Gewissensfrage / Kommt die Impfpflicht in Luxemburg? Das sollten Sie wissen
Wird in Luxemburg womöglich bald eine Corona-Impfpflicht eingeführt? Premier Bettel (DP) kündigte bereits im Dezember Diskussionen im Parlament an. Konkrete Informationen gab es allerdings noch nicht. Das Tageblatt hat nachgefragt, wann die Verhandlungen beginnen und was auf dem Spiel steht.
Immer mehr Staaten sehen sich gezwungen, eine Impfpflicht einzuführen. In diversen Ländern ist sie bereits Realität. Doch Impfpflicht ist nicht gleich Impfpflicht. Nun sollen auch in Luxemburg in Kürze Gespräche beginnen, um die Einführung gesetzlich vorgeschriebener Corona-Impfungen abzuwägen. Was wir bereits wissen – und was nicht.
Ist die Einführung einer Impfpflicht politisches Neuland? – Nein. Luxemburg ist keineswegs eine Ausnahme oder ein Pionier auf dem internationalen Spielplan. Die Impfpflicht existiert bereits in vielen Ländern – sowohl eine allgemeine als auch eine berufsspezifische bzw. partielle Impfpflicht. Der Vatikan hat beispielsweise als erster Staat in Europa eine Impfpflicht für alle Angestellten beschlossen. Auch in Österreich ist die Einführung einer gesetzlich verpflichtenden Impfung bereits beschlossene Sache. Und das sind bei weitem nicht alle Länder, die sich für eine Form der Impfpflicht ausgesprochen haben.
Wird es eine Impfpflicht in Luxemburg geben? Die Einführung einer Impfpflicht scheint zu diesem Zeitpunkt nicht unwahrscheinlich zu sein. Wie genau diese aussehen könnte, bleibt noch abzuwarten. Zuerst muss das Thema in der Chamber diskutiert und ein Gesetz gestimmt werden. Luxemburg orientiert sich zudem stets stark an den Nachbarstaaten. Entscheidungen in Deutschland, Frankreich und Belgien beeinflussen das politische Geschehen hierzulande maßgeblich. Am drastischsten war dies bei den kurzzeitigen Grenzschließungen zu sehen. Dieses Mal könnte ein positiver Effekt entstehen: Die Einführung einer Impfpflicht in einem der größeren Nachbarländer könnte die politische Entscheidung in Luxemburg erleichtern bzw. beschleunigen.
So laufen die Gespräche in Deutschland Luxemburgs großer Nachbar hat beschlossen, dass bis zum 15. März alle Beschäftigten von Kliniken, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen ihrem Arbeitgeber einen Nachweis als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen. Alternativ kann ein ärztliches Attest vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, dass man aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden darf.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Bundestagsentscheidung über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht für Februar angekündigt. Aus den Fraktionen selbst sollen nach bisherigem Informationsstand drei verschiedene Abstimmungsanträge eingebracht werden: Einer soll die Impfpflicht ab 18 Jahren befürworten, einer erst ab 60 Jahren sowie ein dritter die Impfpflicht ablehnen. Der bayrische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte vorgeschlagen, die Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte zu erhöhen, da das Risiko für Ungeimpfte, an Corona schwer zu erkranken, deutlich erhöht sei. Dieser Vorschlag stieß allerdings auf nur wenig Zustimmung.
Wie könnte solch eine Impfpflicht aussehen? Im Ausland haben sich bereits unterschiedliche Formen der Impfpflicht etabliert: So gilt in Frankreich eine berufsspezifische Impfpflicht für das gesamte Gesundheitspersonal. In Österreich hingegen soll am 1. Februar eine allgemeine Impfpflicht für alle Bürger ab 14 Jahren eingeführt werden. Vorstellbar wäre allerdings auch eine Impfpflicht nach dem Muster von St. Petersburg: Dort müssen sich alle Menschen ab 60 Jahren impfen lassen.
Impfpflicht, Impfzwang – das ist doch alles das Gleiche? – Falsch. Bei einer Impfpflicht und einem Impfzwang handelt es sich um zwei unterschiedliche Dinge. Sollte sich die luxemburgische Regierung für die Einführung einer Impfpflicht entscheiden, bedeutet das nicht, dass Verweigerer damit rechnen müssen, vor einen Arzt gezerrt zu werden und mit Gewalt eine Nadel in den Arm gejagt zu bekommen. Die Impfpflicht verpflichtet die Bürger per Gesetz dazu, sich impfen zu lassen. Sollten sie dieser Pflicht nicht nachkommen und ihr Zuwiderhandeln fliegt auf, müssen sie mit einer Sanktion/Strafe, ggf. in Form eines Bußgeldes, rechnen. Das Tageblatt hatte sich im Artikel „Der Unterschied zwischen Impfpflicht und Impfzwang – und was in Luxemburg möglich wäre“ die rechtliche Abgrenzung vom Justiz-Pressesprecher erklären lassen.
