn fest – mit dem Etappenausgang und auch der Gesamtwertung eh nichts zu tun.
Hinter dem Wagen der CSV donnert das Teamfahrzeug der DP den letzten Anstieg hinauf. Es war still im Inneren geworden, nachdem den Verantwortlichen mitgeteilt wurde, dass ihr Hoffnungsträger auf den Gesamtsieg, Xavier Bettel, den Anschluss verloren hatte. Eigentümerin Corinne Cahen vergräbt ihr Gesicht in den Händen, am Steuer blickt Lex Delles schon fast apathisch nach vorn auf die Straße. Lediglich DP-Teammanagerin Lydie Polfer blickt mit einem süffisanten Lächeln aus dem Fenster. „Dann hat dieser Unsinn hier auch bald ein Ende“, flüstert Polfer ihrem im Fenster des Autos reflektierenden Spiegelbild zu. Das Display ihres Smartphones flackert auf – eine Textnachricht aus dem Saumur: „service“.
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Wieso erinnert mich dieser Artikel an das empfehlenswerte Buch des französischen Profiradfahrers und Philosophen Guillaume Martin “ Sokrates auf dem Rennrad “ ( Eine Tour de France der Philosophen ) ?