Statec / Konjunkturbericht: Energiepreise stabilisieren sich auf Vorkrisenniveau – Kerninflation schreitet weiter voran
Die Europäische Zentralbank versucht der Inflation mit einer weiteren Leitzinserhöhung die Stirn zu bieten. Aber auch die bisherigen Zinserhöhungen sind nicht spurlos an Luxemburg vorübergegangen. Statec lieferte am Montag die neuesten Zahlen zur Preisentwicklung im Großherzogtum.
Noch sind wir nicht über den Berg. Darum hat die Europäische Zentralbank (EZB) am 27. Juli eine weitere Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte eingeleitet. „Diese geldpolitische Straffung ist in ihrem Ausmaß und ihrer Geschwindigkeit ein Novum“, schreibt das nationale Statistikinstitut Statec in seinem neuen Konjunkturbericht vom Montag. Damit steige der Leitzins auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Die jüngste Erhöhung ist bereits die neunte in Folge. 2022 kündigte die EZB erstmals seit elf Jahren wieder eine Erhöhung des Zinssatzes an, um den Spannungen auf dem Energiemarkt und den Nachwirkungen der Pandemie entgegenzuwirken. In den vergangenen zwölf Monaten ist der Leitzins inzwischen um 4,25 Prozent gestiegen.
Ein Ende des Kurses der EZB ist derzeit nicht in Sicht. Ziel ist es, die Inflationsrate in der Eurozone mittelfristig auf zwei Prozent zu bringen. Es gibt allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Staaten bezüglich der Inflation sowie der vom Staat getroffenen Unterstützungsmaßnahmen angesichts der Energiekrise. Während die östlich gelegenen Staaten noch zweistellige Inflationsraten aufweisen, ist ein Viertel der Länder der Eurozone (einschließlich Luxemburgs) wieder bei einer Inflationsrate nahe drei Prozent angelangt, schreibt Statec.
Die Inflation werde hauptsächlich von den Lebensmittel- und Dienstleistungspreisen angetrieben. Während die Energiepreise wieder fallen und die Nahrungsmittelinflation sich zwar nur mäßig verlangsamt, halte die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) weiter an, schreibt Statec. Diese sei im Juli in der Eurozone auf 5,5 Prozent gestiegen. Im Mai lag sie noch bei 5,3 Prozent. Zudem sei nun ein gewisser Aufholprozess bei den Reallöhnen zu beobachten, die mit der hohen Inflation stark gesunken waren.
Auf dem Weg zur Besserung
Im Juni 2023 ging die Inflationsrate auf 3,2 zurück. Im Jahr davor lag sie noch auf 7,4 Prozent. Diese Entspannung sei größtenteils auf die wieder sinkenden Energiepreise zurückzuführen. Der Anstieg der Lebensmittelpreise, der sich seit dem Ukraine-Krieg stark beschleunigte, lag im Juni bei plus 11,2 Prozent im Jahresvergleich. Wenngleich immer noch hoch, so sei jedoch eine Abschwächung zu erkennen: Im März habe es noch einen historischen Höchststand von plus 13,3 Prozent gegeben. Statec schließt allerdings nicht aus, dass es angesichts der geopolitischen Lage und der Wetterverhältnisse wieder zu einem verstärkten Anstieg kommen kann.
Die Energiepreise sind hingegen seit ihrem Höchststand im Jahr 2022 wieder deutlich gesunken und haben sich im zweiten Quartal 2023 sogar wieder unter dem Vorkrisenniveau stabilisiert, geht aus dem Statec-Bericht hervor. Der Rückgang der Gaspreise sei einerseits auf den Rückgang der Nachfrage (13% weniger im Jahresvergleich im ersten Quartal 2023), bedingt durch die europäischen Sparmaßnahmen, sowie den milden Winter zurückzuführen. Andererseits würden die inzwischen großen Lagerbestände Ängste um die Versorgungssicherheit mildern. Die Vorräte würden derzeit einen Füllstand von über 80 Prozent erreichen, gegenüber 55 Prozent in 2021 und 65 Prozent in 2022.
Bei den Strompreisen seien laut Statec ähnliche Tendenzen zu erkennen. Die Stromproduktion werde durch meteorologische Faktoren stark beeinflusst: So hatten die überdurchschnittlich hohen Temperaturen und die Dürre im Sommer 2022 die Atom- und Wasserkraftproduktion verringert, was sich 2023 auch wieder wiederholen könnte, meint Statec.