Wann sollen die Debatten um die Impfpflicht in der Chamber anlaufen? Die Regierung hatte bereits angekündigt, Mitte Januar über eine Impfpflicht in Luxemburg diskutieren zu wollen. Das Justizministerium habe schon erste Schritte eingeleitet, um den rechtlichen Aspekt einer obligatorischen Impfung zu analysieren. Das teilte der Premierminister am 24. Dezember in einer Chamber-Sitzung mit.
Xavier Bettel hat im RTL-Neujahrsinterview angekündigt, dass zwischen dem 5. und dem 15. Januar Gespräche im Parlament geführt werden sollen. Ein Sprecher des Staatsministeriums bestätigte am Montag (3.1.2022) gegenüber dem Tageblatt Bettels Aussage: Die Debatten sollen noch in der Woche nach dem 7. Januar bzw. nächste Woche anlaufen. Ein genaues Datum gebe es allerdings noch nicht. Auch der Präsident der Chamber-Gesundheitskommission, Mars Di Bartolomeo (LSAP), sagte am Montag im Tageblatt-Gespräch: „Ich weiß auch nicht mehr. Ich warte nun auf Details, wann und wie das ablaufen soll.“
„Ich weiß auch nicht mehr. Ich warte nun auf Details, wann und wie das ablaufen soll.“Präsident der Chamber-Gesundheitskommission
Was ist bereits bekannt? Di Bartolomeo sagt, er habe bisher noch keinen Input gesehen. Noch sei überhaupt nichts entschieden. Er verschließe sich allerdings nicht einer offenen Debatte in der Chamber, in der die verschiedenen Aspekte genauestens abgewogen würden. Bettel teilte allerdings in seinem Neujahrsinterview mit, dass die Justiz schon dabei sei, einen Gesetzestext auszuarbeiten.
Wie stehen Luxemburgs Parteien zur Impfpflicht? Die CSV hat sich bereits letztes Jahr für eine allgemeine Impfpflicht in Luxemburg ausgesprochen und dementsprechend eine Motion in der Chamber vorgelegt. Die Motion wurde abgelehnt, da laut den meisten Parlamentariern noch viel Diskussionsbedarf bestehe, ehe so eine schwerwiegende Entscheidung getroffen werde.
Und es ist definitiv keine leichte: „Ich bin in dieser Frage zerrissen“, sagt Di Bartolomeo. „Ich stand einer Impfpflicht bisher immer skeptisch gegenüber, weil ich der Meinung bin, dass so eine Impfpflicht nicht aus der Hüfte heraus entschieden werden soll.“ Es handele sich dabei nämlich „nicht um eine Diskussion, die schwarz-weiß ist, sondern in Grautönen geführt werden muss.“ Der LSAPler betont zwar, wie wichtig es sei, sich impfen zu lassen, ein Wundermittel sei dies allerdings nicht. „In dieser Krise hat es keine einfache Diskussion gegeben“, sagt er. Zu keinem Zeitpunkt habe es die 100-prozentige Wahrheit oder eine Wunderlösung gegeben, ansonsten wäre das Virus bereits Geschichte.
Auch die Abgeordnete Nathalie Oberweis („déi Lénk“) ist nicht ganz angetan von dem Gedanken, eine Impfpflicht einzuführen: „Et ass e kriddelege Sujet.“ Sie sei zwar offen für Gespräche und würde sich diesbezüglich gerne wissenschaftliche Studien zeigen lassen, die die Einführung einer Impfpflicht rechtfertigen und deren Nutzen bestätigen würden, doch: „Meine Grundhaltung bleibt eine ganz kritische, ganz klar“, sagt sie im Tageblatt-Gespräch am Montag.
„Man kann nicht derart krass einschneidende Maßnahmen einführen, ohne konkrete Erwartungen zu haben“, meint Oberweis. Was genau man sich von der Impfpflicht erhoffe, wisse sie bis heute nicht – etwa nur eine höhere Impfquote? Bevor eine Entscheidung fällt, solle man sich im Klaren sein, was die Einführung einer Impfpflicht überhaupt bringe, also welche Wirkung sie tatsächlich auf das Pandemiegeschehen haben könne. Bisher seien ihr keine neuen Elemente vorgelegt worden, die ihrer Meinung nach eine Impfpflicht rechtfertigen würden.
Welche Aspekte müssen bei solch einem Schritt beachtet werden? Bei der Einführung müssen diverse Aspekte beachtet und abgewogen werden: darunter juristische, aber auch ethische Fragen. Auch der Ablauf müsse geklärt werden. Geht man wieder vor wie bei der Impfkampagne – Vulnerable zuerst und dann nach Altersgruppe? Oder müssen sich zuerst bestimmte Berufsgruppen impfen lassen, wie etwa das Gesundheitspersonal? Bettel meinte im RTL-Neujahrsinterview, dass er eher für Ersteres plädiere – das sei allerdings seine persönliche Meinung und nicht zwingend jene der Regierung.
Eine weitere Frage, die gestellt werden müsse: „Mit welchen Mitteln wird dafür gesorgt, dass die Impfpflicht durchgesetzt wird?“, gibt Di Bartolomeo zu bedenken. Etwa Sanktionen, Strafgelder oder andere Konsequenzen? Die Parlamentarier müssten gründlich darüber debattieren, was getan werden muss, um „im Interesse der öffentlichen Gesundheit zu handeln“ und dabei die Freiheiten aller zu berücksichtigen.
Oberweis wirft ein, dass es sich dabei um eine äußerst einschneidende Maßnahme handele, eine Maßnahme, die ohne Zweifel einen Rattenschwanz der Diskriminierung nach sich ziehe – den es allerdings auch jetzt schon gebe. Darum sei es umso wichtiger, solch eine Entscheidung auf Basis harter wissenschaftlicher Fakten zu treffen.
Wie reagieren Luxemburgs Impfgegner? Die Fronten verhärten sich zunehmend – vor allem aber im Netz, in den „sozialen“ Medien. Unter zahlreichen geteilten Zeitungsartikeln findet man mittlerweile heftige verbale Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegner der Regierungsmaßnahmen. Dabei werden auch diverse „Memes“ und Karikaturen geteilt, mit denen beide Lager ihren Argumenten Gewicht verleihen wollen – oder die einfach nur herablassend, verletzend und anklagend sind. Eine ganze Reihe von Impfgegnern zeigt ihre Überzeugung mittels ihrer Facebook-Profilbilder: Viele beinhalten Slogans, anhand derer sie sich gegen die Impfung aussprechen.
Die Protestaufrufe haben Ende Dezember während der Feiertage an Schwung verloren. An Heiligabend protestierten rund 100 Demonstranten auf dem Knuedler. Auch am ersten Weihnachtstag fanden sich wieder knapp 50 Demonstranten auf dem Glacis ein. An Silvester wurde eine weitere Demo der Maßnahmengegner offiziell angemeldet. Am Neujahrstag hatten sich wiederum knapp 100 Menschen auf dem Glacis zusammengefunden.
Zudem wurde auf dem Messenger-Dienst Telegram zu spontanen Zusammenkünften in diversen Städten und Dörfern Luxemburgs aufgerufen. Die Treffen sollten landesweit am Montag (3.1.2022) um 19.00 Uhr stattfinden – unter anderem in Differdingen, Esch, Echternach, Ettelbrück, Grevenmacher, Diekirch, Junglinster und Luxemburg-Stadt.
„Es gibt viele gefährliche Krankheiten und dennoch hat Luxemburg nie zuvor zu einer derart radikalen Maßnahme gegriffen wie die Corona-Impfpflicht“. Stimmt das? – Nein. Auch diese Behauptung ist nicht richtig: Tatsächlich wurde bereits am 27. Juni 1906 eine Impfpflicht in Luxemburg eingeführt. Damals wurde eine Impfung gegen die Pocken im 1. und im 11. Lebensjahr gesetzlich verpflichtend gemacht.
Die Luxemburger Armee verfügt seit dem 1. Januar 2022 über eine indirekte sektorielle Impfpflicht: Neue Rekruten bei der Armee werden demnach nur dann angenommen, wenn sie ein komplettes Impfschema vorweisen. Ist das nicht der Fall, werden sie vom Militärarzt voraussichtlich für „nicht geeignet für den Militärdienst“ befunden. Die Voraussetzung wurde schon am 25. Oktober 2021 zu den Aufnahmebedingungen hinzugefügt. Soldaten, die bereits Mitglied einer „Unité de disponibilité opérationnelle“ sind, müssen ebenfalls komplett geimpft sein.
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Et ass erem wei bei vollem, wenn Politiker giffen Léit dobaussen froen dann giffen se gesinn dat iwert 50% dovir wären.