Einbruch des Immobilienmarkts
Der straffe Kurs der EZB habe allerdings Auswirkungen auf die Realwirtschaft, während der erhoffte Effekt auf die Inflation weitaus länger dauere, analysiert Statec. So sei beispielsweise der durchschnittliche Zinssatz für Wohnungsbaudarlehen im Mai im Jahresvergleich um 2,3 Prozentpunkte gestiegen (plus 2,5 in der Eurozone), was erhebliche Folgen auf den Immobilienmarkt und das Baugewebe hatte. Auch die Zinssätze für Verbraucherkredite seien um zwei Prozentpunkte gestiegen. Trotz allem gehöre der Luxemburger Zinssatz von 4,5 Prozent zu den niedrigsten in der ganzen Eurozone (7,6 Prozent im Schnitt). Aber dennoch würden sich laut Statec die Geschäftsaussichten in der Luxemburger Industrie wieder verschlechtern.
Im ersten Quartal 2023 verzeichnete Luxemburg unter allen Staaten der Eurozone den größten Preisrückgang auf Immobilien, insgesamt minus 4,1 Prozent. Ähnlich wie Deutschland, sind die Luxemburger Immobilienpreise, nachdem sie vor zwei Trimestern einen Höchststand erreicht hatten, um nahezu sechs Prozent gefallen. Der Rückgang betreffe alle Immobilientypen, vor allem aber neue Wohnungen (minus 6,2 Prozent in einem Quartal). Der Preisrückgang lässt sich auf den Rückgang der durch die hohen Zinssätze bedingten Nachfrage zurückführen. So sei die Anzahl der Immobilientransaktionen Anfang 2023 im Jahresvergleich um 50 Prozent gesunken. Den größten Rückgang (minus 72 Prozent) habe es bei den sich im Bau befindenden Wohnungen gegeben, bei denen dadurch ein historisch niedriges Niveau erreicht wurde: 174 Transaktionen im ersten Quartal 2023, verglichen mit 632 im Jahr davor.
Arbeitszeit
Dass die von den Luxemburgern geleistete Arbeitszeit nach der Pandemie wieder einen Anstieg verzeichnet, ist erst einmal wenig verwunderlich. Im Vergleich zu dem Jahr 2019 verzeichnet Statec allerdings einen Rückgang von eins bis zwei Prozent. Ähnlich sieht es in Luxemburgs Nachbarländern aus. Für die Jahre 2023 und 2024 geht das Statistikinstitut von einem weiteren Rückgang von 0,7 beziehungsweise 0,3 Prozent aus.
Demnach leisteten Angestellte 2022 in Luxemburg 33 Arbeitsstunden weniger (minus 2,2 Prozent) als noch im Jahr 2015. Dieser Rückgang liegt über jenem der Eurozone mit im Schnitt minus 24 Stunden, jedoch noch unter jenem von Deutschland. Angestellte in Deutschland arbeiteten 2022 im Schnitt 42 Stunden weniger als noch im Jahr 2015. Die geleistete Arbeitszeit hat sich in Belgien und Frankreich hingegen kaum verändert (drei bzw. eine Stunde weniger).
Den größten Rückgang habe es in Luxemburg in der Industrie (71 Stunden weniger) gegeben, gefolgt vom Handel, Transport und Horeca (55 Stunden weniger). Arbeiter des Bausektors haben 2022 im Schnitt 43 Stunden weniger gearbeitet als noch 2015. Im öffentlichen Dienst waren es laut Statec 29 Stunden weniger. Im Finanzsektor und bei den Dienstleistungen habe es in diesem Zeitraum hingegen kaum Unterschiede gegeben.
Die durchschnittliche Arbeitszeit in Luxemburg ist nach wie vor höher als bei seinen Nachbarländern. Dies sei jedoch nicht nur auf die gesetzliche Arbeitszeit, sondern auch auf andere Faktoren, wie zum Beispiel die geringere Inanspruchnahme der Teilzeitarbeit, zurückzuführen.
Gleichzeitig stellt Statec einen Anstieg der durchschnittlichen Lohnkosten (CSM) pro Kopf im ersten Quartal 2023 fest: plus 6,5 Prozent im Jahresvergleich. Der Index zu Beginn des Jahres habe am stärksten zu dem Lohnanstieg beigetragen. Darüber hinaus würden die Lohnkosten durch einen geringeren Krankenstand als noch im Vorjahr nach oben gedrückt werden, wohingegen sie durch moderate Prämien und Gratifikationen nach unten gedrückt würden, geht aus dem Statec-Bericht hervor.
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